Der alte Mann und der Tod
Als Columbo da ganz am Schluss im Ruderboot sitzt, mit geschulten Armbewegungen in See sticht und ihm Sergeant Mac (großartig und gutaussehend:Dennis Dugan) vom Ufer zurufend die Frage stellt:"Wohin geht die Reise?", dann möchte ich dem Inspector als Zuschauer hinterherrufen und fast darum betteln:"Verweile doch. Es ist so schön!"
Aber mit dieser Szene, die fraglos eine grandiose Reminiszenz an Charles Bronsons finalen Ausritt aus der Szenerie in "Spiel mir das Lied vom Tod" darstellt, endet dann doch eine Folge, die meiner Meinung nach das Sahnestück aller 69 Folgen ist.
Schon Columbos erster Auftritt ist ein Paradebeispiel für glänzend inszenierte spartanische Sprachkultur.
Die Tür öffnet sich und Columbo spielt unverblümt mit offenen Karten:"Mein Name ist Inspector Columbo. Sind sie Mrs.Clay?"
Und auch die Alkoholikerin(sowohl lallend als auch torkelnd beeindruckend:Diane Baker) nutzt einen ihrer seltenen deliriumfreien Momente und begeistert mit verblüffender Präzision:"Ja, ich bin Mrs.Clay.Joanna Clay."
Unaufgefordert mischt sich nun auch der Gatte in das noch jungfräuliche Gespräch ein:"Ich bin Charles Clay. Was gibt's?"
Aber Columbo lässt sich von dieser tückischen Zusatzfrage nicht beirren und schmückt seine anfängliche Vorstellung noch etwas aus:"Ich bin Inspector Columbo vom Los Angeles Police Department."
Der Altmeister des Humors Loriot (unerreicht mit dem Kosakenzipfel:Vicco von Bülow) hätte hier sicher treffend bemerkt: Das ist fein beobachtet.
Hier wird wirklich Kommunikation auf die notwendige Essenz verkürzt:
Keine albernen Nebenhandlungen wie runtergefallene Kugelschreiber oder Zigarrenstumpen...keine überflüssigen Haushälterinnnen oder Butler, die den Inspector sprachlich belästigen und die Produktionskosten unnötig belasten.
Nein, in dieser Folge ist wirklich alles grandios auf den Punkt gebracht.
Einer der vielen Höhepunkte ist sicher auch Columbos Begegnung mit Lisa (zum Niederknien:Susan Foster), der Braut des Commodore (stark:John Dehner).
Eine liebreizende Person, offenbar Anhängerin der Kommune 1...schüchtern und koksmäßig selten nüchtern.
Und die Meditationsszene mit Columbo an Deck des Schiffes ist ein grandioser Schachzug, noch mehr Ruhe in eine ohnehin schon glänzend entspannungsfreudige Folge zu transportieren.
Auch die entspannte Geruhsamkeit von Charles Clay (sensationell:Robert Vaughn), die für mich ihren Höhepunkt erreicht, als er plötzlich tot auf dem Fußboden liegt, ist in ihrer tragischen Entwicklung großartig in Szene gesetzt.
Ich finde hier wirklich kein Haar in der Suppe.
Ich habe natürlich mit Schrecken diese größtenteils furchtbaren Verrisse hier im Forum gelesen.
Da wird ja allenfalls mal der Humor gewürdigt (die Autoquetsch-und Couchszenen sind aber auch echt zum brüllen ).
Warum diese Folge aber insgesamt so schlecht bewertet wird hat für mich folgenden Hauptgrund:
Ihr habt die Folge einfach nicht begriffen!
Ihr wollt immer den Mörder gleich zu Beginn auf dem Präsentierteller serviert bekommen, damit man anschließend schön das Hirn abschalten kann.
Boah, der Santini ist es...super...ich bin schon befriedigt...geil!
Aber in diesem Seemannsdrama hier muss man auch mal mitdenken. Da muss auch mal der Grips auf leichter Flamme köcheln.
"Who is it?" bedeutet für mich nicht automatisch "Nix is it."
Wenn man allerdings schon voreingenommen gegenüber einer Abweichung des üblichen Columbo-Schemas an die Sache rangeht wird man sicher auch nicht die vorhandene Genialität der Überführung erkennen.
Denn was ist im Finale die Ausgangslage?
Columbo hat hier in wunderbarer Vorahnung auf das Format "Wer wird Millionär?" (herrlich:Günther Jauch) vier Antwortmöglichkeiten, als er den Verdächtigen die Uhr des Commodore (wiederholt stark:John Dehner) ans Ohr hält:
a)Daddys Uhr
b)Bin begeistert
c)Na und?
d)Nicht zu glauben
Die letzte Antwort kommt von Swanny (von brillanter Zurückhaltung:Fred Draper).
Ein wenig begabter Drehbuchautor hätte Swanny hier vielleicht sagen lassen:"Pack das tickende Teil von meiner Muschel weg. Ich hab ohnehin schon Tinnitus."
Aber durch dieses leicht und zunächst unverdächtig dahingestreute "Nicht zu glauben" wird auch hier wieder phänomenale sprachliche Diät geübt, wodurch der Mörder überführt wird.
Columbo entscheidet sich dann auch folgerichtig für Antwort d) und gewinnt ein Ruderboot, mit dem er seine Frau im Yachthafen besuchen kann.
Besser geht's nicht!
Das ist sprachlich und inhaltlich einwandfrei!.
Fazit:
Grandiose Schauspieler...einfühlsame Atmosphäre...kniffliger Kriminalfall...Emotionen pur.
Das ist nicht irgendeine Columbo-Folge...Das ist die Columbo-Folge!
5 Punkte mit Sternchen...
...und was es hier von mir äußerst selten gibt...aber hier ist echt die 16er-Gruppe fällig: