von smeagol » Do, 20.09.2018 15:39
Ja, die Yawl mit dem Besanmast, wo das Klüver dran hängt.. ganz schön tief, das Ding, nicht wahr? Und da kommt dann vorne die Selbststeuerfahne ran. Also, so etwas Seemannsgarn kann man in dieser Folge ja schon auflesen, und das ist doch immerhin schon was, auch wenn man möglicherweise am schluss etwas ratlos zurückbleibt.
Nun, zu der Folge haben wir ja die Elemente: Sinnlose Gesprächsfetzen, und zwar nicht einer, zwei oder ein paar, sondern fast durchgehend. Nach etwa dem sechsten mal langt man sich an den Kopf.. was ist hier nur los? Die Folge ist zweigeteilt. Erst geht Columbo dem vermeintlichen Täter hinterher und ist sich auch recht sicher in seiner Annahme. Nachdem dieser auch getötet wurde, muss aus einer Menge von möglichen Tätern der richtige herausgefunden werden. Es fallen mir insbesondere zwei besondere Sachen auf: Erstens, die Tat wird dieses mal nicht gezeigt, also auch nicht der Täter. Und zweitens, Die Verhaftung wird nicht gezeigt. Das alles ist doch sehr untypisch für eine Columbo Folge.
Ich habe dann gedacht, dass die Produzenten da sicher mal was Anderes versucht haben, vom bekannten Columbo abweichen. Und weiter habe ich gedacht, dass das Experiment ev. schon nicht als geglückt zu sehen ist, aber dass das doch Profis sind, die nicht einfach einen Schwachsinn produzieren. Ich habe mir dann versucht etwas unter dem Ganzen vorzustellen.
Nehmen wir den ersten Teil. die Tat sehen wir nicht und auch nicht den Täter. Nur den Charles Clay sehen wir, wie er den Tatort aufräumt und die Leiche wegschafft. Eine Finte, denn Clay ist eben nicht der Täter. Man hängt nun als Zuschauer selbst eine halbe Ewigkeit an der Idee.. und ärgert sich, weil Columbos Ermittlungen so harzig sind. Und die Dialoge .. nun lassen wir das. Dieser lange erste Teil, der ist ja tatsächlich hinziehend. Ich glaube, man wollte da ein anderes Stilmittel einbringen. Spannung kann ja erzeugt werden, indem ein Handlungsstrang abgespielt wird, mit Wendungen etc. Das ist die meistens verwendete Form und wird auch bei Columbo in allen anderen Folgen verwendet. Spannung kann aber auch eingestellt werden, wenn sich die Stimmung und Handlung über die Zeit entwickelt. Dabei ist dann kein grosser Handlungsstrang mehr erforderlich. Ich könnte mir vorstellen, dass man genau das hier versucht hat. Freilich mit eher nicht so grossem Erfolg, einerseits kann die Geschichte einfach nicht wachsen und was schlimmer ist, das funktioniert natürlich nicht wirklich, wenn man mittendrin plötzlich alles kippt. Von da her ist eigentlich mein Tipp: Anfangsphase anschauen und dann so bis zum zweiten Mord vorgehen, man verpasst kaum was.
Der zweite Teil ist nun anders und wieder atypisch für Columbo. Wir haben nicht mehr einen klaren Täter sondern es geht darum, aus der Sippe den Täter zu finden. Und vor Allem das Ganze zu entwirren. Das macht nun tatsächlich den Eindruck einer Agathe Christie Story. Aber ich gehe noch einen Schritt weiter. Es gibt einen entscheidenden Satz von Anwalt Kittering: "Was sie doch sagen möchten, Columbo, ist, dass hier jeder der Täter ist". Und Columbo: "Ja richtig, das meine ich". Das ist es, es geht nicht nur um eine Christie Geschichte, es geht hier doch explizit um das "Mord im Orientexpress" Motiv. Columbo versammelt die gesamte Sippe wie Poirot alle Verdächtigen im Zug und erläutert ellenlang die verschiedenen Punkte. Und nun wichtig: Dass alle hier Mitverantwortliche sind, das ist Columbos Ermittlung und Schlussfolgerung. Columbo macht dann seine Aufgabe fertig. Die Uhr des Commodore wird geflickt an die Ohren der Personen gehalten und Columbo orakelt dann den Täter an deren Reaktion. Das ist natürlich Mumpitz aus solchen Aussagen so was zu schliessen. Übrigens glaube ich sogar, dass da in der deutschen Fassung ein klarer Fehler drin ist: Wayne sagt meiner Meinung nach deutlich: "So laut?". Erst in der Nachbesprechung sagt er: "ich glaube ich sagte: na und?". Wenn er "So laut?" antwortet, so wäre er doch nach Columbos Auffassung genauso der Täter, da er erstaunt ist, dass die Uhr wieder tickt. Offenbar hatte da selbst die Crew nicht mehr die Übersicht..
Um zu der Orientexpress Thematik zurückzukehren: Für Columbo sind alle, ausser natürlich Lisa, Mittäter. Genauso wie Poirot, hat auch er nebst seiner stimmigen, auch eine zweite Auflösung parat, nämlich mit Swanny. Und genau wie Poirot macht sich auch Columbo nicht die Arbeit, darüber zu entscheiden, was davon nun richtig ist. Das überlässt er nämlich seinem Helfer Mac, der Symbolträchtig mit einem eigenen Columbo-Mantel daher kommt während Columbo im Ruderboot entflieht. Und darum sehen wir hier auch keine Verhaftung.
Ich denke, diese Folge ist nicht nur anders aufgebaut, diese Folge muss man als Zuschauer auch anders betrachten, damit sie Spass machen kann. Meine Beurteilung kommt auch zweigeteilt: Der erste Teil ist für mich ein Experiment, das leider nicht wirklich geglückt ist und würde ich mit knapp zwei Punkten bewerten. Den zweiten Teil finde ich unter diesem Aspekt durchaus interessant. Auch gefallen mir da die Interaktionen und Darstellung der Personen viel besser, was ich mit 4 Punkten bewerten würde. Zusammengefügt gebe ich daher drei Punkte, welche ich durchaus verdient finde.