Columbo: Der Tod heilt alle Wunden (Teil 2)

Wir möchten versuchen, eine Columbo-Episode in Roman bzw. Comic Form zu schaffen. Falls ihr Ideen für einen neuen Fall habt schreibt es hier.

Columbo: Der Tod heilt alle Wunden (Teil 2)

Beitragvon Columbologe » Mo, 14.07.2025 19:18


KAPITEL 6

Evelyn, Dr. Belfords hübsche junge Sprechstundenhilfe, drückte im Vorzimmer auf den Knopf und teilte ihm mit:
"Doktor, Ihr alter Bekannter Inspektor Columbo ist hier, raucht wieder Zigarre und möchte gerne unangemeldet zehn Minuten Ihrer Sprechstunde für sich beanspruchen."
Durch die Sprechanlage erschallte blechern die sonore Stimme des Doktors:
"Hört, hört! Will er sich bei mir entschuldigen für seine Verdächtigungen? Sein Fall ist schließlich gestern vor Gericht zu seinen Ungunsten abgeschlossen worden."
"Was er will, hat er nicht gesagt. Soll ich ihn fragen?"
"Nein, nein, Evelyn, er kann in fünf Minuten reinkommen. Aber sagen Sie ihm, er soll seine Zigarre gefälligst sofort löschen! Ich habe ihm schon mal gesagt, dass das hier nicht geduldet wird."
Columbo entfernte seine Zigarre beschämt aus seinem Mund, drückte sie in einem benutzten Taschentuch aus, steckte sich beides ein und meinte:
"In fünf Minuten? Es ist wirklich eilig! Kann ich nicht schon sofort reingehen? Ich habe auch sofort meine Zigarre ausgemacht, sehen Sie?"
Evelyn lächelte höflich und wünschte ihm viel Glück beim Eintreten ins Praxiszimmer.

