Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Interessiert ihr euch auch noch für andere TV-Krimi-Serien? Hier könnt ihr darüber diskutieren.

Moderator: Stefanie.Columbo

Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Doc Brown » Mo, 03.10.2016 10:46


Am Samstag war ich im Apollo-Theater in Siegen und habe mir das Stück "Terror" angesehen. Hierbei handelt es sich um ein Gerichtsstück, auf der Anklagebank sitzt der Kampfpilot der Bundeswehr Lars Koch.

Koch hat eine Lufthansa-Maschine auf dem Weg von Berlin nach München abgeschossen. Das Flugzeug wurde von Terroristen entführt. Diese drohten, die Maschine in die vollbesetzte Allianz-Arena stürzen zu lassen, wo gerade das Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und England stattfand. Bei dem Abschuss der Maschine starben die 164 Menschen an Bord, dadurch hat Koch aber womöglich die 70.000 Zuschauer in der Allianz-Arena gerettet.

In dem Theaterstück wurde die Gerichtsverhandlung um Koch erzählt. Mit Richter, Angeklagtem, Verteidiger, Staatsanwältin, Nebenklägerin und Zeugen.
Koch gibt zu, die Maschine abgeschossen zu haben, plädiert aber dennoch auf Freispruch, weil der Abschuss seiner Meinung nach notwendig war, um die Zuschauer in der Allianz-Arena zu retten.

Das Publikum fungierte dabei als Schöffen und entschied über die Schuld oder Nicht-Schuld des Angeklagten. Am Ende der Verhandlung gab es eine Spielpause. Nach der Pause kehrte das Publikum auf die Plätze zurück und musste dabei entweder eine Schuldig- oder eine Nicht-Schuldig -Tür durchschreiten. Dabei wurde man gezählt und der Richter verkündete entsprechend der Publikumsabstimmung das Urteil.

Nun zum Threadtitel: Das Stück wurde verfilmt und wird am 17.10 in der ARD ausgestrahlt. Auch hier entscheidet der Zuschauer über den Ausgang des Verfahrens und fungiert als Schöffe. Ihr könnte also auch über die Schuld von Lars Koch entscheiden!
Ich würde mich freuen, wenn sich einige finden würden, die sich den Film in der ARD ansehen und hier eine Diskussion über den Fall entsteht. Ich fand das nämlich hochinteressant und gerade für Krimifans ist das sicherlich eine interessante Geschichte. Schuldig oder Freispruch? Wie votiert ihr im Fall Koch?

Näheres zu dem Fernsehfilm gibt es auf der Homepage der ARD: Klick
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon tina_82 » Di, 04.10.2016 13:11


Das klingt überaus interessant, Doc. Ich überlege tatsächlich, ob ich eine Art Geschäftsreise, die für den 17. angedacht war, verlege, um das sehen zu können. Auch wenn ich mich jetzt noch nicht weiter damit beschäftigt habe, denke ich auch, dass man wunderbar darüber diskutieren kann. Zudem könnte ich mir vorstellen, dass vieles an dem Schauspiel des Angeklagten liegt (und an dem Sympathiefaktor des Darstellers).
Ich glaub, ich frag mal ein paar Freundinnen, ob wir das zusammen anschauen sollen. :wink: Also nochmal Danke für diesen Tipp!! (P.S.: Ist dir deine Entscheidung im Theater leicht oder schwer gefallen?)
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Doc Brown » Di, 04.10.2016 21:31


Sympathie spielt da sicherlich eine Rolle - sowohl beim Angeklagten, aber auch beim Verteidiger und bei der Staatsanwältin.

Die Entscheidung im Theater ist mir leicht gefallen. Ich war sehr schnell von meiner Entscheidung überzeugt und das Schlussplädoyer hat mich dann von jedem Zweifel befreit. Es war für mich eine klare Entscheidung.
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Doc Brown » So, 16.10.2016 14:20


Ich möchte nochmal an das Fernsehspiel am Montag erinnern. Bisher weiß ich von dreien, die schauen wollen. Vielleicht findet ja noch der ein oder andere Gefallen daran. :)
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon martha » Mo, 17.10.2016 17:59


