Er hat Angst zu verlieren. Albträume plagen ihn, in denen ihn riesige Schachfiguren bedrohen, gesteuert von seinem hinterhältig grinsenden Gegner. Emmett Clayton lebt für das Schachspiel, es ist seine Identität.
Die grandiose Albtraumszene zu Beginn zeigt seine Versagensängste auf. Das Match zu verlieren, wäre sein psychischer Tod. Es geht also nicht um eine sportliche Auseinandersetzung. Emmett Clayton ist kein Sportsmann, auch nicht, wenn er gewinnt. Er ist ein Fall für den Psychiater (vielleicht könnten ihn Dr. Flemming oder Dr. Collier helfen
).
Erschwerend kommt hinzu, dass er nur Weltmeister wurde, weil sein Kontrahent Dudek wegen einer Krankheit zurücktreten musste. Clayton hat Dudek also nie besiegt. Eine Niederlage gegen Dudek würde bedeuten: Er ist nie wirklich Weltmeister gewesen. Ein vorhandener Nimbus wäre zerstört. Das Spiel im Restaurant beendet Claytons Hoffnung, gegen Dudek doch stark genug zu sein. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Clayton schiebt seinem Gegner die Furcht zu, die er selbst empfindet. Angeblich wollte Dudek weglaufen ("dieser arme Mann"), was Clayton gerne getan hätte. Clayton ist einer der armseligsten Mörder der Columbo-Serie. Aber darin liegt auch eine Faszination. An die Mörder aus "Tod am Strand" oder "Mord in der Botschaft" konnte ich mich vor dem letzten Anschauen gar nicht mehr erinnern. Aber die Geschichte um den Schachmeister war mir immer präsent.
Die Indizien sind nicht gerade wasserdicht. Natürlich kann die Person, die Dudek in die Schrottpresse gestoßen hat, taub gewesen sein. Nur: Clayton ist Schachmeister und wird kaum wissen, wie man so ein Ding einschaltet oder abstellt, wie die Sicherheits-vorkehrungen sind und dergleichen mehr.
Ebenso die Zahnbürste: Wenn Dudek wirklich verzweifelt war, hat er vielleicht nicht darauf geachtet, ob er eine falsche Zahnbürste einpackt. Es kann ja auch der Hotelpage gewesen sein, wie Clayton behauptet.
Die Sache mit dem Papier und der Tinte ist schon klarer. Wie kann Dudek eine Sorte Papier beschreiben, über die er gar nicht verfügt? Und wenn die Tinte von Claytons Kugelschreiber dieselbe ist, mit der Dudek angeblich seinen Abschiedsbrief geschrieben hat, kann man davon ausgehen, dass Dudek Claytons Kugelschreiber benutzt hat.
Interessant ist das Spiel im Restaurant. Nach Aussage des Kellners verschiebt Dudek das Salz und Clayton danach den Pfeffer. Daraus muss man zwingend schließen, dass Dudek Weiß spielt, auch deshalb, weil Dudek zuerst gezogen hat und Weiß immer die Partie beginnt. Aufgrund der Notizen Dudeks wird Clayton als Verlierer entlarvt, was ein Motiv ergibt.
Ich finde es unglaubhaft, dass Clayton in Dudeks Quartier so ungestört eindringen und sich umsehen kann und nach dem Anschlag noch in der Lage ist, die Medikamente zu vertauschen. Das Quartier müsste doch besser bewacht sein. Was mich auch wundert ist, dass Clayton allein ist ohne Delegation. Offenbar ist dies dramaturgisch nötig, weil Clayton für den Mord den nötigen Freiraum benötigt.
Bemerkenswert finde ich, dass Clayton im Beisein von Dudek im Restaurant zeitweise locker und vergnügt ist, allerdings vor dem Spiel.
Eine witzige Szene: Columbo telefoniert in Anwesenheit von Clayton mit dem Krankenhaus. Alarmierende Nachrichten für Clayton: "Er wird wieder gesund, er hat sich bewegt", sagt Columbo. Zu Claytons Glück wedelt der "Patient" mit seinem Schwanz.
Offenbar ist eine Ähnlichkeit mit Bobby Fischer beabsichtigt, der 1972 Weltmeister wurde und sich danach nicht mehr traute zu spielen. Sein Nachfolger Karpow gewann kampflos.
"Schach dem Mörder" ist eine überdurchschnittliche Columbo-Episode. Ich gebe 4 Punkte.
"So was wie den perfekten Mord gibt es nicht. Das ist nur eine Illusion."