Beide Arme ausstreckend, hieß Dr. Belford seinen alten Bekannten willkommen:
"Lange nicht mehr mit Ihnen geredet, Inspektor Columbo! Mein Leben fühlte sich richtiggehend leer an ohne Ihre andauernden kleinen, letzten Fragen."
"Aber gesehen haben wir uns gestern beim Prozess gegen Ihren Patienten Fabrice Holdstake."
"Setzen Sie sich, Columbo, gerne auch dort auf meinen weichen Sessel! Denken Sie jetzt immer noch, Holdstake hätte mich während seiner Rückführung in sein früheres Leben hinters Licht geführt und in vollem Bewusstsein meine Kollegin Madlyn tödlich verwundet und meine Branche für ein geniales Alibi ausgenutzt, ohne dass ich den Braten gerochen hätte?"
"Nachdem ich die ganzen Zeugen gehört habe, die glaubwürdig von ihren eigenen Rückführungen bei Ihnen berichtet haben, denke ich nun auch, dass es frühere Leben gibt, über die man unter Hypnose etwas erfahren kann, auch wenn es dafür keine wissenschaftlichen Beweise gibt."
"Sie wollen dafür Beweise?"
"Als Detektiv brauche ich für alles immer Beweise."
"Es gibt oftmals Spuren Ihrer Vorleben an Ihrem Körper. Leberflecken zum Beispiel haben Sie immer da, wo in einem früheren Leben eine tödliche Wunde war. Wenn ich Sie dann zurückführe, berichten Sie mir vielleicht die Situation, wie es zu dieser Verwundung kam. Wenn meine Partnerin Madlyn, Gott habe sie selig, wiedergeboren wird, wird sie auch an der Stelle, wo die Schere ihren Hals durchstach, ein solches Muttermal haben. Daran wird man sie erkennen können. Möchten Sie sich nicht selber mal einen Termin für eine Rückführung machen, Inspektor? Wenn Sie es selbst erlebt haben, brauchen Sie nicht mehr zu glauben, weil Sie dann aus empirischer Erfahrung über Wissen verfügen."
"Am Ende soll ich die Hypnose etwa noch bei Ihnen machen?", folgerte der Inspektor beunruhigt.
"Sie vertrauen mir doch, oder nicht? Sie sagten vorhin, meine Patienten hätten Sie vor Gericht von meinen Fähigkeiten überzeugen können. Ich würde es für Sie sogar zum halben Preis machen."
Columbo winkte ab.
"Vielleicht später mal. Dazu muss ich mich erst mit meiner Frau beraten, ob ich sowas machen will. Eventuell hat sie ja Lust darauf, etwas über ihre frühere Identität zu lernen. Jedenfalls maße ich mir nicht an, die Weisheit des hohen Gerichts in Zweifel zu ziehen und leugne nicht die Richtigkeit des Freispruchs. Der Staatsanwalt hatte heute einen tröstlichen Gedanken für mich: Falls es doch ein Justizirrtum war, weil womöglich Mr. Holdstake einen vorsätzlichen Mord begangen hat, dann hätte er jetzt trotzdem seine Strafe bekommen. Seine Seele hat nämlich wieder einen Körperwechsel vollzogen."
Vorgetäuschte Unklarheit machte sich auf Dr. Belfords Gesicht breit.
"Wovon reden Sie, Columbo? Sie verwirren mich."
Der Inspektor genoss es, die Situation darzustellen:
"Mr. Holdstake ist gestern Abend gegen elf von irgendeinem Lump erschlagen worden, in seinem Haus, und das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich wollte Sie darüber in Kenntnis setzen. Ich nehme an, Sie wussten das noch nicht, denn woher auch? Was sagen Sie dazu, Doktor?"
Belford stand scheinbar aufgewühlt aus dem Stuhl hinter seinem Praxistisch auf, setzte sich wieder darauf und griff sich an den Kopf.
"Das ist eine Nachricht, bei der ich aus allen Wolken falle. Das habe ich nicht als nächsten Schritt auf seinem Lebensweg kommen sehen. Sie sagen, Fabrice wurde erschlagen? Absichtlich getötet oder versehentlich oder durch ein Unglück?"
Columbo musterte aufmerksam jede Bewegung des Doktors und sprach langsam und bestimmt:
"Die Schädelbasis wurde gebrochen. Das ist eine ungewöhnliche Stelle, bei der in einem Handgemenge selten hingeschlagen wird. Allerdings... ein Mediziner würde wissen, dass man dorthin schlagen müsste, wollte man einen Hieb vollziehen, der tödlich endet."
Dr. Belford stand wieder auf und blieb diesmal stehen.
"Ein Mediziner? Ich bin Mediziner."
Columbo schaute respektvoll zu dem hochgewachsenen Herrn auf.
"Es verhält sich nicht etwa so, dass ich das nicht wüsste, Sir."
"Also wollten Sie gerade andeuten, dass ich eine plausible Antwort auf Ihre Wer-war-der-Killer-Frage wäre. Aber ich war gestern Abend nicht in seinem Haus."
Columbo griff nach seinem Notizblock.
"Sondern wo?"
"Ich bin ein Mann, der im Normalfall ständig von Menschen umgeben ist, aber um elf abends schlafe ich, und weil ich in Scheidung lebe, schlafe ich alleine. Der Todeszeitpunkt ärgert mich. Hätte Fabrice nicht früher am Tag getötet werden können? Dann hätte ich garantiert ein Alibi gehabt."
"Halb so schlimm, Dr. Belford. Alles was Ihnen fehlt ist ein Alibi. Ich selbst habe auch oft kein Alibi für eine späte Tageszeit, weil ich oft unbeobachtet bis in die Nacht in meinem Büro Berichte schreiben muss. Da sitzen wir also im selben Boot. Überhaupt könnte man debattieren, ein wie schlimmes Delikt vorsätzlicher Mord denn ist, wenn das Seelenleben endlos ist."
Belford war erfreut über diese Äußerung.
"Da stimme ich Ihnen hundertprozentig zu, mein lieber Columbo. Unsere Erdengänge verteilen sich unvermeidbar über Tausende von Inkarnationen. Jeder Einzeltod kann ein willkommenes Ausreiseticket aus einer minderwertigen Biographie sein. Ich sage immer: Nicht die Zeit heilt die Wunden des Lebens, sondern der Tod. Der Tod macht uns alle gleichwertig, die Armen und die Reichen, und der Tod heilt alles Elend auf einen Schlag. So gesehen kann man den Sensenmann auch als Freund betrachten, der einen zu neuen Ufern führt."
"Aber wenn das spirituelle Gerücht stimmt, dass jeder Mensch einen freien Willen hat, dann müsste man die Bewertung, ob eine Biographie vollwertig oder minderwertig ist, jedem Einzelnen überlassen. Ob Mr. Holdstake gerne aus seinem Körper ausgereist ist, das können wir seine Seele nicht mehr fragen."
"Jaja, Inspektor, dazu ist der Zeitpunkt verpasst. Alle Wege führen früher oder später in den Mundtod."
"Und manche führen einen Detektiv zu einem Mörder. Den muss ich trotzdem ermitteln, selbst wenn Mr. Holdstake seine Inkarnation nicht fortsetzen wollte."
"Ja, Columbo, ich unterstütze diese völlig richtige und vernünftige Vorgehensweise."
Er streckte wie zum Abschied die Hand aus.
"Danke, dass Sie hergekommen sind und mir diese unerfreuIiche Nachricht mündlich überbracht haben."
"Das musste ich doch, Dr. Belford. Ich wollte sehen, wie Sie reagieren."
"Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann...? Immerhin kannte ich Fabrice und sein Leben durch seine Sitzungen bei mir von ganz tief drinnen."
"Das glaube ich sofort. Dann werde ich jetzt mal gehen."
Die beiden schüttelten sich die rechte Hand. Die linke Hand erhob sich, als Columbo auf dem Weg zur Tür war. Er drehte sich um.
"Ach, das wollte ich Sie aber schon noch gefragt haben, Doktor: Wer könnte ein Motiv für den Mord gehabt haben? Fällt Ihnen jemand ein?"
"Fühlen Sie doch mal den Hinterbliebenen meiner Kollegin Madlyn Thornedge auf die Zähne! Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass jeder von denen Anlass für Selbstjustiz gesehen haben könnte, nachdem der Mann freigesprochen wurde, durch dessen Hand Madlyn zu Tode kam."
"Selbstjustiz - das hat Richter DiCenzo auch schon gemutmaßt. Ich muss gestehen, mit der Idee tue ich mich schwer."
