Wir haben die Szene alle vor Augen:
Mit einem raffinierten Trick überführt Lieutenant Columbo in seinem ersten Mordfall den Star-Psychiater Dr.Ray Flemming.
Doch was geschah danach mit dem Premieren-Mörder?
Ich habe lange recherchiert, die Autobiographie von Flemming gelesen, Akten gewälzt und mich mit Zeitzeugen getroffen.
Heute kann ich dem Forum endlich voller Stolz die brisanten Fakten präsentieren:
Nun, Dr. Flemming wurde am 1. April 1969 wegen Mordes und verkehrswidrigem Parken vor dem Gerichtsgebäude zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Doch er machte schnell aus der Not eine Tugend:
Bereits in der zweiten Haftwoche begann der renommierte Psychiater in seiner Zelle zu schreiben, und schon 6 Wochen später konnte Flemming mit Hilfe eines befreundeten Verlegers, der bei Haftbesuchen die Manuskripte aus der Straf-Anstalt schmuggelte, sein erstes Buch auf den Markt bringen.
In den darauffolgenden Monaten entstanden weitere hochwissenschaftliche Bestseller wie "Der Columbo-Komplex", "Psychosen im Pyjama" oder "Die neurotischen Abenteuer des Quietsche-Entchens Fluppy".
Diese psychoanalytischen Standard-Werke dürfen auch heute noch in keiner Fach-Bibliothek fehlen.
Durchschlagenden Erfolg erzielte Dr.Flemming aber dann mit seinem kleinen Heimwerker-Handbuch "Wie werde ich meine Frau auch ohne Scheidung los".
Nun brachen alle Dämme.
Tausende von Lesern arrangierten Pilgerreisen zu dem Gefängnis, in dem Flemming einsaß.
Viele Bus-Unternehmen verdienten sich mit den sogenannten "Flemming-Prisoner-Tours" eine goldene Nase.
Im Oktober 1971 kam es dann zu einem dramatischen Zwischenfall, als zwei Sympathisanten vor dem Gefängnistor ein Transparent mit der Aufschrift "Freiheit für Doc Flemming" entrollten.
Unglücklicherweise hatte an diesem Tag der äußerst kurzsichtige Wachmann Robert Fulton Smith Dienst im Wachturm.
Da er die Aufschrift des Transparents nicht klar lesen konnte, beugte er sich über die Brüstung, verlor dabei sein Gleichgewicht und stürzte kopfüber in den Tod.
Ein tragisches Schicksal: Fulton Smith hinterließ eine Frau, zwei uneheliche Kinder und eine üppige Münz-Sammlung.
Noch heute erinnert ein Gedenkstein im Gefängnishof an dieses Unglück.
Gefängnisdirektor Paul Peters sah sich nun zum Handeln gezwungen.
Da die Fan-Gemeinde von Dr. Flemming immer größer wurde, willigte Peters ein, einmal wöchentlich einen "Tag der offenen Tür" zu veranstalten, in dessen Rahmen Flemming dann im Gefängnishof Autogramme schreiben durfte.
Das Echo war gewaltig.
Nicht nur die Fans waren begeistert, auch die Strafgefangenen versprachen sich einiges von diesem "Tag der offenen Tür".
Natürlich ordnete Gefängnisdirektor Peters für diese Tage mit erhöhtem Publikumsverkehr verschärfte Sicherheitsvorkehrungen an:
Die Anzahl der Wärter am Gefängnistor wurde verdoppelt, und zusätzlich wurden zwei abgerichtete Kampfdackel im Gefängnishof postiert.
Zudem erhielten die Wachhabenden die strikte Anweisung, keine Personen mit Sträflingskleidung herauszulassen.
Doch trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen kam es im Laufe der Zeit zu einigen Unregelmäßigkeiten.
Im Besucher-Protokoll zum "Tag der offenen Tür" am 28.1.1972 heißt es etwa:
Anzahl der eingelassenen Besucher am Vormittag: 968
Anzahl der rausgelassenen Besucher am Nachmittag: 976
Diese Fluktuation alarmierte nun auch die obersten Behörden.
Gefängnisdirektor Peters wurde ohne Abfindung gefeuert, machte eine Umschulung und eröffnete kurz darauf eine fettfreie Pommes-Bude in Beverly Hills.
Auch im Fall Dr.Flemming bestand dringender Handlungsbedarf:
Um weitere Unruhe in der Bevölkerung zu vermeiden, entschied der Oberste Gerichtshof der USA am 28.August 1972 Dr.Flemming zu begnadigen.
