Poirot?

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Moderator: Stefanie.Columbo

Re: Poirot?

Beitragvon WalterJörgLangbein » Do, 25.06.2015 17:33


Habe kprzlich wieder einige Folgen mit Poirot gesehen. Suchet gefällt mir besser als Ustinov, der ist ja eigentlich immer Ustinov... Suchet ist in anderen Rollen wieder ganz anders... Er ist für mich der wahre Poirot. Er spielt feine Nuancen heraus, etwa wenn Poirot sich am Glück eines Pärchens erfreut, milde lächelt... und dann so einen traurigen Zug um die Augen bekommt, weil er offenbar daran denkt, dass er allein ist..
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Re: Poirot?

Beitragvon Doc Brown » Sa, 31.12.2016 14:20


Ich habe mir vor kurzem "Tod auf dem Nil" mit Peter Ustinov angesehen, der auf 3sat lief.

Eine starbesetzte Verfilmung des Klassikers von Agatha Christie, die mich dennoch enttäuschte.

Positiv fand ich noch, dass das Opfer hier sehr viel Zeit und Raum bekam. Der Mord geschieht erst nach über einer Stunde, so dass bei 2 Stunden und 20 Minuten Spielzeit das Opfer ausführlich vorgestellt wurde. Außerdem konnten in dieser Zeit die übrigen Figuren und ihr Mordmotiv detailliert vorgestellt werden.

Ansonsten knirschte und knarzte es an allen Ecken und Enden. Das fängt schon mit der Figur Poirot an. Ich fand ihn durchweg unsympathisch. Sein überhebliches und arrogantes Gehabe konnte ich mir nicht gut ansehen. Er zeigt auch gerne, was er alles weiß und kann - im Gegensatz zu Columbo, der ja gerne Understatement betreibt. Poirot wirft nach dem Mord jedem Mitreisenden das mögliche Mordmotiv an den Kopf - und das sehr ausführlich. Das gefiel mir aus zweierlei Gründen nicht: Zum einen hat man das als Zuschauer alles schon zu Beginn des Films gesehen. Die Wiederholung von Poirot ist völlig überflüssig. Zum anderen halte ich das auch aus ermittlungstaktischen Gründen für absurd. Da gefällt mir Columbo mit seiner Methode deutlich besser.

Auch die Überführung ist eigenartig. Der Zuschauer erhält keinen Hinweis, wie Poirot auf seine Idee kam. Das fällt einfach so vom Himmel. Auf einmal hat er die Lösung parat, aber der Weg dorthin bleibt dem Zuschauer verborgen. Beweise hat er dann letztendlich auch nicht.

Weiterhin sind viele der Figuren hoffnungslos überzeichnet (wie Salome Otterbourne) oder plump (wie der Anwalt).

Der Mord ist an sich raffiniert ausgeführt, aber beim zweiten Ansehen verliert der Film enorm an Spannung - auch ein Nachteil gegenüber Columbo. Die Spannung bei "Tod auf dem Nil" stammt alleine aus der Frage "Wer war's?"

Immerhin gibt es ein schönes Nil- und Ägypten-Lokalkolorit zu sehen, das hat man toll eingefangen.

Unterm Strich bleibt der Film aber eine Enttäuschung.
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Re: Poirot?

