von gubanov » Do, 26.03.2009 22:54
"Der alte Mann und der Tod" wird oft von Columbo-Fans als misslungenes Experiment verschrien. So freilich auch hier im Forum. Kritisiert werden in erster Linie nach den bisher getätigten Ausführungen die veränderte Krimistruktur und der übermäßig eingesetzte Humor. Wie man aus meiner Punktewertung erkennt, kann ich diesen Kritikpunkten nicht zustimmen und möchte daher versuchen, die Ehre dieses Eintrags wenigstens zu einem kleinen bisschen wiederherzustellen, nachdem hier nun quasi Verriss auf Verriss folgte.
Beginnen wir zunächst ganz harmlos: bei den Schauspielern. Als erster großer Name begegnet uns Robert Vaughn, der bereits in "Traumschiff des Todes" zu überzeugen wusste und für mich ein Sympathieträger unter den Mördern und angeblichen Mördern ist - seine offene und freundliche Art macht jede Schandtat schnell vergessen (wie gut, dass ich nicht Columbos Job habe!). Er kann seine Rolle auch dieses Mal glaubhaft transportieren. An seiner Seite agieren Fred Drager, Diane Baker, Wilfrid Hyde-White (der Mann ist mit der Stimme von Hans Paetsch einfach eine Wucht), John Dehner, Dennis Dugan und Bruce Kirby. Alle sind vollkommen passend zu den jeweiligen Rollen besetzt, die immer auf dem schmalen Pfad zwischen realistischer Menschendarstellung und einem gewissen "guten alten Charme" wandeln, den die Folge aufgrund des "heile Welt"-Inselschauplatzes und des klassischen Kriminalplots mehr als die meisten anderen Columbos aufbaut. Gewiss kann der Kritiker, der unbedingt etwas finden will, behaupten, man hätte gewisse Charaktere noch genauer ausbauen müssen, doch das hätte den Rahmen einer ansonsten gut gefüllten Folge merklich gesprengt (warum hier einige den Film als langatmig titulieren, verstehe ich nicht, denn eigentlich reagiere ich empfindlicher auf Füllstoff und Dehnungen als der durchschnittliche Columbo-Fan). Die Sonderposition dieser Episode als Whodunit-Krimi rechtfertigt nun einmal eine größere Zahl an Hauptakteuren, als es gemeinhin bei Columbo der Fall ist, wenngleich ich kaum der Meinung zustimmen kann, dass etwa die Rolle von Fred Draper eine besonders untergeordnete sei.
Etwas detaillierter möchte ich nun auf den Kriminalfall eingehen. Er erweist sich als effektive Umkrempelung des typischen Columbo-Schemas, dem Zuschauer einen Vorsprung vor dem Inspektor zu gewähren. Dabei ist die Folge aber so klug, ganz typisch zu beginnen und sowohl den Inspektor als auch das Publikum für die erste Hälfte des Geschehens im Glauben zu lassen, den Mörder - wie immer - zu kennen. Aus diesem ungemein cleveren Kompromiss ergibt sich eine ansonsten unmögliche Symbiose: die Existenz sowohl eines Columbo-"Mörder"-Spiels zwischen Falk und Vaughn (das man ja bereits in der vorherigen Staffel erprobt hatte und nun somit etwas verkürzen konnte) als auch einer Unsicherheit, wer der wahre Täter sein könnte. Wer behauptet, es gäbe kein Columbo-Mörder-Spiel, der hat schlecht aufgepasst und die typischen Elemente eines solchen, die durchaus vorhanden sind, nicht registriert: die Fragen des Inspektors an den Verdächtigen, für die dieser eine Erklärung suchen muss (das Klüvern des Besanbaums), die mehrfachen "Belästigungen" durch Columbo und die Reaktion des Verdächtigen darauf sowie die schließliche Anklage durch Columbo, die sich hier schon relativ zeitig findet und sich einmalig als grundlos erweist. Die Tatsache, dass Vaughn aber zumindest für die Vertuschung des Verbrechens sorgte und somit um das Finden bester Ausreden bemüht ist, ja sogar das Knacken eines Alibis vom Inspektor 'mal eben locker zwischengemischt wird (wieder ein klassisches Element), beweist aber, wie genial die Verquickung von Althergebrachtem und Experimentellem in dieser Folge durch Jackson Gillis gelöst wurde. Dafür meine Hochachtung.
