Columbo: Push "D" for Death (Teil 1)

Wir möchten versuchen, eine Columbo-Episode in Roman bzw. Comic Form zu schaffen. Falls ihr Ideen für einen neuen Fall habt schreibt es hier.

Columbo: Push "D" for Death (Teil 1)

Beitragvon Columbologe » Mi, 06.12.2023 01:04


COLUMBO: PUSH "D" FOR DEATH
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KAPITEL 1

Nervös, weil im Gegensatz zu Mrs. Columbo noch nicht quizshowerfahren, stand Inspektor Columbo ungewöhnlich stumm hinter der Tür des Fernsehstudios und wartete brav auf seinen Aufruf. Neben ihm stand Helen Hargrove, seine Gegnerin, die ebenfalls auf ihren Aufruf wartete. Sie lauschten beide der Ansprache von Matthew Meadows, dem Moderator, der eine neue Ausgabe seiner Quizsendung eröffnete:

"Ein herzliches Willkommen zu >>Husbands vs. Wifes<< , dem anspruchsvollen Crossover-Familienquiz für helle Köpfe mit Grips und hoher Allgemeinbildung. Für alle, die die Show noch nicht kennen: Bei uns treten Ehemänner und Ehefrauen gegen anderer Leuts Ehefrauen und Ehemänner an, damit der Gewinn, der theoretisch unbegrenzt hoch, nach oben offen sein kann, nicht in der Familie bleibt. Es gibt zu jeder Frage vier Antwortalternativen, von denen immer eine und nur eine stimmt, und es bedeutet eine einzige falsche Antwort der Kandidaten das sofortige Aus für ihre Spielrunden. Es gibt Joker, wenn man mal nicht weiter weiß. Von den zwei Duellgegnern bekommt nur der Sieger die schlussendliche Gewinnsumme ausgezahlt; der Verlierer geht leer aus, egal, wie viel er oder sie vorher gewusst hat. Begrüßen Sie mit mir unsere zwei ersten Gegner: Mr. Columbo und Mrs. Hargrove!"

Die Namen schallten aus dem Lautsprecher hinter der Studiowand. Das war ihr Stichwort, hatte man ihnen gesagt. Jetzt war der große Moment gekommen. Der Quizmaster hatte ihre Namen gerufen, die Studiotür öffnete sich und das Publikum applaudierte. Mit großen Schritten und einem nicht minder großen Selbstbewusstsein stolzierte Helen Hargrove durch den Saal, winkte strahlend den Zuschauern zu und platzierte ihr Gesäß elegant auf einen der beiden nebeneinander angebrachten Kandidatenstühle. Inspektor Columbo schlurfte verhältnismäßig geknickt hinterher. Er brauchte etwas länger, weil er Mrs. Columbo im Saal suchte, um ihr zuzuwinken, und sein Mantel störte ihn etwas beim Hinsetzen. Zwei Monitore trennten die Gegner von dem ihnen gegenüber sitzenden Quizmaster.   
"Guten Abend, Mr. Meadows", sprach Columbo mit leuchtenden Augen der Vorfreude. "Oft habe ich mir mit Mrs. Columbo daheim beim Abendbrot Ihre Sendung angesehen. Nie hätte ich daran gedacht, selber einmal hier sitzen zu dürfen!"
"Ja, Mr. Columbo, Ihre Frau war ja schon letzte Woche bei uns. Wie finden Sie hat sie sich denn geschlagen?" 
"Bis zur 80.000-Dollar-Frage hat sie mit umfangreichem Wissen geglänzt, aber als dann ihre Joker verbraucht waren und Mr. Hargrove die 90.000-Dollar-Frage noch wusste, war ich fast den Tränen nahe. Nun liegt es an mir, einen Gewinn nach Hause zu schaukeln." 
Er drehte sich um und sprach zu seiner Frau, die ihm im Saal im Rücken saß:
"Drück mir die Daumen, Schatz!"
"Bitte nicht umdrehen," ermahnte ihn der Quizmaster, "es darf während des Spiels keine Kommunikation zwischen den Paaren geben. Mr. Columbo, Sie müssen sich bewähren gegen Ihre Herausforderin, die Ehefrau von Mr. Hargrove." 
