Keine Frage: Dieser Roger Stanford ist schon ein ulkiger Vogel.
Ein sehr vielschichtiger und somit eigentlich interessanter Charakter, und trotzdem(oder gerade deshalb) werd ich nicht recht schlau aus dieser Figur.
Da erwähnt er ganz nebenbei, dass er 3!!! Doktortitel besitzt, bombardiert dann aber mit kindischem Vergnügen die Büroangestellten und Columbo mit Luftschlangen.
Er zieht die Machtstrukturen der Firma ziemlich in's lächerliche, mordet aber letztlich nur aus dem Grund, um selber an die Macht zu kommen.
Aber mit welcher Befriedigung???
Er lümmelt genüsslich im Chefsessel rum, und ich hab mich gefragt: Würde der sich nicht im Sandkasten wohler fühlen?
Er intrigiert gegen die Sekretärin und den Mitarbeiter Logan. Aber will er die wirklich loswerden??? Oder will er einfach nur Tantchen's Liebling werden? Oder ist dieser Kindskopf am Ende sogar verrückt???
Tut mir leid. Ich finde einfach kein rational zugängliches Motiv für Stanford's Verhalten.
Bei jedem anderen Columbo-Mörder ist mir aufgrund des Charakters klar, warum er gemordet hat.
Stanford ist mir einfach 'ne Spur zu vielschichtig: Er ist albern, infantil, ironisch und hochgradig unkonventionell, gleichzeitig aber auch ängstlich, berechnend, gebildet, hysterisch und machtgeil.
Ich finde, das ist ein bisschen viel für eine Person und für eine 70-Minuten-Folge erst recht.
Sogar Columbo lässt sich von dieser Vielschichtigkeit anstecken:
Bei der ersten Gondelfahrt ist ihm so unwohl, dass er kein Wort sprechen kann.
Bei der zweiten Gondelfahrt fühlt er sich dann aber pudelwohl und redet wie ein Wasserfall.
Die Logik scheint wohl irgendwo im Gebirge hängengeblieben zu sein.
Der kriminalistische Gehalt der Folge beschränkt sich im Grunde auf das wirklich sehr gelungene Finale. Die Idee mit der Gondel ist natürlich fabelhaft. Gibt es einen besseren Ort, der keine Fluchtmöglichkeit bietet??? Ein wirklich sehr guter Einfall, zudem eine clevere Falle für den Mörder.
Ansonsten bietet die Folge keinerlei Indizien und die Abwicklung des Falles ist weitestgehend uninspiriert:
Columbo hat sofort den Verdacht, dass im Auto eine Zigarrenschachtel explodiert sein muss. Das wird gar nicht erst mit Verdachtsmomenten unterfüttert, zumal die Beweisaufnahme am Tatort gar nichts produktives ergibt. Das ist mehr als enttäuschend!!!
Wo sind etwa die herrlichen Indizien, wie man sie nach dem Absturz in der Folge "Schwanengesang" gesehen hat?(An diese Episode muss man natürlich unwillkürlich denken, wenn man Ida Lupino sieht.)
Und was hat Columbo am Anfang bei dem Fall überhaupt zu suchen???
Er ist bei der Mordkommission und nicht bei der Vermisstenabteilung(wie man sowas logisch löst, sieht man bei "Wein ist dicker als Blut").
Es äussert nach einem angeblichen Unfall auch niemand einen Verdacht(wie der Schwager in "Schwanengesang").
Man kann natürlich darüber hinwegsehen, aber ich wurde einfach das Gefühl nicht los, dass die Folge mit ziemlich "heisser Nadel" gestrickt wurde. Die Szenenübergänge wirken schon recht eigenartig, einmal sogar mit "eingeforenem Bild"(zumindest auf der DVD, die ich heute gesehen habe. Ich weiss nicht, wie es gestern bei SuperRTL war
).
Die Nebenrollen der Sekretärin Bishop, von Logan und von Quincy wirken seltsam uninteressant und Columbo spart seine ganze Energie für die Schluss-Szene in der Gondel auf.
Und was bitteschön soll Stanford's Bemerkung bedeuten, dass seine Eltern bei einer "mysteriösen Explosion" umgekommen sind???
Will man damit andeuten, dass Stanford noch mehr Leichen im Keller hat?
Sehr eigenartig und halbgar.
Fazit:
Ein sehr spielfreudiger Mörder zwischen Genie und Wahnsinn strebt nach einer so profanen Sache wie Macht. Ich hab auch beim wiederholten Ansehen der Folge keinen Zugang zur Figur des Mörders gefunden.
Als Psychatrie-Patient in "Einer flog über das Kuckucksnest" wäre Roddy McDowall die Idealbesetzung. Als Columbo-Mörder ist er zweifellos im falschen Film gelandet.
Für mich die schwächste Folge der ersten Staffel!
2 Punkte