Hitchcock's "Cocktail für eine Leiche"

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Hitchcock's "Cocktail für eine Leiche"

Beitragvon Columbo-Freak » Di, 02.01.2007 22:14


So, nun habe ich meinen zweiten Hitchcockfilm angeschaut! :wink:

"Cocktail für eine Leiche", die schwache deutsche Übersetzung von Hitchcock's "Rope".

Ich muss hier wohl nun zum zweiten Mal (nach Vertigo) auf einen untypischen Hitchcock-Film gestoßen sein. Denn hier ist das Tempo sogar noch langsamer als bei "Vertigo" und das hast du, martha, ja schon als viel langsamer als das Durchschnittstempo bei Hitchcock eingestuft. Und auch dieser Film ist keine "leichte Kost". Dass alles nur an einem Schauplatz stattfindet, lässt den Film stellenweise fast schon langweilig wirken und auch die Handlung kommt teilweise nur im Schneckentempo heran. Aber diese Sparsamkeit hat auch etwas Interessantes, Aufreizendes! Und die Tatsache, dass der Eindruck einer einzigen (!) Kamerafahrt in Echtzeit entsteht, ist einfach toll. 10 Minuten lang wurde am Stück gedreht, man kann sich die aufwändigen Proben vorstellen.
Die vielen Anspielungen (Philipps "Pianistenhände"), der makabere Humor (Essen auf dem Sarg) und das Spiel zwischen Rupert und den beiden Mördern ist aber einfach nur faszinierend. Schritt für Schritt wird der scheinbar perfekte Mordplan enttarnt: Er ist ganz und gar nicht perfekt, sondern eher stümperhaft. Und der achso coole Brandon verliert auch immer mehr die Nerven.

Wenn ich bewerten müsste, würde ich zwischen 3 und 4 Punkten schwanken, angesichts des Produktionsjahres (1948!) müssen aber mindestens 4 Punkte vergeben würden, denn für die damalige Zeit war so ein Film wohl etwas ganz Besonderes und das ist er auch heute noch. Denn ein verfilmtes Theaterstück an einem Ort und in Echtzeit sieht man nicht alle Tage!

Nun bin ich natürlich sehr auf die Meinung unseres Hitchcock-Kenners "martha" zu diesem Film gespannt. :wink:

Grüße
Columbo-Freak
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Beitragvon martha » Mi, 03.01.2007 19:57


"Columbo-Freak" entwickelt sich ja langsam auch zum "Hitchcock-Freak". :wink:
Ich bin begeistert. :D

Mit "Rope" hast du dir ja wirklich einen absolut unkonventionellen Film ausgesucht. Über die Einzigartigkeit dieser "Realzeit-Verfilmung" hast du ja schon alles Wesentliche erzählt, "Freak".
Dadurch, dass jede Filmrolle nur 10 Minuten lang war, wirken die Übergänge filmtechnisch sicher ziemlich dilettantisch. Die Kamera musste nach jeweils 10 Minuten immer auf die Jacke von einem der Schauspieler schwenken, so dass es in dem Augenblick dunkel war. Und die neue Filmrolle begann dann wieder mit derselben Großaufnahme der Jacke.

Es ist ja interessant, dass Hitchcock selbst diesen Film als "idiotischen Versuch" bezeichnete(vielleicht ja auch nur "understatement" eines Großmeisters).
Dass der Film nur an einem Ort spielt, ist übrigens nicht einzigartig. Es gibt noch einen "Hitchcock", der einzig und allein ein Rettungsboot als Schauplatz hat.
Dass dir diese Art von Filmen nicht so gefällt, weiss ich ja spätestens seit deiner Bewertung zu "Des Teufels Corporal", "Freak". :wink:

Nun zu meiner persönlichen Einschätzung:
Ich liebe diesen Film :!:
Man merkt natürlich deutlich, dass er auf einem Theaterstück basiert: Der Film ist sehr dialoglastig, aber es sind Dialoge auf intellektuell hohem Niveau, und selbst den Mord kann man wohl als intellektuell bezeichnen.
Zwei mordende Studenten sind uns ja auch aus "Luzifer's Schüler" bekannt, doch dort ist das Motiv der Beiden doch sehr eigennützig.
In "Rope" wird nur aus einem Grund gemordet:Die Studenten wollen beweisen, dass der "perfekte Mord" möglich ist.
Dafür suchen sie sich ein Opfer aus, das ihrer Meinung nach unterprivilegiert ist. Besonders der entschlussfreudige Brandon ist ja geradezu "Feuer und Flamme" für die Theorie des "Übermenschen".