Ich hab gesehen, dass das sogar schon in japanischen Theatern gespielt wurde und sich dort das Abstimmungsergebnis doch von dem in Europa unterscheidet.
"Könnten Sie mir wenigstens sagen, welcher Name es war?
War es Kensington oder Arlington?"
"Genau gesagt:Keiner von beiden. Es war Washington."
"Hatten Sie bei dem auch einen Vornamen?"
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Knatterton » Mo, 17.10.2016 18:26


Ich werde es mir nicht angucken.
Mich interessiert allerdings das Abstimmungsergebnis.
Schwierig, schwierig.....
Wer kann das schon wirklich entscheiden?
"Sämtliche Fragen die ich eben noch hatte, sind mir vor Freude glatt entfallen."
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Doc Brown » Mo, 17.10.2016 19:26


Mmh, die Abstimmungsergebnis aus Japan überraschen mich jetzt auch. Dort liegt die Schuldig-Quote bei 100 %. In Europa wurde er deutlich überwiegend freigesprochen. Ob es an der Kultur liegt oder an der Inszenierung ... keine Ahnung. Auf jeden Fall interessante Zahlen.
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon tina_82 » Di, 18.10.2016 10:05


Das Abstimmungsergebnis gestern in der Deutlichkeit hat mich aber auch überrascht. Nicht die Tendenz, aber die Deutlichkeit. Aber es gab ja auch irgendwie technische Probleme bei der Abstimmung. Wer weiß...
Habe mit zwei Freundinnen zusammen geschaut und wir waren uns einig, dass er schuldig ist. Da gibt es bei mir auch wenig Spielraum. (Soweit ich weiß, trage ich kein japanisches Blut in mir. :wink: ) Erklärungen oder Ausführungen dazu gern auf Nachfrage. Aber vielleicht sind wir uns hier ja auch einig!?

War schon interessant, wobei man aber nie vergessen sollte, dass das nur ein Film war! Die Schauspieler fand ich stark. Gute Besetzung.
Doc, wie war es für dich im Vergleich zum Theaterstück?
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon martha » Di, 18.10.2016 21:04


Ich finde diese Freisprüche, die es ja bei fast allen Vorstellungen gab nicht sonderlich überraschend, weil diese Wahl des kleineren Übels ja an sich auch ein menschlicher Urreflex ist. Im Laufe des Lebens muss man ja ständig abwägen, um eine Entscheidung zu treffen: welche Kurse man in der Schule wählt, welche Stellung man annimmt, welche Wohnung, was man einkauft, welche Partei man wählt...
Und wenn man abwägt, ob 170 oder 70.000 Menschen sterben sollen, entscheidet man sich natürlich auch für die kleinere Anzahl von Opfern, weil das halt das sogenannte kleinere Übel ist. Das ist ja an sich eine Entscheidung, die man zwangsläufig fällt, weil man das als gesunde Form des Abwägens kennengelernt hat.
Und auch der Pilot hat halt diese Entscheidung getroffen.
Man kann ihm ja jetzt nicht vorwerfen, dass er ein hinterhältiger Mörder ist, der nur aus Eigennutz gehandelt hat.
Sowohl die Staatsanwältin als auch später der Altliberale Baum führten ja vornehmlich die Würde des Menschen an, die hier verletzt wurde.
Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt des Grundgesetzes, der auch richtigerweise über allem stehen muss.
Nach der Nazidiktatur ging es ja vornehmlich darum, erst mal wieder die Würde als Wert zu empfinden und das ganz klar festzuschreiben.
Das ist unbestritten ein ganz ganz wichtiger Punkt, dessen Einhaltung unbedingt geboten ist.
Nur möchte ich anzweifeln, dass es bei der Entscheidung des Piloten um würdeloses Verhalten ging.
Wenn man außerhalb eines totalitären Regimes abwägt, ob man durch eine Aktion mehr Menschenleben retten kann, dann ist das für mich keine Frage von Erhaltung von Würde.
Wenn die grundlegende überlegung des Piloten positiver Natur ist, dann kann ich ihm keinen Vorwurf machen, dass er gegen die Würde des Menschen verstoßen hat.
Er hat gegen die Anweisung verstoßen, sowohl gegen die seines Vorgesetzten als auch gegen die des Verfassungsgerichtes.
Im Sinne des Gesetzes ist der Pilot schuldig, aber man sollte ihn bitteschön nicht als moralischen Missetäter hinstellen, so wie das die Staatsanwältin getan hat.
Von daher hat mich ihr Plädoyer auch nicht sonderlich überzeugt. Statt bis Kant zurückzugehen (ich hatte schon Angst, sie kommt noch mit dem Alten Testament an)sollte man zumindest auch mal den Ansatz von Verständnis aufbringen. Ist auch 'ne Form von würdevollem Verhalten.
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon Doc Brown » Mi, 19.10.2016 19:38


