von Tiktaalik » Sa, 06.02.2016 07:58
Ich schreibe selten eine zweite Bewertung zu einer Episode, da ich mir gewöhnlich bereits bei der ersten ausführlich Gedanken gemacht habe. Hier mache ich aber eine Ausnahme, da ich nun - über 3 Jahre später - eine deutlich detaillierte Sicht auf diese interessante Episode habe.
"Tödliche Trennung" ist eine Episode, die ich mir aufgrund der tollen Atmosphäre, dem konstant ruhigen Tempo und den sehr gut spielenden Darstellern (insbesondere natürlich
Jack Cassidy) immer wieder gerne anschaue. Zudem ist sie auf die nötigsten Darsteller begrenzt, was mir ebenfalls gefällt. Auch positiv ist, dass Franklin sehr schnell mit den aufwändigen Mordvorbereitungen beginnt. Einige Vorbereitungen passieren beiläufig, sodass sie dem Zuschauer erst einige Minuten später einleuchten. Beispielsweise lässt er in Mr. Ferris Büro sein Feuerzeug liegen, um kurze Zeit später deswegen zurückkehren zu können und das Büro zu verwüsten. Auch, wie er Mr. Ferris dazu bringt, seine Fingerabdrücke auf der Liste mit den Verdächtigen zu hinterlassen, passiert so nebenbei, dass dem Zuschauer dies erst später auffällt. Ebenso sorgt sein Telefonat aus La Sankas Laden mit Mrs. Ferris zunächst für wenig Aufsehen, obwohl es für seinen Plan von zentraler Bedeutung ist.
Offenbar konnte man damals bei Telefonaten, die über die Vermittlung getätigt wurden, nicht nachweisen, an wen die Vermittlung das Telefonat weitergeleitet hat (oder es war sehr schwierig für die Polizei, eine entsprechende Erlaubnis zu erhalten, dies zu überprüfen). Eine 100%ige Gewissheit darüber haben wir zwar nicht, da dieses wichtige
Detail in der Episode leider nicht genannt wird. Allerdings ist nur so zu erklären, dass Franklin bei seinem Anruf aus La Sancas Laden über die Vermittlung anruft, später aber bei Mr. Ferris' Telefonat mit seiner Frau dafür sorgt, dass dieser den Anruf nicht über die Vermittlung tätigt. So kann die Polizei nur einen Anruf aus dem Strandhaus zu Mrs. Ferris nachweisen, den Franklin plausibel damit erklärt, dass er selbst sie aus dem Strandhaus angerufen hat. Dass Franklin seinen Anruf bei Mrs. Ferris in Wirklichkeit gar nicht aus seinem Strandhaus, sondern aus La Sancas Laden tätigte, kann niemandem auffallen. Schließlich gab es für die Polizei nur genau einen Anruf aus dem Strandhaus, wie der Inspektor selbst sagt. Dass dieser Anruf bestätigt wird - pikanterweise ausgerechnet von der nichts ahnenden Ehefrau des Ermordeten - verschafft Franklin ein wasserdichtes Alibi. Dass dieser nachgewiesene Anruf aus dem Strandhaus eigentlich von Mr. Ferris getätigt wurde, kann ebenfalls niemandem auffallen, da er selbst während des Telefonats behauptet, aus seinem Büro anzurufen. Was für ein phantastischer Plan!
Leider gefällt mir Franklins Verhalten gegenüber Columbo nicht. Er führt sich schon von Beginn an als sehr besserwisserisch auf und zieht hanebüchende Vergleiche zur fiktiven Mrs. Mellville. Dazu will er Columbo äußerst schnell auf die falsche Fährte, den Berufskillern, führen, was immerhin rechtfertigt, dass sich Columbo bei seinen Ermittlungen fast ausschließlich auf ihn konzentriert. Positiv ist auch, dass sich Franklins Art über die gesamte Episode zieht: Beim ersten Aufeinandertreffen in Mr. Ferris Büro, in Franklins Strandhaus sowie im Finale. Das ist wenigstens gut durchdacht und konsequent. Das CMS erhält dennoch 3 Punkte von mir, da es viele gute Dialoge zwischen den beiden gibt und mir das Zusammenspiel zwischen Falk und Cassidy gefällt.