Zuvor setzte sich selbst der damalige US-Präsident Richard Nixon vehement für eine vorzeitige Entlassung des inhaftierten Bestseller-Autors ein.
Noch heute erinnern Historiker an Nixons legendären, wenngleich auch etwas verunglückten Ausspruch:"Let him free or let it be!"
Am 12.September 1972 war es dann endlich soweit: Flemming kam auf freien Fuß.
Fernsehteams aus aller Herren Länder umlagerten die Haft-Anstalt.
Als Dr.Flemming herauskam und sich den Journalisten stellte, hatte er eine Zahnbürste, ein Deo und einen Nass-Rasierer in der Hand.
Das führte doch zu einigen Irritationen bei den Reportern.
Jahrelang gab es Spekulationen um diesen ungewöhnlichen Auftritt des einstigen Star-Psychiaters.
Doch erst in seinen 1992 erschienenen Memoiren lüftete Flemming dieses brisante Geheimnis:
Man hatte ihm am Tag vor der Entlassung seinen Kulturbeutel gestohlen.
Der Diebstahl konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.
Ansonsten gab sich Dr.Flemming beim ersten Gang in die Freiheit äußerst wortkarg.
Der damalige US-Korrespondent der ARD, Wolf von Lojewski, erinnert sich:
"Ich weiß noch genau. Dr.Flemming stand da und sagte nur einen Satz:"Ich danke Lieutenant Columbo dafür, dass er mir zu einer zweiten Karriere verholfen hat."
Dann stieg Flemming mit der Gefängnis-Psychologin Rita Palaver, die ihn während der Haft seelisch und körperlich umsorgte, in einen Mietwagen und brauste davon.
Wir waren doch ziemlich verblüfft."
Vier Wochen später, kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Fritzi, heirateten Dr.Flemming und seine langjährige Geliebte Rita Palaver.
Auch Lieutenant Columbo wurde zur Hochzeit eingeladen, entschuldigte sich aber für seine Absage mit den Worten:"Ich muss mit meiner Frau im Fernsehen einen Rock Hudson-Film gucken."
Offenbar war Columbo immer noch ein wenig verärgert, dass er durch die Überführung von Dr.Flemming dessen Knast-Karriere quasi eingeleitet hat.
Verbittert war der Inspector aber keineswegs.
Als Columbo 1975 nach dem Prozess gegen Dr.Collier gefragt wurde, ob er nicht befürchte, dass mit Collier wieder ein Psychiater vorzeitig aus der Haft entlassen werden könnte, antwortete Columbo in gewohnter Gelassenheit:
"Ach, wissen Sie, mein Job ist es, Mörder dingfest zu machen. Was danach passiert interessiert mich nicht mehr. Es sei denn, meine Frau informiert mich aus der Zeitung darüber."
Somit ist Columbo dann vielleicht auch verborgen geblieben, dass Dr.Flemming nach seiner Haft-Entlassung nicht mehr an seine literarischen Erfolge aus der Gefängniszelle anknüpfen konnte.
In seinen Memoiren schreibt Flemming:"Mir fehlten einfach die Gitterstäbe als Inspiration."
Es wurde still um ihn, da Flemming nun auch in keine Talk-Shows mehr eingeladen wurde.
So sah man ihn auch nur noch selten in der Öffentlichkeit
Allenfalls wurde er nur noch zu kleinen, unbedeutenden Events bestellt.
Und so war den Zeitungen auch Dr.Flemmings letzter öffentlicher Auftritt im Jahre 2001 nur noch eine Randnotiz wert:
Flemming weiht Tanzlokal für barfüßiges Steppen ein!
Seit 2004 lebt Dr.Flemming zusammen mit seiner mittlerweile achten Ehefrau Dorothy Parker im "House of Good-bye", einem Altersruhesitz für straffällig gewordene Psychiater.
Der mittlerweile 91-jährige erfreut sich immer noch bester Gesundheit.
Nach dem Rezept für seine Vitalität befragt, meinte Flemming scherzhaft:
"Golf spielen, viel trinken und zwischendurch mal 'ne Frau umbringen."
Das Auf und Ab seiner Karriere bedauert er nicht, auch nicht, dass er in den letzten Jahren nicht mehr im Rampenlicht stand:
"Ich bin der erste Mörder, den Lieutenant Columbo überführt hat. Darauf kann ich doch wohl mächtig stolz sein, oder? Cheers!"
Cheerio, Dr.Flemming!
Have a nice time.