Eine wie eine Universitätsprofessorin vornehm gekleidete Dame mit stilvoller Brille und gut gekämmten Haaren saß auf dem Nachbarstuhl neben Columbo, wandte sich ihm höflich zu und lächelte gönnerhaft.
"Ist der Gewinn, den Ihr Mann hier abgeräumt hat, schon ausbezahlt worden?", fragte Mr. Meadows.
"Ja, Ihre Mannschaft war da sehr schnell mit. Wir haben aber noch nichts davon ausgegeben." 
Der Moderator sprach zu beiden:   
"Für jede richtig beantwortete Frage gibt es auch heute wieder zur Belohnung 10.000 Dollar und für jede Antwort geben wir Ihnen eine Bedenkzeit von 30 Sekunden, während der Sie bitte nichts laut sagen, um Ihren Gegner nicht zu beeinflussen. In der Zeit müssen Sie sich für A, B, C oder D entscheiden und Ihre Antwort mit der OK-Taste auf der Apparatur Ihres Monitors einloggen."
Columbo zwinkerte Helen zu:
"Das ist machbar, nicht, Frau Nachbar?"  
Helen Hargrove gab zu erkennen, dass das nicht ihr größtes Problem sein würde, und sprach heiter:
"Sie haben hinter den Kulissen über Ihre Zerstreutheit gejammert, also wenn Sie während der langen Bedenkzeit vergessen sollten, wo nochmal die Knöpfe unter dem Bildschirm angebracht waren, komme ich gerne zu Ihnen rüber und zeige sie Ihnen."
"Aber Mr. Meadows, Sir, wenn Mrs. Hargrove von da drüben herüber schaut und sehen kann, was ich drücke, dann weiß sie doch, was vielleicht richtig ist und drückt mir nach."
"Schauen Sie bitte auf Ihre Apparatur, Mr. Columbo. Sehen Sie den Sichtschutz neben den Knöpfen? Der ist extra dafür da, dass man nicht vom Gegner abgucken kann."
"Aaah, jetzt wo Sie es sagen, sehe ich's auch!", beruhigte sich Columbo. 
"Viel Glück und Grips für Sie beide, hier kommt Ihre 10.000-Dollar-Frage!"

Ein musikalisches Jingle aus dem Lautsprecher des Saals brachte Schwung ins Gespräch, und der Quizmaster verlas seine erste Frage:
"Um bei der Staatspräsidentenwahl von Guatemala kandidieren zu können, ließ sich First Lady Sandra Torres im Jahr 2011 extra...?
A: einen Bart wachsen
B: zum Mann umoperieren 
C: aus den USA ausbürgern 
D: von ihrem Ehemann scheiden
Es laufen Ihre 30 Sekunden Bedenkzeit."
Die halbe Minute war um und der Quizmaster erteilte beiden Kandidaten offiziell das Wort. 
"Mr. Columbo, Sie haben nichts gedrückt in den 30 Sekunden."
Angstschweiß quillte dem Inspektor aus den Stirnporen.
"Was, ich bin schon fertig und raus, Mr. Meadows?"
"Nein, denn Sie haben ja drei Joker."
"Ach, aber natürlich!", klatschte sich Columbo vor die Stirn. "Ich kenne ja die Regeln. Wer in seiner Bedenkzeit keine Antwort einloggt, verpflichtet sich zur Ziehung eines noch vorhandenen Jokers. Auch wenn ich jetzt noch die richtige Taste drücken sollte, müsste ich auf meinen ersten Joker verzichten."
"Ich sehe, Sie haben die Show tatsächlich schon oft gesehen."
"Da fällt mir jetzt ein Stein vom Herzen! Ich hatte schon befürchtet, ich müsste nach der ersten Frage gehen!", atmete Columbo erleichtert auf.
"Ich nehme den Joker."
"Welchen? Für alle, die zum ersten Mal zusehen: Bei >>Husbands vs. Wives<< gibt es den Hälfte-weg-Joker, bei dem zwei falsche Antworten vom Computer zufällig gelöscht werden. Dann gibt es einen Frage-weg-Joker, bei dem für beide Spieler die Frage ausgetauscht wird, und wir bieten Ihnen einen sogenannten Vertrauensjoker an, bei dem Sie sich der eingeloggten Antwort Ihrer Duellgegnerin vertrauensvoll anschließen dürfen, wenn sie etwas eingeloggt hat."