Beitragvon martha » Mo, 02.01.2017 22:59


Das fällt wirklich schwer, für Poirot Sympathien zu empfinden.
Ich habe im letzten Jahr mal mehrere Folgen der englischen Serie gesehen, wo David Suchet den Meisterdetektiv spielt.
Der Charakter baut letztlich darauf auf, dass er extrem von sich überzeugt ist und andere Leute, vornehmlich seine Sekretärin sehr abschätzig behandelt.
Der leitende Ermittler der Mordkommission, Inspector Jappe, wird sehr beschränkt begabt dargestellt. Äußerst begriffsstutzig und nicht sehr kombinationssicher wird er von Poirots genialem Scharfsinn immer in die Schranken gewiesen.
Und Poirots Begleiter Captain Hastings ist dagegen der kesse Freigeist, der so die Lust am freien Lebensstil verkörpert und so als Gegenpart zu Poirots stocksteifer Art auch mal flotte Sprüche raushauen darf.
Sehr aufgebracht ist der Detektiv immer, wenn er als Franzose angesehen wird. Das ist so der Running-Gag, dass Poirot immer wert darauf legt, dass er Belgier ist. Er gesteht seinen Mitmenschen halt keine Fehler zu und redet von sich selbst ja auch gerne in der dritten Person.Das ist schon sehr blasiert und überheblich, was er da abliefert. Wenn die Hemdkragen mal nicht richtig gestärkt sind geht das Gezeter schon los.
Das ist wirklich 'ne ganz andere Liga als Columbo.
Ich schätze mal, dass Inspector Lucerne aus "Mord im Bistro" an Poirot angelehnt wurde. Jemand der dermaßen von seiner Kombinationsgabe begeistert ist, dass er am Ende kaum noch merkt, dass er sich quasi selbst ans Messer liefert.
Die Fälle an sich sind gar nicht mal so übel, schwanken aber auch sehr in ihrer Qualität, weil manche Sachen einfach sehr vorhersehbar sind. Allerdings wird Poirots Kombinationsgabe nicht immer logisch unterfüttert. Der Mann hat dann urplötzlich die Lösung parat, bittet alle Verdächtigen zur berühmten Schlussrunde und hat dort den astreinen Durchblick.
Hier wird einfach Genialität als Quelle der Inspiration festgeschrieben.
Nur ist es ja so, dass man schon früher in der Schule die Leute gehasst hat, die immer alles besser wussten und das dann auch mit übertriebener Überheblichkeit vortrugen.
Es fehlen bei Poirot leider so die kleinen Schwächen und Macken, die ihn menschlicher machen würden.
Das ist das, was ich an der Figur zu bemängeln hätte.
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Re: Poirot?

Beitragvon Doc Brown » Di, 03.01.2017 19:22


martha hat geschrieben:Allerdings wird Poirots Kombinationsgabe nicht immer logisch unterfüttert. Der Mann hat dann urplötzlich die Lösung parat, bittet alle Verdächtigen zur berühmten Schlussrunde und hat dort den astreinen Durchblick.


Das ist auch das, was bei "Eine Leiche zum Dessert" so herrlich vom Gastgeber kritisiert wird. :)

Dem Zuschauer wurde aus meiner Sicht bei "Tod auf dem Nil" überhaupt nicht die Gelegenheit gegeben, die Deduktionen von Poirot nachzuvollziehen. Peng ... auf einmal ist die Lösung da. Und Poirot steht als der große Held da, der allen haushoch überlegen ist.

Ich lese ja gerne die Sherlock-Holmes-Kurzgeschichten. Da werden im Laufe der Geschichte oft Informationen beiläufig eingeflochten, aus denen Holmes dann die richtigen Schlüsse zieht und so letztendlich auf die Lösung kommt. So hat man als Leser die Chance ebenfalls mitzuraten. Bei "Tod auf dem Nil" nimmt der Zuschauer an dieser Spurensuche jedoch nicht teil. Schade, denn der grundsätzliche Handlungsrahmen war vielversprechend.
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Re: Poirot?

Beitragvon tina_82 » Do, 05.01.2017 12:01


Ich habe früher "nur" die Romane von Christie gelesen. Wenn ich mich recht erinnere, dann wird Poirot da als eingebildeter, kleiner, feiner Herr beschrieben, der viel Wert auf sein Äußeres legt und sehr von sich überzeugt ist. ('Erküül kommt doch auch von Herkules :wink: ). Daher denke ich, ist er laut euren Beschreibungen schon gut umgesetzt. Es geht ja nicht immer darum, Sympathie mit den Ermittlern zu haben.
Peter Ustinov habe ich auch mal kurz in der Rolle gesehen. Figurmäßig, also von seiner Körperfülle her, passt der nicht zu der Beschreibung, die ich im Kopf habe. Aber er ist schon ein toller Schauspieler und ich mag dieses überzeichnete. (Eigentlich steh ich überhaupt wohl auf Arroganz, wenn man es sich leisten kann. Aber das ist ein anderes Thema.) Vielleicht sollte man auch einfach die Vergleiche lassen, zwischen den doch sehr verschiedenen Detektiven und Ermittlern und sie für sich stehen lassen.
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