von Doc Brown » Mi, 22.03.2017 22:07
Gestern habe ich mir den Bochumer "Tartuffe" angesehen. Ich hatte das Buch auf meiner Kreuzfahrt gelesen und fand den Stoff sehr, sehr stark. Inhaltlich auch heute noch treffend und wichtig, gerade jetzt, in Zeiten von Trump & Co.
Ich bin daher froh, mich mit dem Stoff beschäftigt zu haben, aber die gestrige Inszenierung gefiel mir weniger. Mir waren die Figuren zu überzeichnet, ich hatte beim Lesen des Werkes eine andere Wahrnehmung. Insgesamt war mir das Gehampel auf der Bühne auch zu albern. Der Berliner Dialekt von Cléante und Valère, der wie Piet Klocke spricht ... Warum? Zumal Daniel Christensen noch nicht mal in entferntesten aus Berlin kommt. Dazu war Mariane mit ihrer hohen, piepsigen Stimme kaum zu ertragen. Auch das Bühnenbild gefiel mir nicht. Es gab ja quasi keines. Tartuffe hätte ich auch ganz anders interpretiert. Nicht so verlottert.
Gut fand ich hingegen den Schauspieler von Orgon. Der war zwar in seiner Naivität auch überzeichnet, aber dennoch gefiel mir seine ganze Art. Gut fand ich auch, dass die ganzen inhaltsleeren Begriffe auf der Bühne zu lesen waren, mit denen die Populisten - so also auch Tartuffe - arbeiten. Ehre, Treue, Ordnung, Glaube ... das sind Begriffe, die ich aus sauerländischen Schützenhallen kenne. Sehr schön, dass man das Heucheln mit diesen Worten so plakativ herausgearbeitet hat. Fiel dann auch sofort auf, wenn Tartuffe wieder einmal von "Ehre" o.ä. sprach.
Die Kostüme waren auch sehr stark.
Ich hätte mir gewünscht, dass man das Thema ernster angeht. Obwohl das Stück eine Komödie ist, war mir das alles zu albern. Ich hätte den Fokus gerne mehr auf der gesellschaftlichen Kritik von Moliere gesehen - ohne Gehampel. Schade, ich denke, da hätte man mehr herausholen können.
Das Publikum schien jedoch eine andere Wahrnehmung zu haben. Es gab minutenlang stürmischen Beifall und Gejohle. Hab' ich in der Form auch noch nicht gesehen.
Döp döp döp de de döp döp döp
(H.P. Baxxter)