von sagittarius » Do, 24.06.2010 09:40
Es ist ein grandioses Szenario: Mrs. Columbo ist tot. Inspektor Columbo trauert um seine Frau, über die er in nahezu jeder Episode erzählt, was sie so tut. Es regnet in Strömen, inmitten einer Gruppe von Trauergästen hält ein Pfarrer eine Trauerrede. Am Ende des Films lernen wir endlich Columbos Wohnung kennen und sehen ein Bild von seiner Frau.
Wirklich? Tatsächlich ist die "Beerdigung" von Mrs. Columbo eine groß angelegte Inszenierung für das Publikum und für Mrs. Dimitri, die heimlich Triumph empfindet, weil sie glaubt, Mrs. Columbo auf dem Gewissen zu haben. In dieser Episode wird der Mrs. Columbo-Kult auf die Spitze getrieben.
Mrs. Dimitri will Rache an den Personen nehmen, die sie für den Tod ihres Ehemannes, der im Gefängnis starb, verantwortlich macht. Es ist ihr Arbeitgeber, den sie erschießt, und es ist Columbo, mir dem sie später abrechnen will. In dieser Episode geht es nicht nur um das Sammeln von Indizien, es geht auch um Vergangenheit und Gegenwart und um Columbo persönlich.
Zunächst ersinnt Mrs. Dimitri eine interessante Alibikonstruktion: Sie hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann, leugnet zunächst und gibt es dann doch zu, nachdem Columbo Ungereimtheiten nachweist. So erhöht sich aber ihre Glaubwürdigkeit, denn niemand berichtet gern über eine Affäre, sondern nur gezwungenermaßen.
Aber eine Sportwette und ein Wachdienst machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Zwar hat sie ihren Liebhaber kurz verlassen, um an einem Geldautomaten mit der Karte des Opfers und der ihr bekannten Geheimnummer 200 Dollar abzuheben, um so einen späteren Todeszeitpunkt vorzutäuschen. Doch sie weiß nicht, dass das Opfer 1400 Dollar bei sich trägt, der Gewinn einer Sportwette. Es macht für das Opfer daher keinen Sinn, abends um 21:45 Uhr noch 200 Dollar von einem Geldautomaten abzuheben. Columbo folgert: Der Mörder will ein Alibi vortäuschen, der Mord geschah früher, Mrs. Dimitri ist verdächtig.
Ein Wachdienst stellt fest, dass um 22:00 Uhr und um 2:00 Uhr in den Büroräumen kein Licht brannte, dafür brannte das Licht aber morgens. Mrs. Dimitri kehrte nach 2:00 Uhr zurück, um dem Toten Geld und Kreditkarte zurückzugeben. Das Licht ließ sie eingeschaltet, weil ein potenzieller Mörder das wohl auch getan hätte. Aber Mrs. Dimitri und ihr Liebhaber sagen beide aus, dass das Schäferstündchen um 2:00 Uhr zu Ende war. Warum sollte der Mörder am Abend das Licht ausschalten und in der Nacht zurückkehren, um das Licht wieder einzuschalten? Mrs. Dimitri hätte die Büroräume besser im Dunkeln verlassen sollen. Für Columbo sind die Zusammenhänge um den Mord an Mr. Chambers schon recht bald klar, aber er kann es nicht beweisen.
Mrs. Dimitri spielt mit Columbo, aber Columbo spielt noch mehr mit Mrs. Dimitri.
Als Ablenkungsmanöver lässt Columbo in einer Neubausiedlung nach Spuren suchen. Dort hatte Mrs. Dimitri die Mordwaffe hingeworfen, um die Bewohner, die sich von Chambers geprellt fühlen, zu belasten. Columbo erzählt Mrs. Dimitri, dass er seine Frau liebt, mit ihr fast 30 Jahre verheiratet ist und sie gerne Marmelade isst. Das bringt Mrs. Dimitri auf die Idee. Die vergiftete Marmelade, die Columbo sogleich untersuchen lässt, beweist einen Mordversuch an Columbos Frau, aber nicht den Mord an Chambers.
Um mehr über die psychische Verfassung von Mrs. Dimitri zu erfahren, besucht Columbo Dr. Steadman, bei dem Mrs. Dimitri in Behandlung war. Columbo erfährt, dass Mrs. Dimitri nach dem Motto handelt: Du hast mir meinen Mann genommen, dafür nehme ich dir deine Frau. Dr. Steadman sagt, dass Mrs. Dimitri ihrem Opfer vor seinem Tod die Wahrheit sagen würde, weil nur so ihre Rache komplett ist. Das Opfer soll wissen, warum es sterben soll und wer verantwortlich ist. Das bringt Columbo auf die Idee mit der Beerdigung. Er weiß, wie er Mrs. Dimitri zu einem Geständnis bringt und startet die wohl aufwendigste Überführung.
Dieser Columbo ist atmosphärisch dicht, Mrs. Dimitri überzeugt als psychisch kranke Mörderin, das Erzählen in Rückblenden gibt dem Film eine besondere Spannung, die Musik passt zur persönlichen Situation der Mörderin. Es fehlt der Humor, der aber nach dem Einstieg kaum zu erwarten ist. Am Schluss ist nichts so, wie es am Anfang scheint.
Ich möchte noch weitere Punkte ansprechen, die mir aufgefallen sind.
Warum stehen die Sekretärin und der Liebhaber von Mrs. Dimitri am Grab? Sie kannten Mrs. Columbo gar nicht. Sie dienen aber als Erzähler, da Mrs. Dimitri nicht überall dabei war. Das heißt, sie wurden von Regisseur eingeladen.
Missfallen hat mir die Übergabe der Marmelade so nebenbei auf dem Neubaugebiet. Hier hätte die Regie bessere Umstände wählen sollen. Aber genützt hätte es der Mrs. Dimitri ohnehin nicht, Columbo hatte sie schon durchschaut.
Dr. Steadman hat einen seltsamen Auftritt. Er betätigt sich als Lukullus, will nichts sagen, sagt doch wenigstens etwas und letztlich alles, was Columbo wissen muss.
Das Ablegen der Mordwaffe auf dem Neubaugebiet und das Verschwindenlassen von Akten, um geprellte Bewohner zu belasten, ist plump. Columbo, der bewusst auf diese falsche Spur anspricht, müsste sich bei Mr. Connelly entschuldigen.
Columbo hat wieder einen Sergeant als ständigen Begleiter. Er dient aber nur als Zuträger, kauft Zeitungen, muss sich von Columbo belehren lassen und stellt so Columbos Fähigkeiten in den Vordergrund. Eine recht unglückliche Rolle. In Columbos Fußspuren wird er kaum treten können.
Es gibt einen Übersetzungsfehler: Bei ihrer ersten Begegnung mit Columbo sagt Mrs. Dimitri, sie hätte mit Mr. Chambers um 20:30 Uhr eine Besprechung gehabt. Tatsächlich war diese eine Stunde vorher.
Wieso schmeckt Columbo das Chili nicht? Er ist doch kein Gourmet. Oder hat das was mit dem Fall zu tun?
Am Schluss sind wir, was Mrs. Columbo angeht, so schlau wie zuvor. Ihr Geheimnis bleibt gewahrt.
Für mich ist dieser Columbo überragend. Ich gebe 5 Punkte.
"So was wie den perfekten Mord gibt es nicht. Das ist nur eine Illusion."