"Warum?"
"Das würde doch bedeuten, Mr. Holdstake hätte sich nach abgeschlossenem und sogar gewonnenem Prozess mit einem seiner Widersacher von der Gegenseite zu einer bedenklich späten Stunde zur Aussprache verabreden müssen. Weshalb sollte er zu so etwas Ja sagen? Abgesehen davon sah ich ihn gestern den Gerichtssaal verlassen, ohne dass ihn irgendwer von seinen Gegnern angesprochen hätte. Nur sein Anwalt war bei ihm. Und danach gratulierten Sie ihm noch, das habe ich gesehen. Dann gingen Sie gemeinsam weg und ich blieb da."
"Aber es muss doch keine Verabredung gewesen sein. Der Täter oder die Täterin kann unangemeldet an der Haustür geklingelt haben, so wie Sie jetzt unangemeldet meinen Terminplan durcheinander wirbeln. Sie werden jetzt wieder gehen müssen, fürchte ich. Dann können Sie auch draußen wieder Ihre Zigarre rauchen."
Columbo ließ sich noch nicht abwimmeln.
"Für einen Überraschungsbesuch seines Mörders war mir Mr. Holdstake zu vornehm angekleidet. Um elf Uhr abends trägt man private Klamotten oder schon einen Nachtpyjama, es sei denn, man erwartet noch geschäftlichen Besuch. Also muss Mr. Holdstake irgendwen so spät noch erwartet haben."
Die Sprechanlage auf dem Tisch summte.
"Verzeihung, meine Sprechstundenhilfe... Ich denke, Ihre Zeit ist nun wirklich abgelaufen. Ja, Evelyn?"
"Doktor, jetzt stehen nochmal zwei Polizeibeamte vor mir. Die wollen auch dringend mit Ihnen reden."
"Wenn es mal regnet, dann auch immer gleich in Strömen!", kommentierte Columbo. Der Doktor sah seinen Terminplan zusammenfallen und forderte Evelyn ungehalten auf:
"Rein mit ihnen!"
Die Tür ging auf und zwei Beamte traten ein.
"Jetzt füllt sich Ihre Praxis aber mal so wie noch nie zuvor, Doktor", witzelte Columbo. Gereizt entgegnete Dr. Belford:
"Ihre Wortwahl passt mir nicht. Als wäre ich nicht für die nächsten drei Monate schon jetzt ausgebucht!"
"Soll ich rausgehen und meinen Kollegen Platz machen?"
"Jetzt können Sie auch ruhig noch bleiben, Columbo! Ich komme ja eh nicht zu meinem nächsten Patienten. Sie gehen dann gleich alle gemeinsam weg. Wie sind Ihre Namen, die Herren?"
Sergeant Bickfield und Officer Rodriguez stellten sich vor.
"Hüter des Gesetzes, ich habe wenig Zeit. Worum geht es Ihnen? Scheuen Sie sich nicht vor direkten Fragen!"
Sgt. Bickfield ergriff das Wort:
"Dr. Belford, ist es wahr, dass Sie gestern Nachmittag beim Münzhändler Kingsley im Laden waren und Ihr Interesse an antiken Münzen aus Rom bekundet haben?"
"Ihre Information ist korrekt. Ich bin ein Liebhaber historischer Schätze. Es hat mit meinem Beruf zu tun. Ich habe ein Faible für die Vergangenheit und für frühere Leben. Wir sind alle schon damals zur Zeit der Antike auf dieser Erdplatte herumgetappt, auch wenn wir uns daran nicht erinnern können."
Columbo meldete sich wieder zu Wort:
"Werden eigentlich nach meinem Tod all meine Sünden durch ein höheres Gericht annuliert, Doktor?"
"Es gibt keine Sünden, Inspektor, es gibt nur das Gesetz der bedingungslosen Freiheit. Wenn Sie die natürliche Ordnung missachten, wird es eine schmerzhafte Erfahrung für Sie, wenn die Ordnung entgegen Ihrer Missachtung wiederhergestellt wird."
"Entschuldigen Sie den Themenwechsel, Doktor Belford", unterbrach Sergeant Bickfield den philosophischen Exkurs, "aber gestern Abend wurde in dem Münzgeschäft eingebrochen und es wurden genau diese und einzig diese Münzen gestohlen, die Mr. Kingsley Ihnen zur Ansicht gegeben hatte. Er sagt aus, zum Kaufen seien sie Ihnen zu teuer gewesen. Wir müssen Sie deshalb nach Ihrem Alibi fragen."
"Alibi ist ein lateinisches Wort, wussten Sie das, junger Mann? Es bedeutet anderswo. Ich mag den Ausdruck anderswo, und ich kann Ihnen versichern, dass ich anderswo war, als diese Münzen entwendet wurden."
"Und wo genau bitte?"
"Über welche Uhrzeit reden wir?"
"Der Raub ereignete sich kurz nach 11 P.M., das weiß man sehr genau, weil die Alarmanlage losging."
Der Doktor schlug energisch auf sein Schreibpult.
"Schon wieder elf Uhr, verflixt und zugenäht! Normalerweise habe ich immer irgendwen, der bezeugen kann, wo ich wann gewesen bin! Aber für so eine späte Uhrzeit, wo ich daheim sein muss, um meinen täglichen Nachtschlaf zu nehmen, habe ich seit meiner Scheidung kein Alibi mehr. Wie kann ich Ihnen sonst noch meine Unschuld beweisen? Es muss einen anderen Weg geben."
Officer Rodriguez hatte eine Idee:
"Der Dieb parkte seinen Wagen hinter dem Geschäft auf dem Rasen. Wir haben die Spuren und das Reifenprofil."
Belfords Gesicht erhellte sich.
"Das ist gut! Sehr gute Arbeit, die Herren! Man kann also noch Respekt vor den Diensten der Polizei haben. Mein Auto steht unten in der Tiefgarage. Gehen wir runter! Nehmen Sie mein Reifenprofil, dann wissen Sie, dass mein Mustang nicht am Tatort war!"
Gesagt, getan. Beim Verlassen der Etage erklärte Dr. Belford noch rasch der hübschen Evelyn, weshalb der nächste Patient seinen lang ersehnten Termin verschieben musste.
Man ging die Treppe herunter in die Tiefgarage. Dr. Belford zeigte, in welchem Wagen er hergefahren war, die Sergeants riefen Laborfachleute herbei, diese kamen kurz darauf und gingen mit ihren Utensilien zu Werke. Columbo schaute ihnen interessiert bei der Profilabnahme zu, nervte sie mit Zwischenfragen und bestaunte Dr. Belfords gelben Ford Mustang. Columbo fragte auch, ob er seine zuvor gelöschte Zigarre hier draußen nun weiterrauchen dürfe.
"Nein, nie in meiner Gegenwart!", verlangte Dr. Belford. Eine Dreiviertelstunde später stand für Sgt. Bickfield das Ergebnis fest.
"Die Reifenprofile stimmen nicht überein. Das dachte ich mir auch gleich, weil die Farbe Ihres Fords nicht zu Mr. Kingsleys Wagenbeschreibung passt."
Erzürnt resümierte Dr. Belford:
"Dann hätten Sie sich also die Zeit und Mühe sparen können und ich hätte meine Patienten nicht auf später vertrösten müssen."
Columbo hatte einen Einwand:
"Doktor, Sie besitzen doch bestimmt noch einen Zweitwagen aus der Zeit vor Ihrer Scheidung?"
"Warum sollte mir dieser schicke Schlitten nicht genügen?"
"Weil er ein Cabrio ist und kein Verdeck hat. Ein stilvoll gekleideter Gentleman wie Sie würde nicht bei Regen in so einem offenen Sommergefährt sitzen wollen."
"It never rains in Southern California", warf Officer Rodriguez ein, der aus Mexico stammte.
"Oder bei Kälte. Kalt wird es jeden Winter", ergänzte Columbo. Innerlich hochzufrieden über den Verlauf des Vormittags, ließ sich Dr. Belford sein Befinden nicht anmerken und agierte niedergeschlagen:
"Also gut, Inspektor, Sie brauchen nicht die Kraftfahrzeugbeamten zu behelligen; ich gestehe es freiwillig: Daheim in der Garage steht noch ein roter Mercedes mit Verdeck."
"Aha!", wandte sich Columbo an die Kollegen und er betonte das Aha so, als wollte er ihnen vorwerfen: Da hättet ihr auch selber drauf kommen können! Dr. Belford bot ihnen kooperativ an:
"Wollen Sie von dem Mercedes auch das Reifenprofil sehen und mir als die wahren Diebe in dieser Angelegenheit noch mehr Zeit meines Arbeitstages stehlen?"
Sergeant Bickfield ließ sich nicht abschütteln.
"Nachdem Sie den Mercedes zuerst verheimlichen wollten, müssen wir das unbedingt."
"Ich wollte ihn nur aus Zeitdruck verheimlichen. Meine Patienten!"

