von bluemink » So, 16.09.2012 19:44
Ich hab als Neumitglied in den letzten Wochen damit begonnen, mir nebst einigen Folgen, die ich noch nicht kannte (etwa die Hälfte), mir noch mal die ein oder andere mir bereits bekannte Folge reinzuziehen, gerade weil ich mich z.T. noch vage an die Erstausstrahlung im BR bzw. in der ARD erinnern konnte und als Untertitler das Vergnügen hatte, 2003 die deutschen Untertitel für diverse Folgen der ersten Staffel zu erstellen.
So umfassende und punktgenaue Kritiken, wie sie einige vor mir geschrieben haben - Martha, Kevin, Zimtspinne, Mr. Brimmer, Columbo-Freak, Sagittarius, Kevin usw. - werd ich mir wohl verkneifen, nicht zuletzt, weil das Meiste und "Wichtigste" zu den einzelnen Folgen wohl inzwischen gesagt sein dürfte und weil ich mich nicht zu den Begnadeten zähle, die sich einen komplizierten Plot samt Nebenhandlungssträngen und -figuren über Wochen, Monate oder gar Jahre merken können. Meine Beiträge werden sich daher wohl eher auf bestimmte Details bzw. die kontroverseren Aspekte der jeweiligen Folge beziehen, sprich was mir grad so frisch in den Sinn kommt, obwohl mir die von einigen hier favorisierte Aufdröselung in Regie, Drehbuch, Mord, Indizien, CMS, Humor, Schauspielleistung, Auflösung etc. schon sehr zusagt.
Fang ich mal an mit "Zigarren für den Chef", einer Folge, an der sich die Gemüter ja offenbar mächtig reiben. Der Titel kam mir bekannt vor, aber erinnern konnte ich mich letztlich nur noch an den durchgeknallten Mörder und die Seilbahn.
Im Unterschied zu vielen hier halte ich Roddy McDowall für einen ziemlich genialen Mörder und eine willkommene Abwechslung zum gängigen Mörderschema - unkonventionell, facettenreich, und somit relativ schwer greifbar, aber genau das macht für mich den Reiz der Figur aus. Der in jeder Einstellung spürbare Wahnsinn (zur Zwangsjacke fehlt sicher nicht viel) mag dem ein oder anderen zu dick aufgetragen sein - für mein Empfinden wirkt das jedoch weitgehend plausibel. Ein Studienkollege (später ebenfalls Doktor der Chemie) verhielt sich seinerzeit ähnlich nervig und infantil und tut es vermutlich auch heute noch. Schuld ist wohl, wie auch bei Stanford, ein übertriebenes Geltungsbedürfnis aufgrund eines schlechten Elternhauses - tja, die Realität schreibt ja oft die abgedrehtesten Geschichten! Beim erneuten Anschauen der Folge fielen mir dann noch etliche Nuancen in McDowalls Mimik auf - etwa wie er gelangweilt den Staub von der Schreibtischlampe bläst, als Columbo ihn und Miss Bishop im Büro konfrontiert. Wirklich köstlich!
So sehr mir die Besetzung der Hauptrolle gefällt (für mich schon mal die halbe Miete), so frustrierend empfinde ich - mal wieder - die durchweg schwach entwickelten Nebenfiguren - da können gute Darsteller wie Ida Lupino oder William Windom leider nicht viel ausrichten. Letzterem verpasste Synchronsprecher Robert Naegele dann auch noch einen ulkigen schwäbischen Akzent, der mich genauso nervt wie die bayrische Synchronstimme der farbigen Empfangsdame in der Synchro der vorausgehenden Folge "Schritte aus dem Schatten". (Ich komme zwar selbst aus Bayern, aber in einer amerikanischen Serie hat so ein Akzent meiner Meinung nach nix zu suchen.) Tommi Pipers Stimme hör ich übrigens sehr gern, ebenso wie die von Klaus Schwarzkopf. Auch wenn sie mit den Originalstimmen wenig bis nichts gemeinsam haben - sie passen einfach.
Da mir Columbos oftmals übertriebener Humor in der Regel weniger zusagt, war ich hier von der Umkehrung der Humorträger durchaus angetan. Stanfords Begegnungen mit Columbo (etwa "Sind Sie Roger Stanford?" - "Ja, könnte man sagen", oder die "Retourkutsche" mit der Uhr) blieben mir jedenfalls sehr positiv im Gedächtnis hängen. Überhaupt ist das die Art von sarkastischem Humor, wie ich sie mir z.B. in "Alter schützt vor Torheit nicht" gewünscht hätte.
Obwohl die Handlung theoretisch viel hergibt, ist für mich das Drehbuch bzw. dessen Umsetzung eine echte Zumutung. Vor allem beim umständlichen Mittelteil mit der Schreibmaschine, den vielen Namen (Benson?), der Erklärung von Quincys Funktion, dem fingierten Foto und den entsprechenden Konsequenzen bis hin zu den Kündigungen und dem nicht enden wollenden Wortschwall bei der Überführung in der Seilbahn hab ich beim ersten - übermüdeten - Anschauen nur Bahnhof verstanden. Insgesamt hätte man da weniger quatschen sollen und mehr zeigen müssen, oder vielmehr beides trennen, was aber wohl im Hinblick auf die kurze Laufzeit der Folge nicht möglich war. Auch wirken viele Szenenübergänge aufgrund der hier eindeutig zu knapp bemessenen Produktionszeit sehr abrupt und stümperhaft, sodass ich nicht selten das Gefühl hatte, mich vor lauter Bild- und Wortinfo in die jeweilige Szene "einfinden" zu müssen. Bei "Columbo" will ich auch mal entspannen können.
Fehlt noch die klaustrophobische Überführung, die natürlich überzeugen kann, wenn auch fraglich sein dürfte, ob ein Chemie- und Logikgenie wie Stanford tatsächlich in Columbos Falle gegangen wäre.
Unterm Strich bleibt hier für mich angesichts der überfrachteten Handlung und dem Mangel an Indizien zu wenig für eine wirklich "gute" Folge. Da ich aber den Mörder auch noch beim wiederholten Anschauen enorm unterhaltsam fand, vergebe ich hier gerne 3 Punkte.