Bewertet: "Selbstbildnis eines Mörders"

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1/5 schlecht
5
8%
2/5 passabel / "na ja"
12
18%
3/5 gut
21
32%
4/5 sehr gut
12
18%
5/5 überragend
15
23%
 
Abstimmungen insgesamt : 65

Re: Bewertet: "Selbstbildnis eines Mörders"

Beitragvon Topi » Mi, 04.02.2015 21:44


Ich veranstalte gerade ein Columbo-Revivel. ZDF-Neo wiederholt alle Folgen.
Interessant, wie kontrovers ihr diese Folge seht.
Ich fasse mich kurz, weil ja schon fast alles von euch gesagt worden ist.

Bemerkenswert finde ich an dieser und an der gestern gezeigten Folge (Tödliche Kriegsspiele), dass den Machern durchaus bewusst war, dass sie eine Marke bedienen.
Gestern zeigte das Schlussbild einen aus Zinn gegossenen (Miniatur)-Columbo, heute einen gemalten. (Das typische Barsini-rot wurde nicht verwendet).
Columbo als Skulptur und als Portrait in Öl - erstarrt und doch sehenswert

Wenn man mit einer Marke umgeht, weiss was man was sie kann und was nicht. Sehr schön, dass uns Columbo hier an seinen Grenzen gezeigt wird. Der Kleinbürger hat seine Probleme mit dem süßen Leben am Strand - obwohl ihm "La dolce Vita" doch ein Begriff sein sollte - und was ein Macho ist, sollte er als Italiener auch wissen. Sehr niedlich, wie er da Neuland betritt ....und als er feststellt, dass auch im Hause des Künstlers die Eifersucht regiert, kommt seine Welt wieder in Ordnung.
Dabei sind es doch gerade die Spannungen zwischen seinen zänkischen Weibern, die den Künstler inspirieren.

Martha (deren Beiträge ich über alles schätze) schrieb hier (vor Jahren), dass mit der Entdeckung der Eifersucht doch das Motiv gefunden war. Warum also noch ein zweites Motiv einführen?
Das wahre Motiv wird doch vor dem Mord angedeutet, bevor Columbo bei Barsini aufschlägt.
Was darf seine 1. Frau nicht verraten? Der Künstler ist doch sehr besorgt, die Welt könnte von ihr erfahren, was er vor vielen Jahren verbrochen hat, als sie sich von ihm trennt.
Wir sehen (vor dem Mord) in der kleinen Taverne das Foto und wissen, der Herr mit dem Monokel ist das Opfe, das irgendwo verscharrt wurde.

....Sehr schön auch, dass die Geschiedene die 1. Frau genannt wird. Ein schönes Wortspiel. Die aktuelle Frau ist (nur) die 2.

Ja, die Kontaktlinse. Wirklich schade, dass der geneigte Zuschauer diesen Dreh schon kennt. Hier hätte man sie mit beiden Kontaktlinsen im Wasser finden sollen - und Columbo hätte sich gewundert, dass sie mit den Linsen schwimmen gegangen ist. Könnte mir vorstellen, dass man das damals nicht getan hat. (Bin mir aber nicht sicher.....oder das Thema wäre besser ganz geblieben...). Man hätte da auch eine andere Stolperfalle finden können.

Vor allem mache ich dieser Folge einen Vorwurf: Die Floskel, die dem Mörder gebührt, wird an den unschuldigen Psychiater verschwendet.

Columbo: "Wenn ich den Täter habe, erfahren Sie es als Erster!"

Schade, denn das ist der Moment, der mich immer still vergnügt.

Ich mag diese Folge sehr gerne, weil sie etwas anders ist.
Der Gegensatz zwischen Licht (Strand) und Schatten (Träume) ist gelungen.

Wenn ich mir eine Columbosammlung für die Ewigkeit zusammenstellen sollte, wäre diese Folge dabei.

Grüße
Topi

P.S. Kleinliche Anmerkungen:
Ein frisches Bild unter einem Tuch oder Papier - eng aufliegend - das geht gar nicht. Die Farbe würde verschmiert werden. Da würde man das Motiv als Untermalung dünn anlegen. Die Farbe ist nach einer Stunde trocken, das Bild kann abgedeckt werden und vor Ort kann man die frische Farbe draufhauen.

Die beiden Grazien mit Alkohol in der Sauna....mich hat´s geschüttelt (und nicht gerührt) ...tödlich....Hat die Frau des Malers ihren Alk eigentlich auf die Steine gegossen und ihre Widersacherin trinken lassen?