"Wenn Mrs. Hargrove aber falsch getippt hat, bin ich auch ausgeschieden, oder?", vergewisserte sich Columbo.
"Richtig, man kann sich mit falschem Vertrauen auch selber aus dem Spiel raus hauen! Und Sie dürfen nicht vorher fragen, welche Antwort Ihre Gegnerin genommen hat, sondern Sie müssten ihr blind vertrauen."
"Ich will, dass Mrs. Hargrove mir sagen muss, was ihrer Meinung nach das Richtige ist."
"Werte Dame, Sie haben das Wort! Was haben Sie gedrückt?", fragte der Moderator.
"Ich habe D genommen und das ist auch richtig. Ich erinnere mich noch, dass das mit der Zweckscheidung von Sandra Torres in der USA Today stand. Das habe ich mir gemerkt, das fand ich originell, zumal ich damals gerade frisch verheiratet war."
"Und Sie sind es heute noch, wie wir wissen, sonst wären Sie nicht hier", schlussfolgerte Columbo.
"Freilich. Ich liebe meinen Mann. Ich würde mich nie im Leben der Karriere wegen von ihm scheiden lassen." 
"Ich auch nicht, Ma'am. Mrs. Columbo und ich sind seit vielen Jahrzehnten das glücklichste Paar, das unter den Sternen wandelt. Sie besorgt bei uns den Haushalt und ich arbeite mit bescheidenem Erfolg bei der Polizei in Los Angeles."  
Der Quizmaster wandte sich an Helen: 
"In der USA Today stand also damals die Antwort D. Und auf meinem Monitor steht, ich soll die erste Werbepause ansagen. Vorher müssen wir aber Antwort D bei Mr. Columbo einloggen, der damit seinen ersten Joker verschlissen hat. Jetzt wird es nach der Werbung aber spannend, ob das richtig ist!"
Ein Jingle ertönte und Columbo saß halb ratlos, halb sprachlos auf seinem Kandidatenstuhl, wo er minutenlang warten musste, bevor er wieder vor einem Millionenpublikum zu Wort kommen durfte, nachdem der Matthew Meadows auflöste, dass D richtig war. Columbo und Helen Hargrove standen beide bei 10.000 Dollar. Die nächste Frage, die der Quizmaster verlas, war ebenso viel wert:
"Welche Schauspielerin wurde als erste Frau mit einem Oscar für eine nicht englischsprachige Hauptrolle ausgezeichnet?
A: Marlene Dietrich
B: Brigitte Bardot
C: Sophia Loren
D: Doris Day"
Schweigen während der Bedenksekunden.
"Sagen Sie was Kluges, Mrs. Hargrove!"
"Genau weiß ich aber nicht, welcher Loren-Film es war. Es kann sein, dass die Rede von >>Und dennoch leben sie<< ist, es kann aber auch >>Hochzeit auf Italienisch<< oder >>Hausboot<< sein. Sophia Loren war, glaube ich, mehrmals für den Oscar nominiert, hat ihn aber nur einmal bekommen. Aber ich gebe keine Garantie, dass einer der Filme stimmt, die ich genannt habe."
"Nun muss ich mich auch bei Ihnen erkundigen, Mr. Columbo. Was haben Sie zu sagen?", fragte der Quizmaster.
"Meine Frau und ich sind große Filmfans. Vor allem die alten Klassiker sehen wir uns immer wieder gerne im Fernsehen an. Bette Davis mag ich ganz besonders, aber die stand ja hier nicht zur Auswahl. Ich hab' mich aber auch für C entschieden, weil ich meine, darüber hätte Mrs. Columbo mal etwas erzählt."
"Ihnen, Mrs. Hargrove, darf ich sagen: 1965 bekam Sophia Loren für >>Hochzeit auf Italienisch<< keinen Oscar."
