von WalterJörgLangbein » Mo, 13.07.2009 14:18
„Der Schriftexperte“ oder
„Inspekteur Peter F. Alk und der Doppelmörder“
Kurzkrimi von Walter-Jörg Langbein
Heinz Salewski erschlug den Landstreicher mit einem Stein. Ein einziger Schlag genügte. Endlich hatte er den Kerl erwischt. Den einzigen Zeugen eines Mordes, seines Mordes. Heinz Salewski hatte drei Tage zuvor seine Frau getötet, aus heimtückischen, niederen Motiven. Vom Balkon seines Hauses gestürzt. Ja, seines Hauses. Denn nach dem Tod seiner Frau Anna gehörte ihm nun alles: das kleine Landhaus am Rande der Stadt. und auch der mittelgroße Zeitungsverlag.
Heinz Salewski würde nun auch weiterhin das beschauliche Leben eines Privatforschers führen können. Irgendwann einmal würde er sein Buch „Was die Handschrift verrät“ veröffentlichen. Wenn er keinen Verlag finden sollte, konnte er es im eigenen Haus erscheinen lassen, sein Lebenswerk.
Niemand hatte ihn mit dem Tod seiner Frau in Verbindung gebracht. Niemand hatte gesehen, wie er sie vom Balkon stieß. Nur dieser Landstreicher. Aber der war ja nun auch tot. Und niemand traute Heinz Salewski einen Mord zu, geschweige denn einen Doppelmord.
Man bemitleidete ihn in der Stadt, belächelte ihn. Man machte Witze. Seine Frau, die resolute Endvierzigerin, die ein Verhältnis mit einem ihrer Angestellten im Verlag hatte, mit einem jungen Kerl, der 15 Jahre jünger war als sie...die hatte ihrem Mann Hörner aufgesetzt. Und der arme Kerl merkte gar nichts davon, vertiefte sich in seine Forschungen.
Er war alles andere als ein Mördertyp: klein, etwas weltfremd. Letztlich blieb es unverständlich, wieso die beiden geheiratet hatten. Nun war die Frau tot. Bei der Morgengymnastik vom Balkon gestürzt. Vermutlich angetrunken. So lautete die amtliche Lesart. Und der Landstreicher ? Vermutlich von einem Saufkumpan erschlagen. Kein Mensch brachte die beiden Todesfälle miteinander in Verbindung. Auch nicht mit Heinz Salewski.
Kommissar Mario Inspekteur Peter F. Alk bearbeitete den Fall Bollmann. Bollmann, das war der Landstreicher. Heinz Salewski hatte ihn ermordet. Weil er das Gesicht des Landstreichers, Sekunden, nachdem er seine Frau vom Balkon gestoßen hatte, im Buschwerk am Rande seines Gartens hatte aufblitzen sehen. Diesen Mann musste Heinz Salewski töten, so wie er seine Frau schon ermordet hatte.
Seine Frau wollte ihn, Heinz Salewski, aus dem Haus werfen und ihren jungen Liebhaber zu sich ins Doppelbett holen. Aber Heinz Salewski hatte sich als nervenstark erwiesen. Kaltblütig hatte er seine Frau vom Balkon gestoßen. Und nun hatte er auch Landstreicher Bollmann getötet, den einzigen Zeugen. Zwei Tage war dieser Mensch frei herumgelaufen, hatte aber allem Anschein nach keine Anzeige gegen ihn, Heinz Salewski, erstattet. Ob er eine Erpressung geplant und vorbereitet hatte?
Zwei Tage hatte er ihn gesucht, diesen Landstreicher. Zwei Tage lang war er umhergeirrt, immer auf der Suche nach dem Zeugen seiner Bluttat.
In der Stadt tuschelte man über ihn, bemitleidete man ihn mehr denn je. „Er kann den Unfalltod seiner Frau nicht verwinden!“ sagten die einen. „Wie ein Verrückter taumelt er durch die Gegend...als suche er seine Frau!“ meinten die anderen. Und wieder andere waren der Ansicht, Heinz Salewski könne doch froh sein, dass seine Frau tot sei. „Wenn er ein Mann wäre, ein echter Kerl, hätte er sie umgebracht!“ fand Irma, die dicke Wirtin von der Kneipe „Roter Mund“. Nur Fritz Ackermeier junior vom gut gehenden Kaufhaus schüttelte den Kopf. „Wenn das mal doch kein Unfall war!“ Dafür erntete er Hohngelächter. Der Heinz Salewski, dieser Waschlappen, ein Mörder? Undenkbar! Am Schluss hat er dann auch noch den Landstreicher um die Ecke gebracht....Massenmörder Heinz Salewski! Zu komisch erschien allen diese Vorstellung.
Inspekteur Peter F. Alk bearbeitete den Fall Bollmann. Den Tod des Landstreichers. Dabei hatte man ihm diskret mitgeteilt, er möge diesen Fall rasch abschließen, als „ungeklärten Mord“. Mit dem Tod eines Landstreichers verplempert man nicht seine Zeit als Kommissar.
