zimtspinne hat geschrieben:Herzlich Willkommen im Columboforum erstmal, dooger.
Du machst dir da interessante Gedanken über Raum und Zeit, gefällt mir!
Mein spontaner Erstgedanke dazu ist: Du empfindest die relativ kurze Zeitspanne zwischen Ära I und II deshalb so veränderungsstark, weil sie mit deinen eigenen stärksten Lebensveränderungen korreliert.
Danke für den Beitrag und die Begrüssung.
In gewisser Weise denke ich auch, dass das eine Rolle spielt.
Soweit ich verstanden habe, warst du in den 70ern Kind und Ende der 80er junger Erwachsener?
Ich glaube, jeder Mensch ist der Meinung, dass sich die Welt zwischen seiner Kindheit und seinem Eintritt ins Erwachsenenalter um mindestes 360° gedreht hat. Also stark verändert.
Ganz so alt wie du offenbar meinem Beitrag entnommen hast, bin ich dann wohl nicht. Ich erkläre hiermit noch einmal genauer, dass ich Ende der 70er Jahre noch so klein war, dass es gar nicht möglich für mich war, diese Zeit bewusst schon wahrzunehmen. Folglich hab ich den grössten Teil meiner Kindheit in den 80ern verbracht und meine Jugendzeit in den 90ern.
Da ich also noch gar nicht so alt bin und in den 80ern meine Kindheit verbracht habe und nicht bereits mein Leben als junger Erwachsener, untermauert das eigentlich die von dir angesprochene Theorie, dass ich wahrscheinlich das Gefühl hatte, dass sich die Welt in den 80ern für mich persönlich um 360° gedreht hat.
Seltsamerweise komme ich aber zu dem Schluss, dass ich dieses Gefühl in dieser Zeit hindurch eigentlich kaum verspürte, wenn ich es auf das Leben in meinem kleinen Mikrokosmos beziehe. Vermutlich weil ich selbst in den 80ern kaum mit stets aktuellster Technik oder neumodischen visuellen Reizen in Berührung kam. Meine Beobachtungen des Wandels beziehen sich also eigentlich rein auf Film- und Fernsehen, wo man eben mit anderen Perspektiven auf das Leben konfrontiert wird. Und vor allem mit optischen Eindrücken, die man aus dem realen Leben gar nicht kennt/kannte.
Da ich die 70er nicht real erlebt habe, ist meine Vorstellung davon sicherlich verzerrt und vor allem durch Film- und Fotoaufnahmen geprägt.
Objektiv betrachtet, hat sich zwischen ca 1980 und ca 1990 weder in Mode, noch in Zeitgeist noch in Wissenschaft und Technik soooo wahnsinnig viel ereignet.
Mit einer Ausnahme vielleicht: das Internet ist massenwirksam geworden^^
Objektiv hat sich vermutlich tatsächlich zwischen 1980 und 1990 nicht so viel getan, wie es mir erscheint, wenn ich z.B. Hollywood-Spielfilme anschaue und die frühen 80er mit den Anfängen der 90ern vergleiche. Denn gerade Filme vermitteln ja auch ein verzerrtes Bild der Realität, bzw. zeigen sie oft das was zurzeit gerade besonders cool ist und beim Zuschauer gefragt. Die Filme widerspiegeln also häufig schon einen aktuellen Zeitgeist, der geschönt ist und oft nicht der Realität des Zuschauers entspricht, auch wenn dieser vielleicht genau das gerne hätte.
Mein persönlicher Eindruck ist demnach so, dass sich in Wissenschaft und Technik wohl tatsächlich in dieser Zeit gar nicht so viel mehr getan hat, als in anderen Jahrzehnten. Selbst deine angeführte Ausnahme trifft nicht ganz zu, denn das Internet ist nicht in dieser Zeit, sondern erst zwischen 1990 und 2000 massenwirksam geworden.
Was allerdings gewisse Moden und Strömungen betrifft, da ist mein Eindruck schon so, dass diese in früheren Jahrzehnten viel prägender und einheitlicher gegliedert waren, wohingegen in der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit viel mehr verwischt und miteinander verknüpft wird.
Früher gab es z.B. viel mehr feste Strömungen, die beispielhaft für ein Jahrzehnt waren und dieses mitgeprägt haben. Zum Beispiel die Koteletten in den 70ern, die Föhnwellen oder Punk-Frisuren in den 80ern. Deshalb kann man heute was Mode, Frisuren, Musik oder Filme betrifft, so schön in Nostalgie schwelgen und sagen: Tja, das waren die 60er, die 70er, die 80er oder auch die 90er. Danach wird es allerdings schon schwieriger, denn wie oft hört man jemanden heute sagen, dass dies typisch für die 00er war, wenn er auf das Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende anspricht? Vereinzelte Strömungen und Moden, so scheint es mir, sind heute zu schnelllebig, als dass ich sie für so prägsam halte, dass man auch noch in 30 Jahren nostalgisch daran zurückdenkt. Wenn es um angesagte Musik geht, so zeigt sich dies ebenfalls sehr deutlich. Es ist wesentlich einfacher einen erfolgreichen Song aus den 60ern, 70ern, 80ern oder 90ern dem richtigen Jahrzehnt zuzuordnen, als dies bei aktuellerer Musik der Fall ist. Damals war der Stil der Songs viel unverkennbarer mit dem damaligen Zeitgeist verbunden. Wenn man sich dagegen mal in den aktuellen Hitparaden umguckt, so lässt sich heute vor allem der Trend feststellen, dass in den letzten beiden Jahrzehnten eigentlich keine vollkommen neuen Musikrichtungen mehr entstanden sind, sondern die bisherigen Stile in ein und demselben Song miteinander vermischt sind. So kann man bei vielen angesagten Songs heute gar nicht mehr so eindeutig sagen, ob er nun eher Pop, Dance, House oder Hip-Hop ist.