Der Quizmaster machte eine dramaturgische Pause, in der allen Zuschauern klar werden sollte, dass Helen auch nicht immer alles wusste. Dann setzte er, die Stimme erhebend, seine Rede fort: 
"Aber 1962 für >>Und dennoch leben sie<<!"
Ein Siegerjingle erschallte und Applaus für beide Kandidaten kam aus dem Publikum. Der Moderator wollte für 30.000 Dollar wieder etwas wissen:
"Worum geht es, wenn vom ersten Trimenon die Rede ist?
A: Star Trek
B: Beethovens 9. Symphonie
C: Steinzeit
D: Schwangerschaft"
Nach der Bedenkzeit wurde zuerst Mrs. Hargrove das Wort erteilt.
"Als Mutter weiß ich das natürlich. Jedes Vierteljahr in der Schwangerschaft ist ein Trimenon."
Columbo fügte hinzu:
"Meine Ehe blieb leider kinderlos. Aber meine Geschwister haben allesamt Nachkommen, von daher war mir Trimenon auch ein Begriff."
Und damit ging es weiter mit der 40.000-Dollar-Frage: 
"Wer hat sich - wie sein Vater - erschossen?
A: John Wayne
B: Winston Churchill
C: Ernest Hemingway
D: Albert Schweitzer"
Columbo kratzte sich am Kopf. 
"Ich kann besser denken, wenn ich Zigarren rauche, aber das ist bei Ihnen leider während der Sendung nicht gestattet. Die Frage kommt mir eigentlich thematisch sehr entgegen, weil ich bei der Mordkommission arbeite und dort auch oft mit Suiziden zu tun habe, aber ich wurde bei den genannten Männern nicht mit ihren Fällen betraut. John Wayne starb an Magenkrebs, das weiß ich noch, aber da endet mein Fachwissen leider auch schon, von daher möchte ich die Frage tauschen." 
"Aber gern. Mrs. Hargrove, was hätten Sie denn gesagt?"
"Albert Schweitzer und Winston Churchill starben beide eines natürlichen Todes im hohen Alter von 90 Jahren. Winston Churchill starb übrigens auf den Tag genau 70 Jahre später als sein Vater Randolph, und Premierminister von Großbritannien war dieser Winston Churchill. Aber zu seiner >>glatten, braunen Geliebten<<, seiner Flinte, griff von Depressionen gequält der alkoholsüchtige Ernest Hemingway."
"Schade, Mrs. Hargrove, dieses Wissen bringt Ihnen kein Geld ein, weil wir eine 40.000-Dollar-Ersatzfrage stellen müssen, für die Mr. Columbo nur noch seinen Hälfte-weg-Joker hat. 
Wem sagt man nach, er sei nach der Entdeckung, die ihn berühmt gemacht hat, nackt durch die Straßen gelaufen?
A: Archimedes von Syrakus 
B: Pythagoras von Samos
C: Isaac Newton
D: Christoph Kolumbus"
Die Bedenkzeit war um und der Quizmaster erkundigte sich bei Columbo, was dieser genommen hatte.
"Noch nichts. Ich brauche den Hälfte-weg-Joker."
"Der kommt."
Der Zufallsgenerator löschte B und C.
"Ich weiß es immer noch nicht, aber aus Verbundenheit zu meinem Namensvetter Kolumbus muss ich hier einfach auf D drücken!"
"Das ist aber falsch," warf Helen Hargrove ein, "der Archimedes, der den Auftrieb in der Badewanne entdeckte, soll versäumt haben, sich etwas anzuziehen, bevor er Heureka rufend durchs Dorf rannte."
Matthew Meadows löste auf:
"Mrs. Hargrove hat recht, Mr. Columbo. Mit Kolumbus sind Sie leider ausgeschieden."
Ein Verliererjingle erschallte. Es galt Columbos falscher Antwort. Mit hängendem Kopf stieß er hervor:
"Wenn mir eine Lösung zu einem schwierigen Problem einfällt, behalte ich sie stumm für mich. Das ist es wohl, was mich von Archimedes unterscheidet."