Eine weitere halbe Stunde später - die Expertenmannschaft war inzwischen umgezogen auf Dr. Ian Belfords privates Anwesen - stand das nächste Ergebnis fest:
"Tja, Doktor, Ihr Mercedes passt nicht nur farblich und vom Typ her haargenau zur Beschreibung, die uns der Bestohlene gab - es stimmen diesmal auch die Reifenprofile überein."
Verdutzt bekam Sgt. Bickfield zur Antwort:
"Da kann ich ja nur hier stehen und lachen!"
Aber Dr. Belford lachte nicht. Er rechtfertigte sich bloß:
"Vielleicht besitzt der wahre Dieb zufällig auch so ein Auto wie ich."
"Hier gerät eine Lawine ins Rollen, die Sie nicht mehr stoppen können, Doktor", kommentierte Officer Rodriguez und Sergeant Bickfield entschied:
"Wir müssten Sie dann mal kurz mit zur Wache nehmen. Auch müssen wir Ihre Finger mit Tinte besudeln, weil es unidentifizierte Fingerabdrücke auf der Innenseite eines leeren Münzetuis gibt."
Columbo war nicht um eine Anweisung verlegen:
"Fahrt ihr Dr. Belford mal ins Präsidium, Jungs! Ich werde euch unterdessen, kollegial wie ich bin, einen Laufmarsch abnehmen und den armen Münzhändler über eure Ermittlungsfortschritte unterrichten gehen."
"Finde ich korrekt!", freute sich Sgt. Bickfield.
"Ich denke, Sie arbeiten hier an dem Mordfall Fabrice Holdstake?", wunderte sich der Doktor.
"Wie lautet Kingsleys Adresse?", blieb Columbo unbeirrt.

