von WalterJörgLangbein » Fr, 24.10.2008 15:29
Der Mörder und das Mädchen
Kurzkrimi von Walter-Jörg Langbein
Copyright beim Verfasser
Ganze zwei Stunden, nachdem Jefferson aus dem Gefängnis ausgebrochen war, überfiel er eine Bank. Dabei machte er seinem Spitznamen „Mad Max“ alle Ehre. Als sich einer der Bankkunden nicht sofort zu Boden warf, wie er es befohlen hatte, schoss „Mad Max“ sofort.
„Und jetzt alle Scheine in den Koffer!“ fauchte Jefferson und fixierte dabei die attraktive Bankangestellte mit kalten grünblauen Augen. „Und wenn ich nur den Hauch einer Polizeisirene höre, mache ich hier alle kalt! “
Wenige Augenblicke später war Jefferson aus der Bank verschwunden- und schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Dabei befand er sich nur ein paar Häuser weiter- im Haus der Millers.
Zuhause waren Oma Augusta und ihre 19-jährige Nichte.
Als im Radio vor Jefferson gewarnt wurde, grinste er zufrieden mit perversem Stolz. Wie ein Schauspieler, der vom gefürchteten Kritiker in höchsten Tönen gelobt wird.
„Jefferson, der bei seinem Ausbruch aus dem örtlichen Gefängnis einen Wachbeamten getötet und zwei schwer verletzt hatte, wurde inzwischen von mehreren Zeugen als der Bankräuber identifiziert. Bei dem Überfall wurde ein Kunde schwer verletzt. Er wird im Augenblick im Krankenhaus operiert. Jefferson, genannt Mad Max, hält sich noch im Stadtbezirk auf. Die Polizei warnt: Unternehmen Sie nichts gegen den Mann. Sobald Sie ihn sehen- rufen Sie die Polizei, der Mann ist extrem gefährlich, macht von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch!“
„Das ist ja entsetzlich....“ seufzte Oma Augusta. „Einfach entsetzlich!“ Jefferson grinste als habe er ein Kompliment entgegengenommen. „Und jetzt will ich was zu essen! Bohnen mit Speck, schön scharf gebraten. Und dazu was zu trinken!“
Oma Augusta wandte sich der Küche zu. „Wohin so eilig?“ zischte Jefferson und richtete seine schwere Waffe auf Nichte Sandra. Oma Augusta kreischte auf. „Um Gottes willen, dem armen Kind darf nichts passieren!“
Jefferson lachte. „Gibt’s endlich was zu essen?“ - “Sie lassen mich ja nicht in die Küche...“, gab Oma Augusta zurück, wobei sie allen Mut, den sie aufbringen konnte zusammennahm und in ihre Stimme legte. Jefferson dachte kurz nach. „Dann gehen wir eben alle in die Küche!“ Jefferson kniff Sandra derb in den Oberschenkel. „Die Kleine kocht!“ befahl er dann. „Bohnen mit Speck! Dazu will ich was zu trinken!“
Sandra schaute immer wieder auf die Küchenuhr. Unbarmherzig rückte der schwarze Zeiger weiter vor. In zehn Minuten würde ihr kleiner Bruder Mike von der Schule kommen.
„Mach’ mir auch ein paar Eier zu den Bohnen!“ befahl Jefferson. Sandra stellte die Pfanne auf den Gasherd. Schon zischte die goldgelbe Butter, schmolz schnell dahin.
Plötzlich hatte Sandra eine Idee.
Ob der Plan klappen würde? Alles hing von Oma Augusta ab. Ob sie kapieren würde? Sandra wollte es versuchen. Sie hustete, atmete schwer. Schon schlug sie ein erstes Ei am Rand der Pfanne auf- und hustete heftiger.
Das Ei ergoss sich in die Pfanne.
„Was hast du, Kind?“ fragte Oma Augusta besorgt. Sandras Hand zitterte als sie ein zweites Ei aus dem Karton nahm. Es fiel zu Boden.
Sandra atmete noch heftiger. Sie taumelte, hielt sich am Küchenschrank fest. „Oma, ich glaub’, ich hab’ wieder so einen Asthmaanfall!“ - „Asthmaanfall? Kind? Um Gottes willen? Ich muss einen Arzt rufen!“ Jeffersons Stimme ließ Augusta erstarren. „Kein Arzt!“
Sandra riss den Mund auf, keuchte entsetzlich und hustete. Sie ging in die Knie, presste die Arme vor die Brust. „Luft, Luft...,“ presste Sandra hervor. „Das Kind braucht einen Arzt!“ wiederholte Oma Augusta. „Ich telefoniere....“ Sie würde bei der Polizei anrufen und mit dem Beamten so reden, als ob er der Arzt sei, dachte Augusta. Sicher war das Sandras Plan.
Hoffentlich würde sie telefonieren dürfen. Und hoffentlich würde der Beamte kapieren....
Hart bohrte sich der Lauf der kalten Waffe in Augustas Rücken. „Du telefonierst mit niemandem, verstanden!“ Sandra schien jeden Augenblick zu ersticken. „Gibt’s denn hier keine Arznei im Haus?“ schnauzte der Killer. „Schublade...,“ brachte Sandra, jetzt kaum noch verständlich hervor. „Spray!“
„Ich hol’ sie, die Arznei, aus dem Schlafzimmer...“ Oma Augusta verstand. „Du bist in zehn Sekunden wieder da, Oma, oder die Kleine hat keine Sorgen mehr mit dem Atem!“ Jefferson setzte Sandra die schwere Waffe an die Schläfe.
„Ich bin sofort wieder da...“ Mit diesen Worten stürzte Augusta aus dem Zimmer. Wenige Augenblicke später war sie mit dem Spray wieder da.
Jefferson, der Mörder und Oma beugten sich über Sandra. Mit zitternden Händen öffnete Augusta die Verschlusskappe der Spraydose. Dann klingelte es an der Haustür. Sicher war es Mike, Sandras kleiner Bruder.
Dann ging alles sehr schnell. Oma Augusta ließ die Dose zischen und sprühte Jefferson voll ins Gesicht. Der schrie auf. Sandra war aufgesprungen, hatte dem Mörder die Waffe aus der Hand geschlagen....und den gefährlichen Verbrecher mit der schweren Pfanne k.o. zu Boden sinken lassen .
Wenige Minuten später wurde Jefferson, genannt Mad Max, in Handschellen abgeführt. Ein Arzt krümmte sich um seine Augen. „Erst wusste ich ja nicht, was das mit dem ‘Asthma’ soll....“ erzählte Augusta eben einem Zeitungsreporter. „Aber als Sandra ‘Schublade’ , ‘Schlafzimmer’, ‘Spray’ sagte, wusste ich, worum es ging: um die Dose mit dem Reizgas, das Sandra immer bei sich trägt, wenn sie abends von der Tanzschule nach Hause geht.