"Und deswegen müssen Sie jetzt leider gehen. Nehmen Sie es nicht so schwer! Setzen Sie sich zu Ihrer Frau im Saal und schauen Sie unserer Show weiter zu!", empfahl Matthew Meadows. Nüchtern und fair sah Columbo seine Niederlage ein, wobei er sich ohne Widerstand aus seinem Stuhl erhob. Der Empfehlung des Moderators folgend, verschwand er von Applaus begleitet im Dunkeln des Saals in den Reihen der Zuschauer, wo er sich auf den freien Sitzplatz neben seine Frau setzen wollte. Der Moderator beglückwünschte Helen Hargrove zu 40.000 Dollar Gewinn, die zu den 90.000, die ihr Mann letzte Woche abgesahnt hatte, hinzu kamen, und verabschiedete auch sie. Anschließend begrüßte er zwei neue Kandidaten, einen Mr. Carlisson und eine Mrs. Lesny.

KAPITEL 2

Gavin Carlisson war ein mittelgroßer, stattlicher, gut gekleideter Herr von etwa vierzig Jahren mit hoher Denkerstirn, der einen undefinierbaren, größeren Gegenstand unterm Arm trug, während er auf dem Ratestuhl Platz nahm. Höflich begrüßte er seine Gegnerin.
"Was machen Sie beruflich, Mrs. Lesny?", fragte Meadows.
"Bei uns arbeitet Marc, mein Mann. Der ist Förster. Ich bin nur Hausfrau."
"Förster! Vor solchen Leuten habe ich immer Angst, wenn ich im Wald kreuz und quer durch Abkürzungen spazieren gehe, dass ich für ein Wildschwein gehalten werden und abgeschossen werden könnte."
"So leichtsinnig ist ein guter Förster nicht. Gehen Sie denn oft im Wald spazieren, Mr. Meadows?"
"Jede Woche mehrmals, wenn es mein Terminplan erlaubt."
"Mit Ihrem Hund?"
"Ich bin mein eigener Hund. Ich führe mich selber Gassi."
Das Publikum lachte. Es erfolgte die Vorstellung von Gavin Carlisson.   
"Ich habe ein Gefühl, wenn ich Sie so betrachte, dass Sie ein Siegertyp sind, und dass Ihre Gegnerin heute noch verlieren könnte", beschrieb Mr. Meadows sein Bauchgefühl.
"Da muss ich Ihnen beipflichten, Matthew. Werte Dame, auch mir teilt meine Intuition die Eingebung mit, dass Sie wohl heute Abend nicht als Gewinnerin unseres Duells Ihren Stuhl verlassen werden, und mit Verlaub, wenn ich das sage, dann hat das Gewicht. Denn ich bin im Besitz der Gabe, die man das zweite Gesicht nennt. Ich kann Ereignisse der nahen Zukunft voraussehen."
"Das wird nicht so schnell aufhören, faszinierend zu sein, Mr. Carlisson!", freute sich der Quizmaster, "das würde ja bedeuten, dass Sie unschlagbar wären, weil Sie auch vorhersehen könnten, mit welchen Worten ich eine Quizfrage auflöse, und anhand dieser Worte könnten Sie im Vorfeld dafür sorgen, dass Sie immer richtig drücken."
"Sie sagen es! Spannend, nicht wahr? Für Ihr Quiz genau das Richtige. Endlich weiß mal jemand alles", lächelte Gavin optimistisch.
"Und wie machen Sie das, dass Sie vorher all das wissen, was hinterher sein wird?", fragte Mrs. Lesny besorgt.
"Ich bediene mich des morphogenetischen Feldes."
"Versteh' ich nicht, was ist das und darf man das? Gibt es nicht eine Regel dagegen?"
"Nein, die Verfasser der >>Husbands-vs.-Wives<<-Spielregeln haben daran nicht gedacht. Vielleicht nach der Show werden die Regeln entsprechend angepasst. Ich möchte versuchen, es Ihnen zu erklären. Also das Team in der Redaktion kennt die Antworten zu den Fragen, nicht wahr? Und deren Wissen und Gedanken gehen ins morphogenetische Feld, das unsichtbar um uns herum wie ein Netz aufgespannt ist. Wenn man die Fähigkeit ausbildet, mit seinem Bewusstsein dieses Feld betreten zu können, kann man es sozusagen anzapfen und daraus wie aus einem Buch Informationen gewinnen, und das habe ich als spirituell veranlagter Mensch trainiert."  
