Hab mir die Folge kürzlich auch mal wieder reingezogen, allerdings mit Schwarzkopf aus der neuen Staffel-Box.
Grundsätzlich fällt es einem ja doch schwer, 'ne Episode zu bewerten, die man schon häufiger gesehen hat.
Gerade bei "Columbo" gibt's wohl nur beim ersten Gucken den ultimativen "Aha-Kick": Da lässt man sich überraschen, da fiebert man nach Indizien, da wartet man mit Heißhunger auf die Überführung des Schurken...
Beim dritten oder vierten Ansehen fällt das leider alles weg. Da schwelgt man höchstens noch in Atmosphäre, aber das für einen Krimi fundamentale Spannungsmoment lässt sich nicht mehr wiederherstellen, weil das Überraschungs-Ei bereits beim ersten Anschauen geknackt wurde.
Ich sehne mich regelrecht danach, mal wieder 'nen "Columbo"-Fall zu sehen, den ich nicht kenne.
Aber das wird sich wohl in diesem Leben nicht mehr realisieren lassen.
Schade!
Tja, jetzt guck ich mir also "Die vergessene Tote" an und weiß eigentlich schon alles: dass Columbo mit der Eisenbahn spielen wird, dass der Traveller-Scheck im Gürtel des Opfers versteckt ist, und dass Bradys Freundin Ruth sich nicht verarschen lässt.
Und trotzdem bleibe ich bis zum Schluss am Ball, weil bei dieser Folge selbst der allwissende Betrachter noch reichlich verwöhnt wird.
Für mich wirkt dieser Fall nach wie vor unglaublich frisch.
Nach dem eher valiumgeschwängerten "Tödliche Tricks" wurde hier mal wieder ordentlich am Schwungrad gedreht.
In erster Linie ist das sicher ein Verdienst von Fisher Stevens, neben dem Peter Falk fast schon ein wenig großväterlich wirkt.
Es wird natürlich schnell klar, dass Brady ein Vertreter der "Cool Generation" ist: rumlümmeln, Füße hochlegen, große Klappe haben und dann noch ordentlich Kohle abgreifen.
Das sind so die Typen, die sofort vom Dreirad auf Porsche umsteigen.
Oma sitzt wahrscheinlich mit kleiner Rente in Wanne-Eickel, aber der jüngste Spross hat in Hollywood Karriere gemacht.
Da finde ich das Mordmotiv dann immer besonders zwingend, weil Leute wie Brady auf der Erfolgsleiter natürlich keine morschen Stufen gebrauchen können.
Nun ist das Opfer Lenny zweifellos 'n ausgesprochener Schiss-Hase.
Da hat Klaus schon recht.
Ich denke aber, es ist äußerst effektiv, dass man diesem selbstbewussten Senkrechtstarter Alex dann doch eher 'n Weichei gegenüberstellt, das Brady dann beliebig als Spielball benutzen kann.
Hier geht's ja vor allem um mentale Stärke bzw. Schwäche, und weniger um Körperfülle.
So gesehen ist diese Szene, wo Illusions-Experte Brady den armen Lenny quasi in den Tod treibt, allemal glaubwürdiger als der Kampf "Dünn gegen Dick" in "Schach dem Mörder".
Besonders reizvoll fand ich bei "Die vergessene Tote" auch schon immer die Ausgangssituation.
Ähnlich war's ja wohl nur noch bei "Tod am Strand", wo das Opfer nicht sofort identifiziert werden konnte.
Nun geb ich zu, dass das dort noch 'n bisschen raffinierter gestrickt war, aber auch im Brady-Fall bleibt man ja 'ne Zeitlang darüber im Unklaren, wie Columbo dieses Rätsel mit der anonymen Leiche aufpuzzelt.
Und die Ermittlungs-Chronologie ist diesmal wirklich lückenlos wie selten:
Das Buch führt zu Brady
der Traveller-Scheck identifiziert das Opfer
Schuhabsatz verbindet Opfer mit Studio-Gelände
der Taxifahrer gibt die Zeit vor
die Eintrittskarte im Album verbindet schließlich über die Zeit Opfer mit Brady.
Am Ende hat Columbo dann auch noch das Motiv in der Hand: den 16mm-Film.
Das hat mit Illusion dann nix mehr zu tun, denn letztlich regieren immer noch die Fakten die Welt.
Erstklassige Arbeit, Inspector!!!
Die Nebenkriegs-Schauplätze fand ich dann allerdings belanglos, zumal mir die dortigen Motive nicht so ganz einleuchteten:
Mir ist weder zwingend klar geworden, warum Alex seine Freundin Ruth mit 'nem anderen verkuppeln wollte, und schon gar nicht, warum Bradys Auftraggeber und Boss plötzlich auf Konfrontationskurs geht.
Das ist dann doch 'n bisschen arg dicke aufgetragen, frei nach dem Motto: Jetzt stoßen wir das frühreife Denkmal mit aller verfügbaren Gewalt vom Sockel!
Wär nicht nötig gewesen. Der Junge kann sowieso keine Filme mehr drehen. Der landet im Knast.
Columbo wird's wohl nicht stören.
Der guckt mit seiner Frau eh lieber Cary Grant und Bette Davis.