Am Mittwoch habe ich mir auch den Bochumer Steppenwolf angesehen. Ich ging mit geringen Erwartungen in das Stück und wurde positiv überrascht. Es war für mich als Laie das erste richtige Theatererlebnis. Nach den sehr rationalen Stücken "Frau Müller muss weg", "Terror" und "Die 12 Geschworenen" hatte ich es hier zum ersten Mal mit einem Stück zu tun, wo so richtig was auf der Bühne passierte.
Aber von Anfang an: Die erste halbe Stunde lies nichts Gutes befürchten. Das fing mit einer absurden Ouvertüre an, die mit dem Publikum angestimmt wurde. Mir erschloss sich der Sinn von "Bäh", "Buh", "aaaaa" und dem Klackern mit der Zunge jedenfalls nicht. Ich habe mich dem dann auch verweigert. Der Vortrag des Traktats war in der Tat albern und gar nicht mein Fall. Dazu die zahlreichen Stolperer der Schauspieler auf der Bühne, wo ich auch nicht wusste, was das sollte.
Nachdem die künstliche Verkleinerung der Bühne durch die hölzerne Hauswand fiel, wurde das Stück deutlich besser. Es passierte an allen Ecken und Enden der Bühne etwas, die Inszenierung gefiel mir sehr gut. Vor allem die Gruppensexszene von Harry, Hermine, Maria und Pablo wurde mit viel Sinnlichkeit und Leidenschaft umgesetzt: Im Vordergrund die Protagonisten, die Kamerafahrt von Harry über den Körper von Maria, die auf die Bühne projiziert wurde, rechts die Livemusik von Eboman und im Hintergrund der Tanz auf dem Maskenball. Toll. Man wusste gar nicht, wo man hinschauen sollte.
Die Dialoge zwischen Harry und Hermine waren in der Tat sehr natürlich und blieben eng am Original. Ich fand es interessant, dass man selbst bei diesen Szenen noch Dynamik auf die Bühne bringen konnte: Mal stand man in der Tür, mal saß man im Fenster, mal auf dem Boden. Sehr schön. Dazu tauchten durch die geschickte Ausleuchtung immer wieder interessante Details im Hintergrund an den Fenstern auf.
Roland Riebeling spielte den Harry trotz seines jungen Alters für mich überzeugend. Seine Mimik und Gestik passen. Und die Sprachfärbung fand ich sehr passend zum Charakter. Irgendwie so fatalistisch mit Weltschmerz. Ein Highlight war auch Harrys unbeholfener erster Tanz, während Hermine elegant das Tanzbein schwingt. Herrlich.
Das optische Highlight war sicherlich das magische Theater. Das sind Bilder, die noch etwas im Kopf bleiben: Harry Wanderung durch die Landschaft, wo er seine Jugendlieben noch mal trifft. Die Schachfiguren, in die sich Harry aufteilt, waren fantastisch. Oder der Biss des Wolfes. Dazu immer wieder die fliegenden Spiegel. Wie Harry mit Gustav die Autos kaputtschießt hätte ich auch gerne noch gesehen. Schade, das war beim Hörbuch eine Szene, wo die Bilder im Kopf explodierten. Hätte ich gerne noch auf der Bühne gesehen.