Columbo: Ein Fisch im Netz (Teil 2)

Wir möchten versuchen, eine Columbo-Episode in Roman bzw. Comic Form zu schaffen. Falls ihr Ideen für einen neuen Fall habt schreibt es hier.

Columbo: Ein Fisch im Netz (Teil 2)

Beitragvon Columbologe » Sa, 17.06.2023 07:56


KAPITEL 6


Tags darauf besuchte Columbo Tyron Corley nach dessen Feierabend zuhause. Wieder öffnete zunächst Lucy.

"Mein Mann hat mir erzählt, was Sache ist, Inspektor. Heute ist er auch für Sie zu sprechen. Kommen Sie rein und nehmen Sie im Wohnzimmer Platz!"

Tyron bot dem Inspektor etwas zu trinken an, aber der war im Dienst.       
  
"Gibt es neue Erkenntnisse, Columbo?"

"Ja, die gibt es. Der gerichtsmedizinische Befund erwähnt einen gebrochenen Rückenwirbel an Mr. Redfields Leiche."

"Das haben Sie zu verantworten, Sie Meisterdetektiv! Wegen Ihnen ist der Körper aus einem Meter Höhe auf den Fußboden geknallt." 

"Ja, aber die Leiche lag hinterher auf dem Bauch. Einen Rückenwirbel brechen können hätte sich der Körper dabei wohl nicht. Nach meiner Ansicht bestätigt das den gewaltsamen Tod in einem Zweikampf, bevor die Leiche an den Strick gehängt wurde, um Selbstmord vorzutäuschen."

"Jeder darf eine Ansicht haben. Wie ich Sie einschätze, war das aber noch nicht alles, was Sie zu sagen haben."

"Stimmt. Ich wollte auch nicht unerwähnt lassen, dass unsere Leute an Mr. Redfields Internettelefon herumgefingert haben und dabei sein amazon-Konto einsehen konnten. Er hat ziemlich viele Waren bestellt in letzter Zeit."

"Hat er?"

"Daten lügen nicht. Aber wieso, frage ich mich, hat er das getan, wenn er doch im Mietrückstand war und an allen Enden sparen musste. Da hätte er sich so einen Luxuskonsum doch nicht leisten können." 

"Er hatte wohl die Fähigkeit verloren, mit Geld umgehen zu können. Früher hatte er die. Das ist ja auch der Grund für meinen strengen Sinneswandel und den Entschluss, ihn aus meinem Mietshaus zu werfen."

"Ich verstehe."

"Gibt es sonst noch was, Columbo?"

"Ja, etwas Erfreuliches. Ich habe Ihr Alibi überprüft. Sie werden entzückt darüber sein, dass Ihr Dienstherr bestätigt hat, dass Sie am Abend wirklich alleine nach Bakersfield fahren sollten, um dort für einen defekten Bus am nächsten Morgen die Rückfahrt zu übernehmen, und dass Sie tatsächlich in der Nacht im Park at River Walk gewesen sein könnten, genau wie es Ihre Fotos bei Facebook zeigen, die Sie um 22:56 hochgeladen haben. Ihr Chef sagte mir, er habe Sie für diese Ferntour eingesetzt, weil Sie die in den letzten Monaten schon mehrfach problemlos gefahren sind. Er war im Allgemeinen auch sehr gut auf Sie zu sprechen und lobte, wie wenig lästige Arbeit Sie Ihrer Einsatzleitung machen."

 "Ja, das freut mich alles sehr. Dann können Sie Ihre subtilen Verdächtigungen gegen mich ja mal langsam unterlassen."

"Sie fühlen sich von mir verdächtigt? Das tut mir leid. Da muss ich was Falsches gesagt haben."

"Alles verziehen. War das jetzt alles oder müssen Sie mich noch mehr fragen?"

"Eine Sache war da noch, aber das ist wirklich nur eine Kleinigkeit. Ich weiß gar nicht, ob die sich lohnt, anzusprechen."

"Dann lassen wir´s doch!"

"Vielleicht hat es aber doch etwas zu bedeuten. Ich vermisse den Briefumschlag Ihres Mahnschreibens. Im Papierkorb von Mr. Redfield lag keiner und Sie werden doch bestimmt Ihren Brief in einen formellen Umschlag gesteckt haben, bevor Sie ihn bei ihm einwarfen. Und ich denke auch nicht, dass er nach dem Lesen Ihres Briefes noch einen Sinn darin gesehen hätte, seinen Papierkorb in die Mülltonne draußen zu entleeren. Also wo ist dann der Briefumschlag?" 