Genial finde ich vor allem, dass James Stewart in der Rolle des ehemaligen Lehrers Rupert Cadell sowohl Auslöser :!: für den Mord ist(durch seine an Nietzsche orientierte Übermenschenphilosophie), als auch Aufklärer :!: des Mordes(weil er im allerbesten "Columbo-Stil" ziemlich schnell ahnt, dass bei dieser scheinbar harmlosen Party irgend etwas nicht stimmt).

James Stewart ist in diesem Film erstklassig: Cool bis zum Abwinken, aber gleichzeitig hellhörig wie 'ne Wanze.
Unkonventionell im Gesprächsstil, voller Sarkasmus und Schlagfertigkeit.
Wie er seine Augen spielen lässt, wenn er verdächtige Äusserungen von Brandon und Philip aufschnappt, ist unnachahmlich.
Zwischendurch 'flirtet' er noch mit der nicht mehr ganz taufrischen Haushälterin und 'veräppelt' ganz ungeniert diese cineastisch etwas unterbelichtete Tante("Hat die Schauspielerin nicht in diesem Film mitgespielt? Wie hiess er doch gleich? Ich glaube es war der 'Sowieso von Sowieso'.")
Gerade dieser ständige Wechsel zwischen leicht-ironischem small-talk und stetig steigernder Unruhe wegen des vermissten David, übt auf mich einen unglaublichen Reiz aus.
Und auch die unterschiedlichen Charaktere des Mörderpärchens werden voll ausgereizt: Einerseits der eiskalte, souveräne und scheinbar seelenlose Brandon(wäre sicher auch'n passabler Columbo-Mörder gewesen), und andererseits das klimpernde 'Nervenbündel' Philip, obwohl er es mit seinem offen ausgelebten Angstgefühlen dem 'alten Fuchs' Rupert fast schon ein wenig zu einfach macht.
Im Gegensatz zu Brandon entwickelt sich die Figur von Philip nicht(das hast du ja auch geschrieben, "Freak", dass Brandon nämlich am Ende seine 'Coolness' ziemlich verliert.)
Deshalb ist Philip für mich auch die eindeutig uninteressantere Figur.

Trotz dieser kleinen Kritik: Von mir gibt es 5 Punkte für "Rope", u.a. auch für die Meisterleistung der Schauspieler, jeweils 10 Minuten am Stück ungeschnitten und ohne Fehler zu 'quatschen'. :wink:

Ich mag den Film sehr und werd' ihn mir durch deine Anregung demnächst sicher mal wieder "reinzieh'n". :D
"Könnten Sie mir wenigstens sagen, welcher Name es war?
War es Kensington oder Arlington?"
"Genau gesagt:Keiner von beiden. Es war Washington."
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"Martha."
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Synchronstimmen

Beitragvon Klaus » Di, 23.01.2007 20:32


Hi martha,

vielleicht interessieren dich ja die Synchronsprecher/innen der aktuellen dt. Fassung von 1984:

James Stewart - Rupert Cadell - Siegmar Schneider
John Dall - Brandon Shaw - Helmut Gauss
Farley Granger - Philip Morgan - Hans-Jürgen Dittberner
Sir Cedric Hardwicke - Mr Kentley - Joachim Nottke
Constance Collier - Mrs Atwater - Tilly Lauenstein
Douglas Dick - Kenneth Lawrence - Hubertus Bengsch
Edith Evanson - Mrs Wilson - Gudrun Genest
Joan Chandler - Janet Walker - Anita Lochner

In der 1. Synchronfassung von 1963 wurde Jimmy Stewart ebenfalls von seinem langjährigen Stammsprecher Siegmar Schneider synchronisiert. Und mehr als 20 Jahre später klang seine Stimme praktisch noch genauso wie damals... :D

Gruß
Klaus
Zuletzt geändert von Klaus am Sa, 27.01.2007 10:13, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Invincible1958 » Di, 23.01.2007 23:31


@Columbo-Freak:

'Vertigo' und 'Rope' halt ich für zwei der besten Hitchcock-Filme. Langeweile kommt da bei mir überhaupt nicht auf.