Der Quizmaster wurde misstrauisch:
"Keiner kann hellsehen. Keiner kann vorhersagen, was ich sagen werde, wenn ich es gerade erst denke. Ich vermute, Sie mogeln."  
Der Moderator deutete auf den undefinierbaren Gegenstand, den Gavin unterm Arm hielt.
"Was ist das da für ein Apparat? Nur Glücksbringer sind hier gestattet. Kann man damit pfuschen oder ist das Ihr Talisman?"
"Ich bin ja beruflich im Bereich Alternative Heilmethoden unterwegs, also die Art von Heilung, die Sie auch wirklich gesund macht, und die Sie nicht an die Schulmedizin fesselt, bei der Sie als gesunder Mensch ein verlorener Kunde sind."
Der Quizmaster wiederholte nachdrücklich seine Frage:
"Das war aber keine Antwort darauf, was für ein Gerät das da unter Ihrem Arm ist."
"Das Ding nennt sich Rife-Frequenzgenerator. Damit kann man eine bestimmte Frequenz aussenden, die Borellien, Bakterien oder Pilze durch Eigenresonanz zerstört. So können Sie ohne Antibiotika, die nur Ihr Immunsystem schädigen, diverse Infektionen behandeln. Dann brauchen Sie keine Medikamente mehr einzunehmen, die bloß Ihre körpereigenen Abwehrkräfte so weit in den Keller treiben, dass sie nicht heilen, sondern genau im Gegenteil sogar noch die Heilung, die sie eigentlich bewirken sollen, verhindern."
Einer im Publikum klatschte.
"Esoterischer Hokuspokus!", schnauzte der Moderator, "Sie nutzen doch nur die Hoffnungen aus, die Austherapierte in Scharlatane wie Sie legen!" 
"Was wissen denn Sie?", wurde Carlisson mit Meadows streng, "Der Mensch ist dermaßen komplex! Je mehr man forscht, desto mehr erkennt man, wie wenig man erst weiß und wie viel mehr man forschen muss. Es ist ein Teufelskreis."
"Sie geben es also zu, dass Sie zusammen mit dem Teufel im Bunde sind?"
"Das verstehen Sie doch komplett falsch! Wieso müssen Sie bar jeder Ahnung meinen Dienst an der Menschheit in den Schmutz ziehen? Sie sollten sich was schämen!", warf Gavin dem Quizmaster vor.
"Beweisen Sie mir, dass Sie kein Quacksalber sind! Sagen Sie etwas vorher, was in den nächsten Minuten passiert!", forderte Meadows Mr. Carlisson auf. 
Zu einer Prophezeiung genötigt, sprach Gavin unumwunden aus, was er in seinem morphogenetischen Feld zu lesen glaubte:
"Wie Sie wünschen. Ich sehe großes Unheil auf Sie zukommen, Matthew. Ich sehe Sie regungslos und leblos mit dem Kopf nach hinten über der Rückenlehne Ihres Moderatorenstuhls hängen." 
"Uuuaaah, jetzt fühle ich mich aber in Todesangst versetzt!", spottete Meadows unerschrocken. "Sie wollen nur, dass ich mich vor Ihnen fürchten muss!" 
Mrs. Lesny beteiligte sich empört an dem Dialog:
"Wie können Sie nur sowas sagen?"
"Weil ich weiß, dass es stimmt," gab Gavin kühl zur Antwort, "und in fünf Minuten werden auch Sie es mir glauben müssen, weil es dann für alle Realität geworden ist. Hoffentlich macht Matthew nicht gerade dann Werbung!" 
Überfordert versuchte der Quizmaster, den Kontrollverlust zu bremsen:
"Ich muss die Show mit Ihnen irgendwie noch herum bringen. Schauen Sie mal, in dieser hübschen Frage komme ich sogar selber vor: Wobei handelt es sich um ein Anthroponym?
A: Matthew Meadows
B: nie und nimmer
C: Hassliebe
D: tote Leiche
30 Sekunden Zeit."
"Vier Minuten Zeit haben Sie ungefähr noch", meinte Gavin, während er an seinem Monitor etwas drückte.