KAPITEL 7

Inspektor Columbo stellte sich dem Inhaber des Coin Shops, Kenneth Kingsley, vor und berichtete ihm vom Verlauf des Vormittags. Er war froh, draußen vor dem Geschäft endlich seine Zigarre weiterrauchen zu dürfen. Mr. Kingsley beantwortete jede Frage des sympathischen Polizisten im Regenmantel gern.
"Freilich freut es mich, dass mein geäußerter Verdacht die Polizei so schnell auf die richtige Spur geführt hat. Dann wird doch hoffentlich eine Hausdurchsuchung angeordnet, damit ich meine Münzen zurückerhalten kann. Oder werden die dann als Beweismittel beschlagnahmt und einbehalten?"
Zigarrenrauch stieg über Columbos Denkerstirn empor.
"Vorübergehend bestimmt, aber nicht dauerhaft. Erfüllt diese Leiter zwischen uns irgendeinen Zweck?"
"Die Forensiker haben die Leiter zwar schon untersucht und es sind auch Fingerabdrücke drauf, aber ich lasse die Leiter noch stehen in der Hoffnung, der Dieb möge sie sich zurückholen und dabei von mir erwischt werden."
"Mister Kingsley, halten Sie Ihren eigenen Hauptverdächtigen für so dämlich?"
"Eher nicht. Von seiner Beute kann er sich ein Dutzend neue Leitern kaufen."
"Wozu brauchte er überhaupt die eine Leiter? Um das Stromkabel zur Alarmglocke durchzuschneiden?"
Der Münzhändler hatte sich darüber schon seine Gedanken gemacht:
"Das war wohl der Plan, allein die Umsetzung gelang nicht. Der Alarm weckte mich nämlich dennoch. Als Räuber ist der Herr Doktor ein Amateur."
"Halten Sie bitte mal fest, Sir?", bat Columbo.
"Ihre Zigarre? Nein, bedaure."
"Ich meine die Leiter, damit sie nicht verrutscht, während ich hochsteige? Ich möchte mir ansehen, was der Räuber an der Alarmsirene für einen Murks fabriziert hat."
"Ach so. Selbstverständlich."
Kingsley hielt mit beiden Händen die Leiter fest und Columbo erklomm Sprosse für Sprosse die für ihn schon schwindelerregende Höhe von acht Fuß. Mit jedem Schritt wurde ihm die Aussicht unbehaglicher.
"Puh... mir perlt bestimmt schon der Angstschweiß auf der Stirn, oder? Ich hasse die Höhe."
"Sie schlagen sich aber wacker. Können Sie was an der Alarmanlage erkennen?"
Columbo beugte sich über die Apparatur und inspizierte sie.
"Ja, mein fachmännisches Auge kommt zu der Einsicht, dass mit diesem Einbau jenes Kabel überbrückt und der Stromkreis dadurch unterbrochen wurde. So war es dem Räuber möglich, ungestört seine Beute zu suchen und zu klauen."
"Und wie konnte der Alarm dann losgehen?"
"Vorgefunden habe ich den Einbau in einem Zustand, der den unterbrochenen Stromkreis wieder schließt. Von alleine kann sich die Schaltstelle aber nicht umstellen. Also wollte der Dieb nach der Tat den Einbau wieder ausbauen, damit der Kerl für seinen nächsten Coup wieder ein Überbrückungskabel zur Hand hat." "Ich verstehe, Herr Inspektor. Und dabei unterlief ihm das Missgeschick, den Alarm versehentlich doch noch auszulösen. Er ergriff die Flucht und musste die Leiter in der Eile zurücklassen."
"Möglich."
Columbo kletterte die Sprossen erleichtert wieder herab und warf seinen Zigarrenstummel in den Müllkübel vor dem Geschäft.
"Sagen Sie, Mr. Kingsley, wie viele Münzen wurden Ihnen gestohlen?"
"Acht antike römische Denarii."
"Finden Sie nicht auch, dass das ein bescheidener Räuber sein muss, wenn er alle übrigen Schätze Ihres Ladens gnädig außer acht lässt?"
"Habe ich auch schon drüber nachgedacht. Es muss die Tat eines Sammlers gewesen sein, der die Beute behalten will, nicht die Tat eines Profis, der alle Münzen zu Bargeld machen will. Wenn es der Doktor war, dachte er sich vielleicht, falls man ihm auf die Schliche kommt, bleibt das Ausmaß seiner Strafe überschaubar, wenn er nicht meinen gesamten Coin Shop leerräumt."
"Aber wenn der Räuber Denarii sammelt, wird er schon einige andere Exemplare besitzen. Wenn die gestohlenen Münzen dann dazwischen sind, kann er leicht behaupten, die hätte er alle woanders gekauft. Wie wollen Sie dann beweisen, dass sie aus Ihrem Bestand stammen?"
Kingsley lächelte stolz.
"Sie sind ein Inspektor mit scharfem Verstand. Aber dieses Szenario wäre zum Glück kein Problem. Seit mir einmal ein Kunde falsche Münzen zurückgegeben hat, habe ich mir eine Sicherheitsmaßnahme einfallen lassen: Meine wertvollsten Münzen bestreiche ich mit einer Flüssigkeit, die beim Antrocknen unsichtbar wird. Die Flecken sind nur unter einer Schwarzlichtlampe erkennbar."
Der Inspektor erhob beeindruckt seine buschigen schwarzen Augenbrauen.
"Oh, Sir, das war höchst raffiniert von Ihnen und wird uns enorm helfen, sollten wir jemals die Beute finden."
"Ich bitte darum, dass Sie in jedem Fall die Beute finden. Versagen sollte keine Option für Sie sein."
"Aber wenn der Gegner zu schlau ist, bin ich manchmal zum Versagen gezwungen. Ich war mir beispielsweise so sicher in meinem letzten Fall, dass meine lückenlose Indizienkette den Staatsanwalt und die Geschworenen überzeugen würde, aber nein - Freispruch für meinen Hauptverdächtigen. Solche Rückschläge muss man manchmal hinnehmen. Bevor ich mich verabschiede, zeigen Sie mir noch eben, wo das Fluchtauto geparkt hat?"
Die Männer gingen an die Stelle, wo Derec Sloan am Vorabend eingestiegen und weggeflitzt war.
"Ich sah den roten Mercedes von hier davonfahren."
Columbo prüfte mit skeptischen Blicken die Umgebung.
"Ideal für eine schnelle Flucht ist so eine matschige Wiese ja nicht."
"Amateur halt..."
"Aber dafür ist es der ideale Standort, um von Ihrem Schlafzimmerfenster aus gesehen zu werden. Mister Kingsley, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Mithilfe und verspreche Ihnen, dass Sie Ihre Denarii zurückbekommen werden. Die Frage ist nur wann."
"Ich halte Sie für kompetent, Inspektor Columbo. Beehren Sie mich wieder!"