Wie hier jemand schrieb: Ein Kunstmaler testet als erstes, ob er fließendes Wasser hat und es ist natürlich klar, wenn das Malen als Alibi gebraucht wird, muss Farbe auf dem Boden und im Waschbecken sein. Da würde ja ein Polizeischüler draufkommen. :such:
Legen Sie Ihren italienischen Namen ab und beißen Sie erstmal auf nichts Hartes.
Topi
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Re: Bewertet: "Selbstbildnis eines Mörders"

Beitragvon smeagol » Mo, 12.11.2018 18:15


Diese Folge gefällt mir so richtig gut. Erstens mal ist diese Stimmung vorherrschend. Strand, Bar, Künstler, tolle Villa, easy life, mit den Shorts und aufgeknöpftem Hemd den Tag verbringen und durchleben, erfolgreicher Künstler, der das Leben in vollen Zügen erlebt aber nicht sinnlos verlebt. Das hat schon was, plus die Qualität, dass wir hier nicht Menschenmassen vorkommen. Sowohl am Strand wie in der Bar und Barsinis Leben ist es fast leer und doch so voll.

Der Zufall will es, dass ich gerade die letzte Bewertung über die "Klatsch" Episode gemacht habe. Auch dort geht es ja um einen grösseren Grund, der da heimlich verborgen liegt und entdeckt werden will. War es dort für mich eine unmögliche Umsetzung, so zeigt diese Folge, wie es richtig gut gemacht wird. Als Zuschauer wähnt man die Eifersucht als Grund und merkt dann mit jedem abgespielten Albtraum mehr die Existenz dieses Hauptgrundes und deren Auswirkung. Das ist genial gemacht und bringt richtig Spannung rein.

Toll ist, wie sich die Schlinge um Barsini immer enger zieht. Sind es erst einige Indizien, etwa das mit nur einer eingesetzten Linse, steigert es sich laufend, nicht in der Intensität, aber mit der Anzahl, aber ohne einen wirklichen Beweis zu liefern. Columbo erkennt, dass der Wasserhahn jahrelang nicht gebraucht wurde.. da muss Barsini seine Aussage korrigieren. Columbo findet keine Farbflecken, da muss Barsini mit einer unterschiedlichen Strichtechnik antworten. Am Mund findet sich Barsini-Rot, weil er einen mit Farbe verschmutzten Lumpen gebraucht. Ja, man kann sagen, Barsini ist hier überall etwas unvorsichtig vorgegangen. Einen sauberen Lumpen nehmen, das Wasser mal anlassen, bis es sauber kommt, ein paar Farbspritzer auf den Boden.. alles ohne weitere Probleme machbar. Und doch finde ich genau hier der Reiz des Ganzen. Columbo findet eines ums andere und kommt so Barsini immer dichter. Am Schluss ist mit der Aufklärung der Albträume für Barsini zu viel. Er gesteht.. müsste nun doch nur in Vitas Bar mal im Keller gegraben werden, um Tatsachen zu schaffen. The turn of the screw ist eine Oper von Benjamin Britten, wo sich die Geschichte immer mehr zuzieht und zuspitzt, und genau so fühlt sich diese Folge an.. die Schraube wird immer mehr gedreht.. genial.

Barsinis Leben mit nicht weniger als drei Frauen.. das geht hier offenbar einigen etwas zu weit :wink: . Mir gefällt die Idee, so etwas genau hier einzubringen. Es gibt ja durchaus Frauen, die dieser polygamen Lebensform nacheifern und sie auch leben. Mir gefällt, wie Barsini herumfuchtelt, seine Frauen herumkommandiert, sie als Weiber titelt.. und wie die untereinander herumzicken und jede über die Andere herzieht. Wohl gemerkt, auf keinen Fall, dass ich das gut sprechen oder nur gefallen daran fände. Sondern einfach, wie es umgesetzt ist. Und noch angefügt.. natürlich ist es mies und die Frauen werden in ihrem Handeln reduziert. Aber ich kenne reale Ehefälle, die sehen zwar "normal" aus, da wird aber weit mehr eingeängt. Immerhin leben die drei ja ansonsten ganz gut in der luxuriösen Scheinwelt Barsinis.
Interessanterweise meint Barsini in einem Gespräch mit Columbo, dass drei Frauen ideal seien, zwei aber unmöglich. da hätte er sich wohl überlegen sollen, dass nun auch zwei Frauen bei ihm sind.. Und tatsächlich entschlüpft ihm die Situation um die beiden, die sich immer mehr von ihm lösen und schlussendlich zusammen den Schritt wagen und ganz von ihm loszureissen. Auch schön umgesetzt ist hier, wie sich die beiden erst stärken können, als sie endlich die Zickerei lassen und dagegen aufeinander zugehen.

