Ich hatte jahrelang Probleme damit, mir mal diesen Klassiker "Citizen Kane" im Fernsehen komplett anzusehen. Bin meist nach 'ner halben Stunde eingeschlafen, weil der fast immer zu extrem später Stunde lief. Deshalb hab ich mir den Streifen vor einiger Zeit mal auf DVD geholt, um ihn endlich mal ohne Schlafphasen genießen zu können.
So konnte ich dann auch mal prüfen, ob es Parallelen zu "Mord per Telefon" gibt, da der Film mit Orson Welles ja fraglos das Grundgerüst der Columbo-Folge bildet.
Und für meine Begriffe wird man da schon fündig.
Charles Foster Kane, der Held aus "Citizen Kane" war Medienmogul und mit dieser Profession ein ähnlicher Manipulator wie Dr.Mason. Fosters erste Gattin starb bei einem Autounfall(guck an!), und die zweite ist ihm weggelaufen.
Gut, Joanne ist zwar nicht Masons Folgebraut, aber sie ist ja vor dem Würgeversuch schon im Begriff, die Zelte im Hause von Dr.Mason abzubrechen, weil sie von der nicht erwiderten Liebe des Professors offenbar die Nase voll hatte.
Da scheinen mir zumindest grobe Wiedererkennungsmerkmale zwischen den Filmen vorzuliegen.
Nicht astrein, aber man muss jetzt auch nicht den Holzhammer rausholen, um die Findung zu befriedigen.
Also ein Zeitungszar und ein Psychologe stehen hier im Blickpunkt.
Nur wie setzt man jetzt einen Manipulator, wie ihn Dr.Mason verkörpert, in einem Kriminalfall perfekt in Szene?
Ich denke, das gelingt zu Beginn ganz hervorragend. Die Szene im Hörsaal zeigt eindringlich seine Fähigkeit, Massen im Griff zu haben.
Und dann schleppt er zu den Vorlesungen auch noch seine Hunde an. Quasi wie Zerberus in der griechischen Mythologie als Bewacher der Unterwelt sitzen sie da. Hier werden die Fronten zwischen Macher und Masse aber ganz klar gezogen. Und Dr.Mason ist hier auch sprachlich voll in seinem Element. Das ist echt wunderbar dargestellt.
Und auch beim ersten Zusammentreffen mit Columbo bedient man sich gelungener Optik. Dr.Mason spricht auf den Treppenstufen vor seinem Haus von oben herab mit dem Inspector. Auch später im Höraal thront Mason weit über Columbo und beim anschließenden Gespräch im Institut sitzt Columbo an einem extrem langen Tisch weit entfernt vom Mörder.
In keiner anderen Folge wird Distanz und scheinbare Überlegenheit so anschaulich dargestellt.
Ganz hervorragend!!!
Umso bedauerlicher fand ich es dann aber schon, dass Dr.Mason diese starken Szenen über die Dauer der Folge nicht halten kann.
Tut mir leid, aber das ist mir im Columbo-Mörder-Spiel einfach zu wenig.
Doc, ich hab da auch nix zwingendes zwischen den Zeilen rauslesen können.
Columbo agiert und Dr.Mason reagiert nur noch auf sehr schmaler Kommunikationsbasis.
Bei Fußballspielen gibt es ja immer diese Statistik über Spielanteile der Mannschaften.
Da hat eine Elf dann etwa 60% Ballbesitz und die andere 40.
Zwischen Columbo und Dr.Mason scheint mir dieses Verhältnis bei gefühlten 90:10 für den Inspector zu liegen.
Während der Indiziensuche kommt leider nicht mehr viel vom großen Verteiler der Worte.
Selbst das Gespräch am Kamin mit Wein und Gelassenheit bringt da nicht die große Wende.
Mason fragt, welches Wort der Inspector hätte und der antwortet naturgemäß mit "Mord", was vom Psychologen dann auch für einleuchtend erachtet wird.
Ich persönlich hätte von Dr.Mason zumindest im Ansatz erwartet, dass er auch versucht, den Inspector zu manipulieren.
Und das Wortspiel ist ja letztlich nur für den Inspector zielführend, weil er auf der Suche nach Angriffskommandos ist.
Warum Dr.Mason aber mit dem Wortspiel beginnt wird für mich nicht logisch genug aufgeschlüsselt.
Da fehlt mir der Hintergedanke.
Oder hab ich ihn nicht erkannt?
Auf alle Fälle ist mir das dann doch 'ne Spur zu lethargisch und mundfaul, wie Dr.Mason den zweiten Teil der Handlung bestreitet.
Da werden die Möglichkeiten für meinen Geschmack echt nicht ausgeschöpft.
Der dramaturgische Aufbau der Folge ist dafür umso gelungener.
Die Zeit bis zum Mord gehört für mich zu den ansehnlichsten Eröffnungen aller Columbo-Folgen.
Die Hunde attackieren gleich zu Beginn die Puppe, und der Zuschauer bekommt somit quasi eine Art Preview zu sehen, einen Blick auf das, was anschließend mit Dr.Hunter passieren wird.
Sehr schöne Idee!
Auch Columbo ist in Hochform, zieht immer genau die richtigen Schlüsse, ohne dabei zu allwissend zu wirken.
Die Musikuntermalung ist sehr treffend und einfühlsam. Diese Düsternis der Folge wird wunderbar eingefangen.
Am besten gefiel mir dieses musikalische Intermezzo nach dem Wildwerden der Hunde im Käfig und vor der Überführung von Dr.Mason.
Ohne Worte wird hier klar, dass Columbo zusammen mit der Hundetrainerin die finale Lösung des Problems angeht. Toll gemacht!!!
Bei "Citizen Kane" wird das Geheimnis um Rosebud erst in der allerletzten Szene gelüftet.
In der Columbo-Folge verliert dieses Wort in der letzten Szene seine mörderische Wirkung.
Hier wird ein Mörder mal wieder grandios mit den eigenen Waffen geschlagen.
Und das ist für den Inspector ja letztlich die ihm eigene Art von Lebensbewältigung.
Er praktiziert hier erfolgreich das, was Dr.Mason in seinen Vorlesungen propagierte: Für sich selbst das richtige Wort zu finden!
Aufgabe grandios erledigt!!