Der zweite Teil der Handlung (man mag sich vorstellen, welcher Schock es für die Zuschauer von "Columbo" gewesen sein muss, den vermeintlichen Täter auf einmal selbst auf der halben Filmstrecke als Leiche herumliegen zu sehen!) gewinnt zusätzlich an Fahrt, was die Ermittlungen betrifft, da nun eine ganze Reihe an Verdächtigen ansteht. Der Vergleich, der hier bereits mehrfach zu Agatha Christie gezogen wurde, kann auf diesen Teil der Episode nun endlich angewandt werden. Dabei finde ich es aber erschreckend, wie hier einige Columbo-Fans zu den Talenten der Macher ihrer Lieblingsserie stehen: Da wird Columbo schon einmal als "Christie für Arme" bezeichnet oder behauptet, einer der Klamauk-"Miss Marples" (ich vermute zumindest, Rutherford und nicht Joan Hickson war gemeint) sei ertragreicher als Columbo. Dabei ist der Fall durchaus klug konstruiert. Durch die Einbindung dreier Personen in den Mord (1.: der, der ihn begangen hat; 2.: die, die der Mörder belasten wollte; 3.: der, der die Belastung fortwischen wollte und selbst zum Hauptverdächtigen wurde) und die darauffolgende Erweiterung des Verdächtigenkreises entwickelt sich eine Geschichte, die vielleicht etwas komplizierter ist als die gängige Columbo-Story, aber weder unglaubwürdig noch handwerklich schlecht gemacht ist. Die Verbitterung einiger, die behaupten, das Drehbuch sei schlecht, resultiert meiner Meinung nach mit Verlaub eher aus einer enttäuschten Erwartung und eventuell einer Überforderung als aus echten Fakten. Denn Fakt ist einzig: Wenn man sich auf den Whodunit-Plot einlässt, weiß er durchaus zu überzeugen.
Einwände kommen nun von der Seite, die anführt, der finale Clou mit der Uhr sei vor Gericht unhaltbar. Nun aber Butter bei die Fische: Wie viele Columbo-Clous sind vor Gericht haltbar? 10 Prozent? Fünf? Noch weniger? Ich bin mir bewusst, dass eine solche Argumentation keineswegs eine Entschuldigung darstellt, doch wenn hier einige mit der Sehnsucht nach dem "klassischen Columbo-Prinzip" argumentieren und gleichzeitig anführen, die Überführung sei zu wackelig, dann schneiden sie sich ins eigene Fleisch. Fred Draper gibt meiner Meinung nach überdies einen sehr überzeugenden Mörder. Man bedenke auch, dass die Sache mit seinem Profit vom Testament des Commodore nicht erst "gen Ende aus dem Hut gezaubert wurde", sondern bereits relativ zu Anfang der Ermittlungen Erwähnung fand und somit keinerlei Grundlage für die Behauptung besteht, das Motiv sei erst in den letzten Filmminuten aufgedeckt worden.
Freilich kann man mir eine gewisse Belastung attestieren, da ich Whodunits und auch besonders Agatha Christie (einschließlich ihrer langen und breit erklärten Auflösungen, so wie sich ja auch eine in dieser Folge findet) unglaublich liebe, doch ich glaube kaum, dass meine Sinne so vernebelt sind, dass die vorgetragene Argumentation völlig an Wirkung verliert.
Zu guter Letzt noch die Sache mit dem Humor: Wie auch martha gehöre ich zu den Personen, die selten laut vor dem Fernseher lachen (zumindest bei Krimis wie "Columbo"), doch in dieser Folge habe ich mich mehrmals vor Prusten kaum halten können. Der, zwar inzwischen betagte, aber immer noch wirksame, Witz mit dem zu engen Auto ist köstlich (gut, das "Attacke!" hätte man sich sparen sollen, aber im O-Ton scheint es ja auch nicht vorhanden zu sein) und wird später auf dem Sofa als Reminiszenz ein zweites Mal aufgegriffen. Auch ansonsten gibt es einige sehr, sehr lustige Szenen ("ein Loch entworfen", Meditation etc.), wobei Peter Falk für meine Begriffe immer in seinem Element bleibt. Die Erzürnung vieler über den Humor dieser Folge kann ich dementsprechend aus persönlichem Eindruck nicht nachvollziehen und bin deshalb abermals der Auffassung, dass hier nach Kritikpunkten gesucht wird, um eine Folge zu verreißen, die dem "klassischen Fan" insgesamt weniger zusagt. Korrigiert mich, wenn ich da falsch liege.
Gut, der langen Rede kurzer Sinn steht auch bereits obendrüber: 5 von 5 Punkten für einen unerwartet gelungenen Abschluss der fünften Staffel (man hört schließlich vorher von der Mund- und Schriftpropaganda). Passend zu diesem gelungenen Abschluss findet auch die Episode selbst ein wunderbares Ende, als Columbo sich - beinahe poetisch - mit dem Boot immer weiter von der Kamera entfernt und die Musik "This Old Man" anstimmt. Hier war wohl tatsächlich ein Abschied für immer geplant. Wie gut, dass es nicht dazu kam...