Ein wichtiges Element sind die gesprochenen Albträume. Geschickt, wie Columbo den Barsini hier an sich binden kann. Normal wäre dieser ja kaum fassbar, aber hier muss er fürchten, dass relevante Inhalte aufgezeichnet wurden, weshalb er unbedingt bei deren Abspielung dabei sein will und so sogar vorschlägt, Columbo auf Leinwand zu bringen. Die filmische Umsetzung der Albtraumpassagen ist vom feinsten. Schwarz-Weiss, tief dunkel mit Lichtpunkten gibt eine schaurige Atmosphäre, wo man tatsächlich etwas Gänsehaut kriegt. Hier fühlt man nicht nur eine Geschichte, sondern tatsächlich die Intensität eines Albtraums. Wunderbar auch, wie der posierende Columbo mit dem Barsini mit eingebunden sind und der Szenerie stumm folgen. Auch psychologisch gefällt mir das sehr. Erst sieht es ja etwas komisch aus.. In der Traumverarbeitung werden aber tatsächlich Geschehnisse, Personen etc. different projiziert. Mon oncle.. der für den Mann mit dem Monokel steht. Noch besser mit den Erd- und Blaubeeren, die für das untergrabene, verschlossene respektive das unverhüllte oberirdische stehen. Auch hier kann man ja sagen, dass Erdbeeren nun mal genau wie Blaubeeren an der Luft sind. Aber es geht um die Wörter.. Erd beeren und Blau beeren. Erde gleich unterirdisch verborgen und verschlossen. Blau wie Himmel für frei und klar. Da bin ich mir fast sicher, dass diese Phasen mit einem ausgewiesenen Experten ausgearbeitet wurden.
Die Deutung der Albträume führen dann zu Barsinis Verhaftung, da er gegen diese Tatsachen nichts mehr unternehmen kann. Hier ist höchstens merkwürdig, dass der Psychologe dies nicht erkennt, immerhin bei Traum drei geht doch recht stark auf ein Verbrechen in Vitos Bar hinaus.
Apropos Psychologe Sidney Hammer.. da kommt Columbo vorbei und der Herr Doktor fragt, ob er lieber auf der Couch oder im Sessel seine Geschichte erzählen möchte. Als Columbo sich von der Mordkommission erkenntlich macht, liegt sich lieber Dr. Hammer hin, und Columbo beginnt ihn wie ein Psychologe auszufragen.. das haben sie gut gemacht, meint Columbo am Schluss.. das ist Humor, den ich richtig mag.
Weiter kommt Hund vor, der aus Eifersucht zubeisst.. auch köstlich, wie Columbo das beschäftigt und der Psychologe auch in Tierfragen eine Antwort weiss.

Für mich ist dies eine der Besten aller Folgen. Sie will gefallen und tut dies auch und verdient sich ihre 5 Punkte von mir ohne grosse Einwände. :neig:
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Re: Bewertet: "Selbstbildnis eines Mörders"

Beitragvon Columbologe » Di, 13.11.2018 15:36


@smeagol Ich freue mich, endlich mal nur Lobendes über "Selbstbildnis eines Mörders" zu lesen, da diese Folge auch bei mir einen Ehrenplatz einnimmt. Eine kleine Verbesserung der umfangreichen Besprechung muss ich trotzdem vorschlagen: Du schreibst, als Zuschauer wähne man die Eifersucht als Grund für das Verbrechen und dass sich das echte Motiv erst später heraus kristallisiere. Das stimmt nicht ganz. Der Zuschauer erfährt schon in dem Dialog zwischen Max und Louise, dass die beiden ein dunkles Geheimnis hüten, an dem Max der Schuldige ist und dass Max befürchtet, der Psychologe könnte Louise das Geheimnis entlocken. Was genau die aus dem Gedächtnis fast schon verdrängte Schandtat ist, bleibt zu dem Zeitpunkt jedoch noch unklar.
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Re: Bewertet: "Selbstbildnis eines Mörders"

Beitragvon Columbologe » Fr, 18.03.2022 07:26


Mit "Selbstbildnis eines Mörders" begann vor 30 Jahren im Frühjahr mein Sammeln von Columbo-Folgen. Die schauerlichen Alptraumsequenzen erzeugen in dem Fall eine gemütliche Late-Night-Atmosphäre und die Traumdeuterei war es, die mich von den Spitzfindigkeiten dieses Inspektors so überzeugt hatte. Von Monokel auf "mon oncle" zu kommen, hat mich besonders nachhaltig begeistert, zumal die Tiefen der Traumwelt ja ein Fass ohne Boden sind, auf dessen Grund solche kognitiven Verknüpfungen durchaus möglich und "tiefenpsycho-logisch" sein könnten. In meiner ersten eigenen Schnittfassung hatte ich allerdings die zwei zusätzlichen Frauen von Max Barsini weggekürzt, weil mir die Längen vom Anfang nicht so gefallen hatten.

Eine Kleinigkeit noch - auf Deutsch sagt Columbo:
"Die Erdbeeren führen uns unter die Erde, unter die Oberfläche, und was bringen Menschen unter die Erde?"
Im Original ist das aber noch viel genialer: "bury" (= beerdigen) klingt vollkommen identisch mit "berry" (= Beere). Also stehen die Beeren stellvertretend für ein Begräbnis. So kommt Columbo im zweiten Traum darauf, dass Barsini eine Leiche im Keller hat. Darauf muss man als Autor erst mal kommen und dann muss es im Zusammenhang auch noch stimmen!
Mein gefeierter Lieblingssatz aus der an brillanten Dialogen üppig bestückten Premium-Folge: "Ein verrückter Kerl, unser Sidney. Wäre er Schuhverkäufer, würde er nur Schuhe einkaufen, die ihm passen." :D
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