Ähnlich sehe ich das auch bei Filmen. Vor 20 Jahren konnte ich noch viel öfter auf den ersten Blick erkennen, dass der Film bereits 20 Jahre alt ist, also aus den 70ern stammt. Die Schauplätze, die Bildqualität, die Mode und die Frisuren sprachen meist eine ziemlich eindeutige Sprache. Heute, 20 Jahre später, kann ich oft nur sehr schwer einschätzen, ob ein Film nun aus dem Jahr 1995 oder 2015 stammt. Wenn, dann erkenne ich einen neuen Film daran, wenn es eine HD-Produktion ist oder ich kann anhand des Standes der gezeigten Technik, z.B. bei PCs und Handys, das ungefähre Jahr erraten, sofern diese überhaupt im Film deutlich eingeblendet wird. Dieses interessante Phänomen, dass es mir oft schwer fällt einen Film den 90er, 00er oder 10ern zuzuordnen, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass ich alle diese Jahrzehnte bewusst erlebt habe und diese für mich quasi eine fortlaufende Einheit bilden. Obwohl ein solches Szenario für mich nur schwer vorstellbar ist, halte ich es trotzdem nicht für unmöglich, dass ein heute 16-jähriger, der die 90er noch nicht bewusst miterlebt hat, bei einem Film aus den 90ern, den ich dem Jahrzehnt nicht eindeutig zuordnen kann, sofort sagen würde „boah ist dieser Film „Retro“ und ihn sofort der richtigen Zeit zuordnen könnte.
Ich halte dennoch an meinen persönlichen Eindrücken, die ich in diesem Beitrag geschildert habe, fest, dass ein Wandel der Zeit heutzutage anders von statten geht, als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Der die Zukunft prägende Wandel der heutigen Zeit erscheint mir viel subtiler, da er sich eher auf Dinge wie Globalisierung, immer stärker und schneller werdende Vernetzungen und zunehmende Fülle von Informationen bezieht. Viele Dinge, die man auf den ersten Blick gar nicht mit dem Auge erkennen kann.
Ich kann darum auch verstehen, dass Doc Brown es ebenfalls so sieht wie ich, dass er zwischen einem Columbo von 1989 und 2000 keinen so krassen Unterschied sieht. Dass z.B. das Internet in dieser Serie nur marginal eine Rolle spielt, verstärkt diesen Eindruck sicherlich noch mehr.
Speziell bei Columbo gibt es da auch noch andere Punkte. Wie ich schon erwähnte, ist die Serie eher zeitlos konzipiert. Das heisst der Charakter Columbo ist zeitlos, nicht jedoch die Mörder und das Umfeld, in dem er ermittelt. Und das Augenmerk ist in dieser Serie noch stärker als bei anderen Krimis auf den Hauptdarsteller gerichtet, da der Mörder bereits von Anfang an bekannt ist und sozusagen eher als Mittel zum Zweck fungiert. Die Dialoge, das Zusammenspiel zwischen Columbo und Mörder und das Vorgehen, wie er es schafft den Mörder zu überführen, stehen im Vordergrund.
Auch das Ambiente sticht dabei ins Auge, weil Columbo stets mit seinem zerbeulten Auto in die Welt der Reichen eintaucht, in welche er eigentlich gar nicht hineinpasst. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die Erfolgreichen in Hollywood nicht nur standesgemäss, sondern auch dem jeweils aktuellen Zeitgeist entsprechend standesgemäss leben und wohnen. Columbo hingegen, der seinem Stil seit den 70ern treu geblieben ist, wird sich wohl auch in seinem persönlichen Umfeld, das wir ja leider so gut wie nie zu Gesicht bekommen, in den 11 Jahren wohl kaum viel anders eingerichtet haben. Darum erwähne ich noch einmal, dass sich die von mir besonders stark wahrgenommene Wandlung vor allem auf die visuellen Gegebenheiten wie z.B. die Villen in der Gegend bezieht, in der Columbo ermittelt. Und dass es mich z.B. besonders erstaunt wie stark die Darstellung im Film von standesgemässem Wohnen in den 70ern von dem Ende der 80er unterscheidet. Es liegen z.B. Welten zwischen dem rustikalen Stil in der Villa von Devlin in der letzten Folge der ersten Ära und dem coolen Ambiente in der Villa von Brantley „Wer zuletzt lacht“, welches auch in der heutigen Zeit noch durchaus modern erscheint.