tina, das Fernsehspiel war sehr ähnlich wie die Vorstellung im Theater. Textlich war das nahezu identisch, auch die Interpretation der Figuren war genauso. Die Schauspieler waren sowohl im Theater als auch im TV gut.
Deine Begründung interessiert mich übrigens.

zum Urteil: Für mich ist der Angeklagte schuldig. So habe ich im Theater entschieden und der Meinung bin ich auch nach wie vor.

Ich fand das Plädoyer der Staatsanwältin sehr überzeugend. In einem Rechtsstaat sind Gesetz und Moral streng voneinander zu trennen. Die Moral darf niemals über dem Gesetz stehen. Der Angeklagte begründete seinen Abschuss damit, dass er es für richtig hielt. Damit stellt er sich über das Gesetz. Was das ganze für mich noch schlimmer macht: Er handelt mit diesem Abschuss als Teil der staatlichen Exekutive. Wenn er sich bei dieser staatlichen Aufgabe nicht an das Gesetz hält, dann ist das für mich eine Form der Anarchie.

Jeder einzelne Bürger hat seiner eigenen Moralvorstellungen. Darüber muss ein Konsens gefunden werden und dieser Konsens ist das Gesetz. Daran muss sich dann jeder halten. Wer dies nicht tut, muss mit den Konsequenzen rechnen und das ist die Strafe vor Gericht. Daher ist der Angeklagte für mich ganz klar schuldig.

Für mich war das Plädoyer eine schöne Aufklärung darüber, wie die Demokratie und ein Staat funktionieren. Ich fand das toll.

Die moralische Frage ist für mich eine ganz andere Baustelle. Hier kann man dann argumentieren, dass der Angeklagte eine Abwägung nach gesundem Menschenverstand getroffen hat und das geringere Übel gewählt hat. Damit ist er sicherlich kein moralischer Missetäter, aber das ändert nichts an seiner Schuld im juristischen Sinne.
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Re: Abstimmung: Schuldig oder Freispruch

Beitragvon tina_82 » Do, 20.10.2016 13:05


Joa, eben. Warum der Pilot schuldig ist, sehe ich wie du, Doc. Da gibt es für mich nichts dran zu rütteln. Wir leben in einem Rechtsstaat und egal, ob man sein Handeln nun nachvollziehen oder nachempfinden kann, hat er sich nach geltender Verfassung schuldig gemacht.
Tommy Brown ist für mich auch ein Mörder oder Paul Galesko oder wer auch immer noch schreckliche Ehefrauen bei Columbo hatte. ;-)

Wie hoch das Strafmaß ausfallen könnte oder ob man über das Gesetz oder die Verfassung diskutieren sollte bzw. sie ändern muss, das steht ja auf einem anderen Blatt.

Mit dieser Formulierung „das kleinere Übel“ wählen, tue ich mich auch schwer. Menschen als Übel zu bezeichnen - da wird mir selbiges.
Ich hatte jetzt auch während des Filmes nicht so viel Mitgefühl mit dem Piloten, wie ich zunächst dachte, dass es sein könnte. Er war sehr klar und überzeugt in seinem Handeln (dieses Argument, dass die Menschen selbst Schuld sind, wenn sie in einen Flieger steigen, war natürlich auch blöd ins Drehbuch geschrieben.) Und ich habe keinerlei Gewissensbisse oder ein Ringen mit sich selbst bei ihm erkannt. Auch wenn du dich fürs sogenannte kleinere Übel entscheidest (und anscheinend tun das sehr viele), musst du erstmal in der Lage sein, ohne Beistand und Befehl von oben den Knopf zu drücken und das Flugzeug abzuknallen. Jaja, er ist dafür ausgebildet, ich weiß. Trotzdem!

Am besten fand ich eigentlich die Frage relativ zu Beginn des Films, nämlich die nach der Räumung des Stadions.
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