KAPITEL 8

Sergeant Higgins und Inspektor Columbo befanden sich am späten Nachmittag im Haus von Fabrice Holdstake und suchten in dessen Unterlagen nach weiteren Hinweisen auf eventuelle Feinde von ihm. Der junge Beamte bestand darauf, während Columbo sich sicher war, den Mörder bereits gefunden zu haben. Sgt. Higgins aber wusste besser, welcher Schritt der nächste logische war:
"Ich würde jetzt gerne Sergeant Bickfield anrufen. Wenn Ihr Verdächtiger Dr. Belford der Münzdieb ist, kann er nämlich nach Adam Riese, diesem Mathegenie, das noch viel älter ist als Sie, nicht unser Mann für den gleichzeitigen Mord an Fabrice Holdstake sein."
Columbo kratzte sich unzufrieden am Kopf und zog sich den Mantel aus. Er hängte ihn auf einen Kleiderständer und grübelte:
"Ist aber schon arg verdächtig: Zwei Delikte zur selben Zeit und beide Geschädigten haben erst gestern mit Dr. Belford Auge in Auge gesprochen. An wie viel Zufall soll ich glauben?"
"War es denn nicht immer so in Ihren wie vielen Jahrhunderten bei der Truppe, dass in unserem Job irrelevant ist, wie glaubwürdig eine Faktenlage erscheinen mag, weil die Geschworenenjury nur kümmert, was sich knallhart beweisen lässt?"
Columbo sprach sich aus:
"Ich denke, Sie hacken ein bisschen viel auf meinem Alter herum, junger Mann. Ein wenig mehr Respekt vor der Dauer meiner Zugehörigkeit zum L.A. Police Department würde Sie mir nur noch sympathischer machen, Sergeant Higgins."
Der Sergeant blieb seiner Linie treu:
"Ich glaube aber wirklich, dass Sie sich bei Dr. Belford verrannt haben wegen Ihrer Niederlage im vorherigen Fall. Die versuchen Sie verbissen irgendwie zu reparieren. Bitte tun Sie mir den Gefallen und rufen Sie jetzt Sergeant Bickfield an!"
Columbo erfüllte seinem jungen Mitarbeiter diesen Wunsch. Er sprach ins Telefon und wiederholte laut alles, was er zur Antwort bekam. Higgins lauschte dem Monolog.
"Warum ich jeden Satz wiederhole, den Sie zu mir sprechen, Bickfield? Weil dieses Telefon keine Lautsprechertaste hat und weil mein Sergeant so neugierig ist, was Sie zu sagen haben. Also der Matsch am Mercedesreifen ist laut Laborbefund identisch mit dem Matsch auf der Wiese hinter dem Münzshop. Hat mein Sergeant gehört! Bitte weiter, Bickfield! ... Aha, die Fingerabdrücke auf der Innenseite des leeren Münzetuis stammen von Dr. Belfords Fingern, aber der behauptet, die kämen daher, dass Mr. Kingsley ihm das Etui gestern kurz zum Anstarren ausgehändigt hat. Weiter! ... Aha, Sie haben den Mercedes beschlagnahmt für weitere Spurensicherung. Fanden Sie auch Fingerabdrücke an der aufgeschraubten Alarmanlage? Nicht? Oder an dem Griff des aufgeritzten Fensters, durch das der Räuber eingestiegen sein muss? Auch nicht? Warum waren denn da keine? ... Aha, Handschuhe denken Sie, Bickfield. Aber dann hätte Belford seine Fingerabdrücke doch auch nicht in dem leeren Etui hinterlassen, woraus Sie ihm einen Strick drehen wollen. ... Aha, Sie haben jetzt einen Hausdurchsuchungsbefehl. Wann soll die stattfinden? Ich könnte Ihnen Sergeant Higgins schicken. Er wird Ihnen sicher gerne beim Suchen helfen. Ach, in zehn Minuten schon. Das wird zu knapp, dann bleibt Higgins hier bei mir. Es wird genügen, Sie in einer Stunde wieder anzurufen und das Ergebnis zu erfragen, Bickfield. Ich werde Higgins solange in eine Essenspause schicken. Bis dann."

Eine Stunde später kam Sgt. Higgins gesättigt aus seiner Pause zurück und fand Columbo erneut am Telefon sprechend vor:
"Aha, Sie haben alle acht geraubten Denarii bei Dr. Belford gefunden! Gratuliere, Bickfield, wo hatte er sie denn versteckt? Aha, im Wandtresor bei den anderen Münzsammlungen. Und was sagt er dazu?"
"Sehen Sie, ich wusste es!", freute sich Higgins über den Erfolg. Columbo antwortete ihm nicht. Er sprach weiter ins Telefon:
"Aha, Dr. Belford hat zuerst behauptet, die Denarii gehörten ihm seit Jahren und er habe sie anonym gekauft und habe die Rechnungen nicht mehr, um es zu beweisen. Aber dann haben Sie meinen Rat mit der Schwarzlichtlampe befolgt. Als Sie Mr. Kingsleys unsichtbare Flüssigkeit sichtbar gemacht haben, hat Belford den gestrigen Diebstahl zugegeben, ahaaa! Dann droht ihm also jetzt ein Strafverfahren."
Higgins klatschte in die Hände.
"Sehen Sie, Columbo, Sie haben mit Dr. Belford viel Zeit vergeudet. Wir sollten jetzt den Rat des Staatsanwalts beherzigen und die Familie von Madlyn Thornedge aufsuchen, aus der jemand so wütend auf den gestrigen Freispruch war, dass er seine eigene Verurteilung in die Hand genommen hat."
"Sie kennen Dr. Belford nicht so gut wie ich, Sergeant. Der Mann wäre nicht so töricht, sein Diebesgut genau da, wo man zuerst danach suchen würde, nämlich im Wandsafe zu verstecken. Er wäre auch nicht der Typ Dummkopf, der sein Räuberauto demonstrativ vor dem Fenster seines Raubopfers parken würde, wo es am ehesten vom Opfer erblickt werden kann. Und er würde nie im Leben versäumen, beim Entwenden der Münzen aus dem Etui Handschuhe zu tragen."
"Columbo... verzeihen Sie, dass ich als junger Polizist einem uralten Dinosaurier seinen Job zu erklären versuche..."
"Schon wieder!", unterbrach ein provozierter Columbo den Sergeant, "Sie können einfach nicht ertragen, dass ich im Jahr 2025 auf eine ungewöhnlich lange Erfolgsserie beim Morddezernat zurückblicken kann! Sie sind auf meine Vergangenheit neidisch, ich kann es mir nicht anders erklären."
"Columbo, Sie haben eine Beweislast, die Dr. Belford als Münzdieb so sehr erdrückt, dass er den Raub sogar selber zugegeben hat. Und dennoch denken Sie, er war nicht der Räuber? Was zum Teufel wollen Sie denn noch?"
"Ich will mindestens eine Stunde Abstand zwischen unserem Mord und dem Münzraub."
Damit zog sich Columbo seinen Mantel über und verließ alleine das Mordhaus.