Die Indizien gefallen mir gut: Die Liste, auf der die Namen der angeblich Verdächtigen stehen, ist so gefaltet, als ob sie jemand in seine Jackentasche stecken wollte. Dazu lügt Franklin, als er behauptet, La Sanca nicht näher zu kennen. Wenn dem so wäre, hätte sie kein handsigniertes Buch von ihm. Dazu hebt er 15.000 $ von seinem Bankkonto ab, die er einen Tag später wieder einzahlt. Auch interessant finde ich den Aspekt, dass Franklin mit dem Auto zu Mr. Ferris Büro gefahren und nicht geflogen ist. Columbo argumentiert, dass der Flug weniger Zeit in Anspruch genommen hätte. Dieses Argument entkräftet Franklin allerdings glaubwürdig damit, dass man in so einer Situation kaum vernünftig handelt und zudem am Ende weniger Zeit spart, als man denkt, da der Weg vom Flughafen zu den Ferris zusätztlich Zeit kostet. Der Zuschauer hingegen kennt den wahren Grund, warum Franklin sich für das Auto entschieden hat. Per Flugzeug hätte er die Leiche nicht transportieren können. Dieser Gedankengang hat bei mir relativ lange gedauert, da man nicht sieht, wie Franklin die Leiche transportiert. Man sieht lediglich kurz, wie er den Kofferraum mit einer Decke präpariert, um beim Transport des Toten keine Spuren zu hinterlassen. Zudem sieht man, dass er vor dem Anruf bei der Polizei, bei dem er die Leiche meldet, den Kofferraum öffnet. Auch, dass Franklin kurz nachdem er angeblich die Leiche gefunden hat, seine Post hereinbringt, ist ein kleines Indiz, da nicht viele Leute in dieser Situation daran denken würden. Der Schlussbeweis ist tricky. Columbo findet beim Opfer einen Zettel, auf dem der Mordplan anscheinend sehr detailliert aufgeführt ist. Leider erfährt der Zuschauer nicht den gesamten Inhalt auf dem Zettel, da Franklin auf Nachfrage Columbos, ob er weiterlesen soll, abwinkt und den Mord gesteht. Ich gehe aber davon aus, dass sich auf dem Zettel weitere belastende Beweise gegen Franklin befunden haben, da er ansonsten sicher kein Geständnis abgelegt hätte. Hinzu kommt, dass den Mordplan nur zwei Personen gekannt haben: Jim Ferris und Ken Franklin. Die Idee stammte von Franklin und Ferris schrieb sie auf. Dies tat er aber ohne Wissen seines Partners. Ansonsten hätte dieser den Zettel sicher vernichtet. Umso überraschter ist der Mörder im Finale, als Columbo ihm plötzlich seinen Mordplan vorliest.