Inspekteur Peter F. Alk begab sich noch einmal ins Leichenschauhaus. „Wohin mit dem Zeug?“ fuhr ihn der Mann vom Leichenschauhaus an. Und meinte damit den kargen Besitz des toten Landstreichers: seine Uhr, ein stark verschmutzter Ausweis, drei Mark, eine Plastiktüte. Da war noch was: ein handgeschriebenes Blatt Papier, stark verschmutzt, in einem Umschlag, der noch stärker verdreckt war. Inspekteur Peter F. Alk nahm das beschriebene Blatt an sich.
„Wohin mit dem Zeug?“ wiederholte der Mann vom Leichenschauhaus. Aber Inspekteur Peter F. Alk antwortete nicht. „Der Herr Kommissar denkt wohl nur noch an die attraktive Sandra, seine Flamme?“ höhnte der Mann vom Leichenschauhaus. Aber Inspekteur Peter F. Alk hörte auch das nicht. Zu sehr war er in die kaum zu entziffernde Handschrift vertieft. Der Brief, wenn es ein Brief war, war extrem verschmutzt, immer wieder gefaltet, eingerissen, fleckig.
Inspekteur Peter F. Alk saß Heinz Salewski gegenüber. „Es geht um den Mord an Landstreicher Bollmann!“ wiederholte er. „Und da kommen Sie zu mir?“ Fragend sah ihn Salewski an. Inspekteur Peter F. Alk nickte. „Es geht um diesen Zettel.“ Der Kommissar entfaltete das schmutzige Blatt Papier. „Schwer zu lesen....“ murmelte Inspekteur Peter F. Alk, „aber wenn man sich Mühe gibt...“ Er setzte seine Lesebrille auf, die er trotz seiner jungen Jahre schon benötigte. „Mmmmmoooo...“ murmelte er...“Mord gemeiner Mörder...arme Frau...ermordet...nicht ungestraft davonkommen...“
Heinz Salewski wurde bleich. Er wusste immer, wenn er verloren hatte. Und er hatte verloren. Warum hatte er nicht die Taschen des toten Landstreichers durchsucht, nachdem er ihn ermordet hatte ? Hätte er sich nicht denken können, dass der Kerl seine Beobachtung, seine Zeugenaussage, aufschreiben würde? Daran hatte der Mörder nicht gedacht.
„Dann hat es wohl keinen Sinn weiter zu leugnen!“ brachte Heinz Salewski tonlos hervor. „Ja, ich habe meine Frau ermordet, vom Balkon gestoßen. Und den Landstreicher habe ich umgebracht, weil er mich dabei beobachtet hat. Ich musste ihn, den einzigen Zeugen, beseitigen.“
Inspekteur Peter F. Alk nahm an Ort und Stelle das Geständnis Heinz Salewskis entgegen. Er ließ es sich diktieren, Heinz Salewski unterschrieb. „Jetzt habe ich zwei Geständnisse...“ murmelte Inspekteur Peter F. Alk. Der überführte Mörder verstand nicht.Inspekteur Peter F. Alk klärte ihn auf. „Nun : Einmal ihr Geständnis für den Mord an Ihrer Frau und an dem Landstreicher. Und das Geständnis des Landstreichers.“
Heinz Salewski verstand noch immer nicht. Da entfaltete Inspekteur Peter F. Alk nochmals das schmutzige Blatt Papier, das man bei dem toten Landstreicher gefunden hatte. „Es war ein gemeiner Mord, meine arme Frau, ich habe sie ermordet, werde ich ungestraft davonkommen?“ Langsam begriff Salewski. „Der Landstreicher hat gar nicht den Mord an meiner Frau beschrieben?“ Inspekteur Peter F. Alk nickte. „Nein. Herr Bollmann hat vor vier Jahren seine Frau umgebracht. Damals tauchte er unter, schlug sich als Landstreicher durch. Sein Geständnis trug er immer mit sich herum. Vielleicht, weil er wollte, dass nach seinem Tod sein Geständnis gefunden würde...“
Heinz Salewski fing an, laut zu lachen, brüllend, wie von Sinnen. „Und ich dachte, der Kerl hätte meinen Mord beobachtet und beschrieben....“ Inspekteur Peter F. Alk schüttelte den Kopf. „Ich war eigentlich nur gekommen, um Sie zu bitten, den Schrieb des Landstreichers einmal anzuschauen. Weil Sie doch Schriftexperte sind....und ich nicht alles genau lesen kann, was da steht.“
Heinz Salewskis Lachen wurde zu einem irren Grölen. Er hörte die keifende Stimme seiner toten Frau. „Du bist ein absoluter Versager. Im Bett sowieso. Als Schriftsteller bist du eine Null. Und als Mörder eine Niete....“ Salewskis Augen verengten sich. „Hals Maul...“ giftete er. „ Halt’ Dein verdammtes Maul....“