"Erkennen Sie das böse Omen?", fragte Gavin den Quizmaster.
"Welches?", tat er ahnungslos.
"Tote Leiche und Matthew Meadows zusammen in einer Frage! Und das zu diesem Zeitpunkt, wo ich vorhersage, dass Matthew Meadows in drei, vier Minuten selber eine tote Leiche sein wird. Es ist tragisch. Aber vermeidbar ist es nicht."
"Gut, dann darf ich trotzdem Mrs. Lesny fragen, was sie genommen hat."   
Diese führte in aller Seelenruhe aus:
"Also: >>Tote Leiche<< ist ein Pleonasmus, eine überflüssige Umschreibung eines Begriffs, der sich bereits selbst erklärt hat. Nicht zu verwechseln mit Tautologie, einer Doppelung zweier sinnverwandter Wörter wie >>nie und nimmer<<. >>Hassliebe<< ist ein Oxymoron, ein Widerspruch innerhalb eines Wortes. Und Anthroponyme sind wortwörtlich Menschennamen, also ist A richtig, denn Matthew Meadows ist ja ein Mensch."
"Beziehungsweise er war es!", ergänzte Gavin schelmisch, "denn leider wird er die nächsten zwei bis drei Minuten nicht überleben." 
"Papperlapapp! Ich bin gesund wie ein Kern! Sie wollen mich nur reinlegen!", meckerte der Quizmaster verärgert.
"Manche sind vor ihren Fehlern klug, andere erst, nachdem sie sie gemacht haben," bemerkte Gavin und sah zu seiner Gegnerin herüber.
"Ich nehme nicht an, dass Sie Interesse an einem öffentlichen Countdown bis zu Matthews Exitus haben, der in circa einer Minute und dreißig Sekunden auf ihn wartet."  
Mrs. Lesny schüttelte scheu den Kopf. 
"Ich hab' aber ein Interesse, Mr. Carlisson! Und wie ich Sie dann ha ha ha auslache, wenn ich dann noch lebe!" 
"Vielleicht zählen Sie ja falsch, weil Sie aus alter Gewohnheit nur von eins aufwärts zählen können und wir kommen nie auf Null. Dann lachen Sie zu Unrecht, weil Sie meinen Countdown ad absurdum geführt hätten, aber wenn Sie richtig gezählt hätten, wäre es so gekommen, wie ich sagte. Also: abwärts von zehn bis null, können Sie das?", fragte Gavin in weiser Voraussicht. 
Matthew griff sich an die Stirn.
"Mir wird so anders. Ich sehe ein helles Licht. Oma, bist du's?" 
Gavin unterdrückte das diabolische Grinsen, das sich auf seinem Gesicht breit machen wollte, denn er wünschte nicht, dass die auf ihn gerichteten Kameras seine Reaktion einfangen und festhalten würden. Als Mr. Meadows verstummte und seinen Kopf nach hinten über die Rückenlehne seines Stuhls neigte, dachte Mrs. Lesny noch:
"Das spielt er doch nur, oder? Er will uns zum Narren halten!"
Aufregungen und Tumulte machten sich im Zuschauersaal breit. Gavin blieb ruhig und sprach mit sanftem Ton:
"Ich bin dafür, wir brechen an dieser Stelle die Show ab. Ein Arzt möchte kommen und den Tod bestätigen. Ich werde versuchen, Mr. Meadows mit meinem Frequenzgerät zu heilen, aber bei einem bereits Verstorbenen rechne ich mir da keine großen Chancen aus."
Ein Mitarbeiter des Regisseurs betrat nervös die Bühne.
"Mr. Carlisson hat einen guten Vorschlag gemacht. Die Show wird jetzt von mir offiziell abgebrochen und sie kann auch nicht später gesendet werden. Holt mir unseren Hausarzt! Und jemand soll auch die Polizei verständigen!"
"Schon zur Stelle, Sir! Was dagegen, wenn ich einen Blick auf die Leiche werfe?", meldete sich Inspektor Columbo zu Wort, der aus den Rängen auf die Bühne zurückgekommen war. Er und seine Frau hatten aus dem Publikum alles interessiert mit angesehen.