Dass dem Zuschauer einige Sachverhalte erst mehrere Minuten später erklärt werden, andere erst nach mehrmaligem Ansehen nachzuvollziehen sind und über manche der Zuschauer komplett im Dunkeln gelassen wird, scheint von den Autoren gewollt zu sein. Schließlich hätte man - auch bei nur 70 Minuten Laufzeit - alle Sachverhalte erklären können, da man ohne Probleme einige Szenen hätten kürzen können, wie z. B. die lange Nebenstory mit La Sanca. Man entschied sich jedoch dagegen, um das Tempo sehr niedrig zu halten und somit die überragende Atmosphäre hervorzuheben. Durch das langsame Tempo wird auch viel Spannung erzeugt. Beispielsweise weiß der Zuschauer zwar früh, dass Franklin Mr. Ferris umbringen wird. Über den Zeitpunkt und den genauen Tathergang wird er aber lange im Dunkeln gelassen. Besonders positiv hervorzuheben ist die Musik, die diese Spannung verstärkt. Dieses Schema, den Zuschauer (zunächst) im Unklaren zu lassen, zieht sich über die gesamte Episode. Das ist sehr konsequent und diese Konsequenz gefällt mir. Schon zu Beginn deponiert Franklin sein Feuerzeug in Ferris Büro. Dies ergibt für den Zuschauer erst später einen Sinn. Auch auf das Motiv wird zu Beginn nur schwammig eingegangen. Während diese Sachverhalte später aufgeklärt werden, gibt es im weiteren Verlauf der Episode Lücken. Beispielsweise wird nicht eindeutig geklärt, welche Anrufe nachgewiesen werden können. Auch in dem schwachen Indiz, mit welchem Verkehrsmittel Franklin zu Mrs. Ferris gelangt ist, habe ich erst nach mehrmaligem Anschauen überhaupt einen Sinn gesehen (siehe oben). Dazu wird mir auf den zweiten Mord viel zu wenig eingegangen. Erst beim x-ten Anschauen erkenne ich für mich einen Sinn in La Sankas Ermordung (dazu gleich mehr). Dass der Schlussbeweis nicht vollständig gezeigt wird, wiegt natürlich am schwersten.
Wie bereits kurz erwähnt, ergibt mittlerweile für mich sogar die Nebenstory mit Mrs. La Sanka einen Sinn. Zwar ist sie einerseits sehr lang und auf dem ersten Blick für unseren Mordfall irrelevant. Dazu wird er noch nicht einmal aufgeklärt, da die Episode abreißt, als Franklin wegen dem Mord an Ferris überführt wird. Andererseits finde ich es herrlich anzusehen, wie dort zwei völlig verschiedene Welten aufeinandertreffen. Daher sind die Szenen mit Franklin und La Sanka auch beim wiederholten Mal nett anzusehen. Auf der einen Seite der erfolgreiche "Autor" und auf der anderen Seite die kleine Ladenbesitzerin, der es sichtlich unangenehm ist, ihr Idol zu erpressen, um sich den einen oder anderen Traum erfüllen zu können. Auch deshalb ist ihre Forderung - 15.000 $ - sehr, sehr bescheiden. Franklin sagt ja selber, dass er diese Summe an einem Abend am Spieltisch verliert. Zudem habe ich mir die Episode vorhin ohne den zweiten Mord vorgestellt. Da würde der als Autor untaugliche Franklin als Mörder überführt werden und am Ende erfährt der Zuschauer, dass dieser brillante Mordplan von ihm stammt. Wäre das nicht unglaubwürdig? So betrachtet ergibt der zweite Mord für mich sehr wohl einen Sinn. Man zeigt so, dass Franklins genialer Mordplan tatsächlich nur ein "Ausrutscher" war. Um dies zu unterstreichen, gibt Franklin im Finale selber zu, dass der Plan zu Ferris Ermordung die einzig gute Idee war, die er je hatte. Ob man dem zweiten Mord dann so viel Zeit einräumen muss, ist natürlich eine andere Frage, aber, wie oben schon beschrieben, gefallen mir die Szenen der beiden sehr gut.
Abschließend möchte ich sagen, dass es kaum eine Episode gibt, mit der ich mich so intensiv beschäftigt habe. Sie enthält viele Details, die mir erst nach und nach aufgefallen sind. Ich kann durchaus verstehen, dass die Produzenten damals entschieden haben, diese Episode vor "Mord mit der linken Hand" auszustrahlen, obwohl sie erst danach gedreht wurde, auch wenn ich selber "Mord mit der linken Hand" nach wie vor mit 4/5 Punkten bewerte und "Tödliche Trennung" "nur" mit 3/5 Punkten bewertet habe.
Bei den 3/5 Punkten bleibe ich.