Wenn du was 'mainstreamigeres' willst, dann schau dir 'North By Northwest' (Der unsichtbare Dritte) von 1959 an. Das war sozusagen ein wegweisender Film für die kurz darauf folgenden James Bond-Filme. Oder sieh dir 'Psycho' (1960) an. Aber auch 'The Man Who Knew Too Much' (Der Mann, der zuviel wusste) ist spannende Kost, bei der es nie langweilig wird.

Bei Hitchcock geht es immer um die Charaktere. Wenn man mit den Hauptdarstellern von Anfang an keine emotionale Verbindung aufbaut, dann bringen die Filme auch nichts. Aber bei Cary Grant in 'North By Northwest' dürfte das nicht schwierig sein, mit ihm das Abenteuer zu bestehen.
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Beitragvon martha » Mi, 24.01.2007 01:08


@Klaus:

Danke für deine Mühe!

Synchronmäßig sind mir bei Hitchcock bisher eigentlich erst zwei Unterschiede aufgefallen:

:arrow: Bei "Vertigo" wird James Stewart auf der DVD wohl von jemand anderem synchronisiert.
Ich hab' den Film auch auf VHS und da hört man die Stimme, die ich immer mit James Stewart in Verbindung bringe(ich schätze mal, das ist der von dir erwähnte Siegmar Schneider.)
Die Filme "Cocktail für eine Leiche", "Das Fenster zum Hof" und "Der Mann, der zuviel wusste" kenne ich nur mit dieser Stimme.
"Vertigo" bildet da wohl eine Ausnahme.

:arrow: Ich weiss nicht, ob du etwas über den Film "Berüchtigt"("Notorious") sagen kannst.
Ich hatte vor 3 oder 4 Jahren den Streifen mal auf "arte" aufgenommen, und da sind die Stimmen von Cary Grant, Ingrid Bergman und anderen anders als in der DVD-Fassung.
Ich meine mich erinnern zu können, dass die Folge aus politischen Gründen(Nazi-Spionage) noch einmal komplett neu synchronisiert wurde.
Ich muss da demnächst noch mal reinschauen, weil da wohl auch inhaltliche Unterschiede festzustellen sind.
Vielleicht kennst du dich da besser aus. :?:

Nebenbei:
Die authentischsten Synchronstimmen finden sich sicher in "Der zerrissene Vorhang", wo sich Hansjörg Felmy, Wolfgang Kieling und Günter Strack selbst synchronisieren dürfen. :wink:
"Könnten Sie mir wenigstens sagen, welcher Name es war?
War es Kensington oder Arlington?"
"Genau gesagt:Keiner von beiden. Es war Washington."
"Hatten Sie bei dem auch einen Vornamen?"
"Martha."
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Verschiedene Synchronfassungen

Beitragvon Klaus » Fr, 26.01.2007 13:23


Du wirst es kaum glauben martha, aber von "Vertigo" gibt es sogar drei :!: :!: :!: verschiedene dt. Synchronfassungen:

1. Synchro von 1958 für Kinopremiere, Sprecher Siegmar Schneider
2. Synchro von 1984 für TV und VHS-Fassung, Sprecher Siegmar Schneider
3. Synchro von 1997 für eine restaurierte Fassung, welche (leider) für die DVD verwendet wurde, Sprecher Sigmar Solbach (tatsächlich auch ein Sigmar, aber ohne "e"). Er sprach u. a. Tom Skerritt als Captain Dallas in dem SF-Klassiker "Alien" (Kinofassung und DC) und spielte in einer RTL-Serie Dr. Stefan Frank - Der Arzt, dem die Frauen vertrauen sowie einigen Traumschiff-Folgen mit.

Von "Das Fenster zum Hof" gibt es die Kinosynchro von 1955 sowie die TV und Video-Synchro von 1984, beide Fassungen mit Siegmar Schneider für James Stewart.

Von "Berüchtigt" gibt es die dialogverfälschende und somit zensierte Synchronfassung von 1951 unter dem Titel "Weisses Gift", die aus den Nazi-Agenten internationale Drogenschmuggler machte. Diese Fassung hast du auf ARTE gesehen und für die DVD wurde die "korrigierte" Synchro der ZDF-Ausstrahlung von 1969 verwendet, wobei mir Ingrid Bergmans Sprecherin Tilly Lauenstein aus der Erstsynchro besser gefallen hat, auch wenn hier die Handlung wegen der Nazi-Problematik so kurz nach dem Krieg verändert wurde.

Viel Erfolg am Samstag gegen Mainz... :wink:

Gruß
Klaus
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