"Keine Einschusswunde auf den ersten Blick erkennbar. Es scheint keinen Schützen aus der Zuschauermasse gegeben zu haben", vermutete Columbo nach einer kurzen Untersuchung des Leichnams.
"Sowas ermöglichen unsere Sicherheitsbestimmungen am Eingang sowieso nicht, Herr Inspektor!", bemerkte der Mitarbeiter. Gavin Carlisson ergriff das Wort:
"Okay, Leute, beruhigt euch! Dass jeder, der geboren wird, sterben muss, ist des Lebens größte Gerechtigkeit. Nicht jammern, dass es vorbei! Lächeln, dass es gewesen!"
Ein Platzanweiser hielt die Zuschauer im Saal dazu an, sich zu erheben und das Studio zu verlassen, aber nicht das Gebäude. Weitere Polizeibeamte würden gerufen werden und müssten alle verdächtigen Utensilien der Zuschauer in Augenschein nehmen. 
"Aus heiterem Himmel einsam verendet", lautete die vorläufige Diagnose des Inspektors.
"Es muss eine Autopsie veranlasst werden, denn die Todesursache ist ja ein Mysterium, oder wüssten Sie den Grund für Mr. Meadows' Ableben, Mr. Carlisson?"
"Nein, ich sehe nur, was passiert, aber niemand erklärt mir die Ursachen. Aber habe ich Sie überzeugt, dass ich Informationen aus der Zukunft in die Gegenwart zu holen imstande bin?", begrüßte Gavin erfreut den Ex-Kandidaten.
"In der Tat. Ihr Talent nimmt mich Wunder. Ich tippe auf Hirninfarkt als Todesursache."
Gavin hielt eine Lobesrede auf Matthew Meadows ab:
"Dieser Mann lebte und starb für sein Publikum. Ein Entertainer vor dem Herrn mit einer erfrischenden Unverwechselbarkeit, die es so nie wieder geben wird. Niemals sei verworfen die Erinnerung an ihn. Man muss das Glück gehabt haben, im Studio live dabei gewesen zu sein, denn aus Pietät kann die heutige Aufzeichnung selbstverständlich nicht im Fernsehen laufen." 
"Mit Tragödien kann man ein spaßorientiertes Publikum wirklich nicht aufheitern", pflichtete Mrs. Lesny bei.
"Schade eigentlich. Gerne hätte ich die Vorstellung meines Rife-Frequenzgenerators im Fernsehen gesehen, damit mehr Menschen auf ihn aufmerksam werden", bedauerte Gavin den Lauf der Dinge. 
"Geheilt hat Ihr Gerät Mr. Meadows' Körper aber doch nicht", warf Columbo ihm vor.
"Zur Anwendung bei Toten ist es auch nicht vorgesehen. Ich hoffte ja, vielleicht lebt Matthew noch, als ich versuchte, ihn damit zu reanimieren. Mr. Columbo, ich bedaure, dass Sie und Ihre Frau beide ohne einen Gewinn nach Hause gehen müssen. Mir waren Sie sympathisch. Es würde mich interessieren, was die Autopsie ergibt. Können Sie mich bitte auf dem Laufenden halten? Meine Adresse gebe ich gerne."
"Das lässt sich einrichten", meinte der Inspektor, "zumal wir gewiss so einiges zu besprechen haben. Ihre Gabe fasziniert mich. Von Ihnen kann ich bestimmt noch mehr Neues lernen."
Ärzte kamen auf die Bühne und trugen Matthew Meadows hinter die Kulissen.
"Ich hatte es ihm gesagt! Aber er wollte mir ja nicht glauben", kommentierte Gavin Carlisson nüchtern den Ausgang der Quizsendung.
Columbo ging mit den Ärzten und fragte den Regieassistenten, ob er sich nicht nochmal den Moment, in dem Meadows starb, anschauen könnte, denn Fernsehkameras hatten ihn von mehreren Seiten verewigt.
"Das ist das geringste Problem, Inspektor!", meinte der Assistent und führte Columbo in den Regieraum.
Columbologe
1. Polizeihauptkommissar
1. Polizeihauptkommissar
 
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Registriert: Mi, 10.10.2018 16:07

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