KAPITEL 9

An diesem Abend spielte Dr. Belford in seinem Anwesen vor Columbo den reuigen Büßer. Er saß auf seiner Couch, ihm gegenüber in einem Sessel saß Columbo und durfte wieder nicht rauchen.
"Ja, Inspektor, war dumm von mir. Ich schätze, ich hätte damit rechnen müssen, dass man mir auf die Schliche kommt; schließlich fehlt mir im Kriminellenmilieu jede Erfahrung."
"Warum haben Sie keinen Profi angeheuert, der für Sie die Drecksarbeit erledigt?"
"Ich kenne keinen. Wie bitteschön hätte ich einen Profi finden sollen? Ein Zeitungsinserat schalten?"
"Warum haben Sie die Münzen nicht regulär kaufen wollen, als Mister Kingsley sie Ihnen gezeigt hat?"
"In einer gerechten Welt würden mir die Denarii zustehen, weil ich vor Jahren schon welche gekauft hatte. Wie ich heute weiß, hatte mir der damalige Verkäufer jedoch Fälschungen angedreht. Als ich dahinterkam und ihn zur Rede stellen wollte, war der betrügerische Händler längst über alle Berge und ließ mich auf den Fälschungen sitzen. Da wollte ich meinen Schaden an einen anderen, unschuldigen Händler weiterreichen, um für mein Geld das zu bekommen, wofür ich bezahlt hatte. Ich weiß, das ist nicht die feine Art, aber die primäre Schuld sehe ich bei dem betrügerischen Händler von damals. Das erfreuliche Juryurteil gestern vor Gericht gab mir dann so viel emotionalen Auftrieb, da fühlte ich mich dazu ermutigt, es nun zu versuchen."
Columbo nickte.
"Ich verstehe. Ich heiße Ihr Handeln nicht gut, aber ich verstehe Ihre Motive."
Das freute den sündigen Doktor.
"Danke, Columbo. Haben Sie heute die Alibis der möglichen Verantwortlichen für Mister Holdstakes Ermordung überprüft?"
Columbo blöffte, ohne dass man es ihm anmerken konnte:
"Selbstredend, Doktor! Stunden habe ich damit verbracht und jeder ist auf seine Weise verdächtig, auch die, die sich gegenseitig Alibis geben. Die sind es genau darum ganz besonders. Wie geht jetzt, da Sie ein überführter Dieb sind, Ihr Alltagsleben weiter? Wie gehabt oder mit auferlegten Einschränkungen?"
Der Doktor stand auf und machte sich einen Tee.
"Da ich bei der heutigen Anhörung vollumfänglich geständig und einsichtig war, einigte sich der Staatsanwalt mit mir darauf, dass ich alle anfallenden Kosten in dieser Angelegenheit trage, Schadensersatz zahle und als vorbestraft gelistet werde."
"Mancher Patient könnte Wind von Ihrer Straftat bekommen und das Vertrauen in Sie verlieren."
"Hoffen wir, dass das nicht passiert. Möchten Sie auch eine Tasse Tee, Inspektor?"
"Da sage ich nicht Nein. Danke. Sollten spontan einige Ihrer Termine abgesagt werden, könnten Sie dann eventuell meine Frau und mich kurzfristig einschieben? So eine gemeinsame Rückführung zu unseren früheren Erdengängen würde Mrs. Columbo überaus reizen. Ich diskutierte mit ihr vorhin in der Mittagspause am Telefon darüber."
Selbstzufrieden setzte sich der Doktor auf seine Couch und trank von seinem Tee.
"Aha? Sie leiden also nicht unter verlustig gegangenem Vertrauen in meine Person, Inspektor?"
"Nur bedingt. Meiner Frau zuliebe würde ich einer solchen Sitzung beiwohnen wollen, zumal Sie es für mich doch billiger machen wollten als üblich. Da müssen wir es dann schon bei Ihnen tun."
Columbo trank in Ruhe seinen Tee und verabschiedete sich von Dr. Belford wie von seinem eigenen vertrauten Hausarzt.

KAPITEL 10

Zwei Tage danach - Derec Sloan war schon beim Kofferpacken, um in Kürze nach Tihuana/Mexico überzusiedeln - erhielt Dr. Belfords Komplize überraschenden Besuch an der Wohnungstür. Ein kleiner Mann in einem beigen Mantel, etwa so groß wie er selbst, stand verloren im Treppenhaus.
"Sie wünschen?"
"Mein Name ist Columbo, ich bin von der Polizei. Sie sind Derec Sloan? Ich habe eine Frage an Sie, würden Sie mir die wohl beantworten?"
"Wenn ich muss..."
"Kennen Sie einen Doktor Ian Belford?"
Zögerlich kam die Wahrheit als Antwort:
"Ich war schon mal bei ihm in psychotherapeutischer Behandlung. Ich kann nur Lobendes über ihn sagen. Er hat mir geholfen, meine Alltagsalpträume besser zu bewältigen. Hat er Schwierigkeiten mit den Behörden?"

Einen weiteren Tag später wurde Columbo im Büro angerufen. Sergeant Higgins am Nebentisch bekam wieder einen Dialog mit, der sich am Telefon wie ein Monolog anhörte:
"Ist es wahr, Doktor Belford? Sie haben heute Nachmittag tatsächlich zwei spontane Freistunden und laden mich und Mrs. Columbo zu Ihrer Trancesitzung ein? Da wird meine Frau sich aber freuen. Ich hoffe nur, sie hat so kurzfristig auch selber Zeit. Ich teile es ihr umgehend mit und wenn sie sich freimachen kann, kommen wir Punkt 2 P.M. in Ihre Praxis. Bis nachher dann und vielen Dank!"
Er legte auf.
"Nach drei Tagen sind Sie immer noch an Doktor Belford dran, Columbo? Alte Besen kehren langsam", spottete Higgins. Columbo kommentierte das nicht, verließ das Department, stieg in seinen rostigen Peugeot und fuhr an.

