"Columbo-Freak" entwickelt sich ja langsam auch zum "Hitchcock-Freak".
Ich bin begeistert.
Mit "Rope" hast du dir ja wirklich einen absolut unkonventionellen Film ausgesucht. Über die Einzigartigkeit dieser "Realzeit-Verfilmung" hast du ja schon alles Wesentliche erzählt, "Freak".
Dadurch, dass jede Filmrolle nur 10 Minuten lang war, wirken die Übergänge filmtechnisch sicher ziemlich dilettantisch. Die Kamera musste nach jeweils 10 Minuten immer auf die Jacke von einem der Schauspieler schwenken, so dass es in dem Augenblick dunkel war. Und die neue Filmrolle begann dann wieder mit derselben Großaufnahme der Jacke.
Es ist ja interessant, dass Hitchcock selbst diesen Film als "idiotischen Versuch" bezeichnete(vielleicht ja auch nur "understatement" eines Großmeisters).
Dass der Film nur an einem Ort spielt, ist übrigens nicht einzigartig. Es gibt noch einen "Hitchcock", der einzig und allein ein Rettungsboot als Schauplatz hat.
Dass dir diese Art von Filmen nicht so gefällt, weiss ich ja spätestens seit deiner Bewertung zu "Des Teufels Corporal", "Freak".
Nun zu meiner persönlichen Einschätzung:
Ich liebe diesen Film
Man merkt natürlich deutlich, dass er auf einem Theaterstück basiert: Der Film ist sehr dialoglastig, aber es sind Dialoge auf intellektuell hohem Niveau, und selbst den Mord kann man wohl als intellektuell bezeichnen.
Zwei mordende Studenten sind uns ja auch aus "Luzifer's Schüler" bekannt, doch dort ist das Motiv der Beiden doch sehr eigennützig.
In "Rope" wird nur aus einem Grund gemordet:Die Studenten wollen beweisen, dass der "perfekte Mord" möglich ist.
Dafür suchen sie sich ein Opfer aus, das ihrer Meinung nach unterprivilegiert ist. Besonders der entschlussfreudige Brandon ist ja geradezu "Feuer und Flamme" für die Theorie des "Übermenschen".
Genial finde ich vor allem, dass James Stewart in der Rolle des ehemaligen Lehrers Rupert Cadell sowohl Auslöser

für den Mord ist(durch seine an Nietzsche orientierte Übermenschenphilosophie), als auch Aufklärer

des Mordes(weil er im allerbesten "Columbo-Stil" ziemlich schnell ahnt, dass bei dieser scheinbar harmlosen Party irgend etwas nicht stimmt).
James Stewart ist in diesem Film erstklassig: Cool bis zum Abwinken, aber gleichzeitig hellhörig wie 'ne Wanze.
Unkonventionell im Gesprächsstil, voller Sarkasmus und Schlagfertigkeit.
Wie er seine Augen spielen lässt, wenn er verdächtige Äusserungen von Brandon und Philip aufschnappt, ist unnachahmlich.
Zwischendurch 'flirtet' er noch mit der nicht mehr ganz taufrischen Haushälterin und 'veräppelt' ganz ungeniert diese cineastisch etwas unterbelichtete Tante("Hat die Schauspielerin nicht in diesem Film mitgespielt? Wie hiess er doch gleich? Ich glaube es war der 'Sowieso von Sowieso'.")
Gerade dieser ständige Wechsel zwischen leicht-ironischem small-talk und stetig steigernder Unruhe wegen des vermissten David, übt auf mich einen unglaublichen Reiz aus.
Und auch die unterschiedlichen Charaktere des Mörderpärchens werden voll ausgereizt: Einerseits der eiskalte, souveräne und scheinbar seelenlose Brandon(wäre sicher auch'n passabler Columbo-Mörder gewesen), und andererseits das klimpernde 'Nervenbündel' Philip, obwohl er es mit seinem offen ausgelebten Angstgefühlen dem 'alten Fuchs' Rupert fast schon ein wenig zu einfach macht.
Im Gegensatz zu Brandon entwickelt sich die Figur von Philip nicht(das hast du ja auch geschrieben, "Freak", dass Brandon nämlich am Ende seine 'Coolness' ziemlich verliert.)
Deshalb ist Philip für mich auch die eindeutig uninteressantere Figur.
Trotz dieser kleinen Kritik: Von mir gibt es 5 Punkte für "Rope", u.a. auch für die Meisterleistung der Schauspieler, jeweils 10 Minuten am Stück ungeschnitten und ohne Fehler zu 'quatschen'.
Ich mag den Film sehr und werd' ihn mir durch deine Anregung demnächst sicher mal wieder "reinzieh'n".