KAPITEL 11

Inspektor Columbo gab an, er hätte seine Frau nicht von jetzt auf gleich von ihren sozialen Verpflichtungen entbunden gekriegt, als er Dr. Belfords Sprechzimmer alleine betrat. Er versicherte ihm, wie leid es Mrs. Columbo täte und dass sie es bei Gelegenheit nachholen wollte. Außerdem habe sie darauf bestanden, dass ihr Mann sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und sich schon mal einzeln rückführen lassen möge. In der Mitte des Praxisraums standen ein gepolsterter Sessel und eine bequeme Liege. Der Premiumplatz war die Liege und der war für den Patienten reserviert. Columbo nahm ihn sich und zog seinen Mantel aus. Dann legte Columbo die Beine lang und machte es sich gemütlich. Doktor Belford schob seinen Sessel so nah wie möglich an die Liege heran.
"Dann wollen wir uns mal auf die Odysee des Scheiterns begeben!", unkte Columbo. Dr. Belford sprach seinem neuen Patienten Mut zu:
"Es gibt keinen Grund, warum es bei Ihnen nicht gelingen sollte, Inspektor. Auch Sie haben eine lange Linie von Vorleben absolviert."
"Könnten Sie bitte etwas mehr Abstand halten, Doktor? Ich fühle mich unwohl, wenn man mir zu nah auf die Pelle rückt."
"Für die Aurakopplung muss ich so nah wie es geht bei Ihnen sitzen. Meine Rückführungen funktionieren auf die Art, dass die Aura des Laien sich an die Aura des erfahrenen Rückführers ankoppelt wie ein Anhänger an ein Auto und dann von mir überall hingeführt werden kann, wo sie von selbst nicht hinfinden würde."
"Verstehe, und weil die Aura nicht meterweit in den Raum strahlt, müssen Sie für die Ankopplung nah an mir dran sitzen."
"Um leichter Kontakt aufbauen zu können, werde ich Sie gleich mit Ihrem Vornamen und mit du ansprechen, denn die Seele kennt das funktionale Sie nicht. Nach der Rückführung kannst du dann wieder Sir und Dr. Belford zu mir sagen, aber während der Hypnose bin ich für dich der Ian. Wie ist dein Vorname?"
"Nenn mich Inspektor, Ian! Kommt es manchmal vor, dass sich eine Seele weigert, ins frühere Leben zu wandern, weil das frühere Leben die Hölle war?"
"In solchen Fällen verzichte ich gänzlich auf mein Honorar, weil ich das Versagen bei mir sehe. Der Patient ist an gar nichts schuld."
"Außer an seiner Angst vor dem Tod. Die braucht man doch nicht zu haben, oder? Wenn es immer weitergeht..."
"In der Erdgeschichte sind schon so viele große Männer gestorben - da wirst du kleiner Mann das auch noch überleben!", lachte Dr. Belford. Und er schob noch einen zweiten Spruch hinterher:
"Die Tragödie des Sterbens erwischt dich in jedem deiner Leben genau einmal und nicht häufiger."
Belford begann nun mit der Hypnose. Wieder und wieder sprach er mit sonorer Stimme minutenlang dieselben beruhigenden Worte: "Du hörst nur meine Stimme. Deine Seele hat den Wunsch, einzuschlafen und sich von meiner Stimme führen zu lassen. Du übergibst mir die Kontrolle über dein Bewusstsein. Du hast die Kontrolle über dein Bewusstsein verloren und du fühlst dich wohl dabei. Du bist befreit von deinem Geistkörper. Du bist nur noch Geist, der sich führen lassen möchte."
Columbos Atem wurde langsamer und seine Augenlider schwerer. Dann packte Belford Columbo bei der Hand und ließ seine Aura sich mit Columbos Aura verbinden, ankoppeln.
"Nun gehen wir gemeinsam zurück, weit zurück, ins vergangene Jahrhundert, und noch weiter zurück bis zu der Zeit, als es dich, Inspektor, noch nicht gab. Wir lösen uns ab von unseren Körpern und fliegen körperlos durch den Raum sowie durch die Zeit und wir sehen, dass wie auf einem Radarschirm, der zu jedem Zeitpunkt immer nur einen Raumpunkt belichtet, trotzdem jeder Zeitpunkt deines Lebens gleichzeitig im körperlosen Raum vorhanden ist und es immer war. Zukunft und Vergangenheit sind eins mit der Gegenwart. Wir betreten ein fernes Jahr, in dem wir lange nicht mehr gewesen sind. Bist du bei mir, Inspektor?"
"Ja," antwortete Columbo ruhig, "ich bin bei dir, Ian."
"Sag mir, wer bist du jetzt und in welchem Jahr lebst du?"
"Ich bin ein kleiner Junge. Mein Name ist Shannon Burke. Es ist das Jahr 2039."
"Das kann nicht sein, mein Sohn. Wir sind gemeinsam in die Vergangenheit gereist. 2039 ist die Zukunft."
Columbo sprach langsam weiter:
"Zukunft und Vergangenheit sind eins. Das sagtest du eben selber, Ian. Ich bin mir sehr sicher, dass wir 2039 haben und dass ich 2029 geboren bin, nachdem ich in meinem vorherigen Leben gestorben bin."
"Du erinnerst dich an dein vorheriges Leben, Shannon Burke? Wer bist du gewesen? Wie bist du gestorben?"
"Mein Name war Ian Belford."
Ein Kopfschütteln auf der Seite des Psychiaters.
"Aber ich bin Ian Belford. Und ich bin am Leben. Heute im Jahr 2025."
Columbo widersprach:
"Nein, du bist damals am Leben gewesen. 2025 ist da wo ich jetzt bin Vergangenheit. Meine Vergangenheit. Bevor ich gestorben war."
"Wie willst du gestorben sein, Shannon, und wann? Ich lebe doch viel zu zukunftsorientiert; da würde ein solch früher Tod nicht in meine Biographie passen!", argumentierte Dr. Belford.
"Doch, er passt. Ich wurde im Gefängnis von anderen Insassen zu Tode gefoltert. Damals war ich noch Ian."
"Das ergibt keinen Sinn. Deine Seele kann in der Zukunft niemals meine Seele aus der Gegenwart geworden sein."
Aus Columbos Mund kam eine Erklärung:
"Bei der Ankopplung muss etwas Seltsames geschehen sein. Unsere Seelen haben sich wohl beim Ineinanderfließen vermischt und vertauscht. Deshalb bin ich jetzt für die Dauer dieser Rückführung du in deinem nächsten Leben und nicht wie geplant ich in meinem vorherigen Leben. Ist dir sowas schon mal passiert, Ian?"
"Nicht dass ich wüsste. Aber zum Thema! Was sollte ich denn verbrochen haben, weswegen man mich, Dr. Ian Belford, ins Gefängnis steckt? Oder ist jenes Verbrechen bis jetzt, 2025, noch nicht passiert? Dann will ich es mit deiner Hilfe ungeschehen machen können."
"Rede nicht von dir als Dr. Ian Belford, denn ich bin Dr. Ian Belford gewesen. Ich kam ins Gefängnis wegen Mordes."
"Also schön, Shannon, du kamst ins Gefängnis, nicht ich. Und an wem hast du in deinem früheren Leben als Ian Belford einen Mord verübt? Vielleicht lässt sich das noch verhindern, indem wir darüber reden."
"Ich tötete 2025 Fabrice Holdstake, einen Patienten von mir. Der wiederum war mein Werkzeug in der planmäßigen Ermordung meiner Mitarbeiterin Dr. Madlyn Thornedge, die er scheinbar in Trance ohne sein eigenes Bewusstsein in den Hals stach, woraufhin sie verblutete. Wegen jenem ersten Mord wurde Fabrice Holdstake freigesprochen, und ich, der ich dafür gar nicht angeklagt worden war, indirekt ebenfalls. Aber als ich dann meinen Mitwisser Fabrice mit einem Schlag ins Genick ermordete, hat die Polizei das kurz darauf herausgefunden und ich wurde eingebuchtet."
"Wie ist dir die Polizei damals 2025 auf die Spur gekommen?"
"Ich erinnere mich nicht."
Dr. Belford wurde leicht nervös.
"Bitte versuch dich zu erinnern, Shannon! Es ist für mich sehr wichtig. Schließlich bin ich heute der, der du früher warst."
"Wozu die Mühe, Ian? Du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen, auch nicht, wenn du vorab davon weißt."
"Wegen welcher Beweise konnten die Geschworenen dich beziehungsweise mich damals verurteilen?"
"Sie hatten deinen Komplizen gefunden, den Ex-Knacki Derec Sloan, der für dich das Alibi besorgt hat."
Dr. Belford wurde immer unruhiger, während Columbos Lippen weiterhin ruhig ihre Sätze formten:
"Derec Sloan stahl für dich seltene Münzen zum selben Zeitpunkt, als du Fabrice Holdstake erschlagen hast. Den Raub konntest du später mit geringen Folgen für dich zugeben, um damit den brutalen Mord zu verschleiern. Niemand hätte dir zugetraut, dass du dir freiwillig solch ein belastendes Alibi verschaffen würdest. Als Mörder warst du dadurch anschließend vollkommen unverdächtig."
Dr. Belford konnte seine Beunruhigung vor sich selbst nicht länger verbergen.
"Hat dieser Derec Sloan dich, besser gesagt mich etwa verraten?"
"Nein, die Polizei hat ihn ausfindig gemacht und ihn mit der Behauptung konfrontiert, dass er dein Komplize war. Und sie hatten einen Beweis dafür. Da konnte er nicht anders als gestehen, um für sich selbst das Strafmaß so gering wie möglich ausfallen zu lassen."
"Was für einen Beweis?", hakte Belford hörbar aufgeregt nach.
An dieser Stelle schlug Columbo plötzlich die Augen auf und richtete sich aus der bequemen Liegeposition auf. Hellwach und im Sitzen sprach er nun:
"Das war so, Sir: Als ich zum ersten Mal Ihren dunkelroten Mercedes sah, als die Kollegen vom Raubdezernat Ihr Reifenprofil nahmen, da fiel mir auf, dass der Fahrersitz ziemlich weit vorgestellt war. Zu weit nach vorne für einen Mann von Ihrer Statur. Später sah ich dann Ihren gelben Ford Mustang und da war der Fahrersitz weiter hinten."
Dr. Belford, sichtlich erzürnt, unterbrach wütend den Monolog:
"Columbo! Was spielen Sie hier mit mir? Sie waren vorhin gar nicht in Trance?!"
"Nein, Doktor, ich hatte zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle über mein Bewusstsein verlieren wollen. Sie haben mich nirgendwo hingeführt, sondern ich habe mich innerlich gesträubt und Sie angeführt. Aber um auf meinen Punkt zurück zu kommen: Als Ihr Mercedes beschlagnahmt worden war, setzte ich mich bequem in den Fahrersitz und stellte verwundert etwas fest: Ich konnte problemlos Gas, Bremse und Kupplung mit meinen Füßen erreichen, und das obwohl ich gut einen Kopf kürzer bin als Sie. Also dachte ich mir, dass nicht Sie zuletzt den Mercedes fuhren, sondern dass am Vorabend während des Münzraubs eine zweite Person, die in etwa meine Körpergröße haben muss, am Steuer Ihres Mercedes gesessen hatte. Und diese Person musste vor der Tat und lange bevor sie sich ihre Handschuhe anziehen musste erst einmal den Fahrersitz auf die passende Höhe einstellen. Also bat ich das Labor, den Verstellgriff nach Fingerabdrücken zu untersuchen und die Forensiker fanden die Abdrücke des polizeilich bekannten ehemaligen Häftlings Derec Sloan. Dann nahm ich mir gestern Mister Sloan vor und entlockte ihm das Geständnis, dass er mit Ihnen gemeinsame Sache gemacht hat. Ich kam gerade rechtzeitig; er wollte morgen einen Flug nach Mexico antreten und dort ein neues Leben beginnen."
Columbo rief laut in Richtung Praxistür:
"Jungs, bringt mir Mister Sloan rein!"
Sergeant Bickfield und Officer Rodriguez betraten zusammen mit Derec Sloan das Sprechzimmer. Verzweifelt zuckten Dr. Belfords Augen um die Wette, als Derec den Vorwurf aussprach:
"Doc, Sie haben mir weisgemacht, Ihr christlicher Patient wollte unbedingt erlöst werden und dass er sanft nach einem Giftcocktail eingeschlafen sei. Stimmt das, was mir Inspektor Columbo sagte, dass Ihr anderer Komplize brutal erschlagen wurde?"
Wegwerfende Gesten waren alles, was Dr. Belford zur Antwort gab. Er hatte die Nase vom Versteckspielen voll und ging sogar ohne Gegenwehr zu leisten mit den Polizeibeamten mit. Evelyn, der hübschen Sprechstundenhilfe, verschlug dieser unerwartete Anblick die Sprache.
"Und wem gehört jetzt diese Praxis, nun da beide Rückführungsexperten aus dem Spiel genommen wurden?", fragte Derec Sloan den Inspektor, der auf der Liege die Beine aussteckte.
"Sieht so aus, als müssten Dr. Belfords Patienten lernen, ihr eigenes Leben im Hier und Heute auf die Reihe zu kriegen, so wie wir alle."
Columbo zündete sich zufrieden eine Zigarre an. Jetzt war niemand mehr hier, der es ihm verbieten konnte.

ENDE
Columbologe
1. Polizeihauptkommissar
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