"Ich habe den Brief hier in meinem Haus geschrieben, habe ihn zweimal gefaltet, aber ich habe ihn nicht verpackt. Wenn ich ihn selber einwerfe, weiß ich ja, dass niemand außer mir und dem Empfänger ihn lesen kann, also wozu dann die Sicherheitsvorkehrung mit dem Umschlag? Da genügt Falten."

"Aaah, jetzt wird mir das klar! Ja, das ergibt Sinn. Hätte mir auch selber einfallen können, diese schlüssige Erklärung."

"Dann können Sie ja jetzt gehen, Columbo." 

"Ja, ich mache mich dann auf den Weg. Haben Sie einen geruhsamen Abend. Und Sie auch, Mrs. Corley."

Columbo nickte der Dame des Hauses zu. Als er die Haustür schließen wollte, drehte er sich nochmal um. 

"Ach, Mr. Corley. Es gibt da noch eine Kleinigkeit, bei der Sie mir helfen können. Wenn ich schon mal hier bin... wären Sie wohl so freundlich und würden mir den Bleistift aushändigen, mit dem Sie Ihren Mahnbrief zu Papier gebracht haben?"

"Wozu denn das?"

"Nur zu Ihrer eigenen Entlastung. Wenn das Graphit eines Bleistiftes aus Ihrem Haushalt dem Abgleich unseres Labors mit Ihrem Mahnbrief standhält, ist zumindest der Beweis erbracht, dass der Brief wirklich in Ihrem Haus geschrieben worden sein könnte, wie Sie vorhin sagten, und nicht etwa im Haus von Mr. Redfield mit einem Bleistift von dessen Schreibtisch geschrieben worden sein muss."

"Mr. Redfields Haus ist auch mein Haus, wie Sie wissen." 

 "Natürlich, Sir. Aber wenn Sie keinen Stift vorweisen können, der zu der Schrift passt, könnte der Staatsanwalt denken, der Mahnbrief sei dort, wo er gefunden wurde, auch geschrieben worden, und das wäre nicht in Ihrem Interesse, richtig?" 

"Ich fürchte, ich kann mich nicht mit absoluter Sicherheit daran erinnern, welchen Stift ich benutzt habe. Ich weiß nur noch, dass ich sehr kürzlich einen allzu abgenutzten Bleistiftstummel weggeworfen habe, mit dem ich zuvor etwas geschrieben habe. Aber was ich damit geschrieben habe, darauf könnte ich keinen Eid schwören."  

"Hmmm... das wäre jetzt ein Rettungsring gewesen, den ich Ihnen zuwerfen wollte. Doch Sie scheinen nicht danach greifen zu wollen."

"Rettungsring? Eben sagten Sie noch, Sie würden mich nicht verdächtigen."

"So wortwörtlich habe ich das sicher nicht gesagt. Ach, noch eine Frage, Sir! Haben Sie bei Ihrem letzten Besuch bei Mr. Redfield zufällig sein Telefon benutzt?"

"Ich habe mein eigenes Telefon, wie Sie wissen. Also wozu sollte ich auf seines angewiesen sein?"

"Also haben Sie es nicht benutzt?"

"Natürlich nicht. Waren das jetzt endlich alle Ihre Fragen? Sie waren doch schon so gut wie aus der Tür."

"Für heute war es das, ja. Aber vielleicht muss ich Sie morgen nochmal aufsuchen. Vielleicht fahren wir nochmal Bus, das war doch schön bei unserer ersten Begegnung."

"Bitte nicht! Ich habe die Zeit nicht. Und peinlich ist es mir auch, wenn Sie nochmal vor allen Leuten in meinem Bus solche Gespräche mit mir führen."

"Oder vielleicht laden wir Sie aufs Revier ein, um Sie nicht vor Ihren Fahrgästen in Verlegenheit zu bringen. Würden Sie kommen?"

"Habe ich denn die Wahl?"

"Sie müssten mit Ihrer Vorführung rechnen, wenn Sie nicht freiwillig kommen."   

Ein Schatten der Ungewissheit verfinsterte Corleys Miene, als Columbo schlussendlich doch die Tür schloss. Lucy warf ihrem Mann fragende Blicke zu, die er mit einer wegwerfenden Geste zu bagatellisieren versuchte.  


KAPITEL 7


Am Vormittag des nachfolgenden Tages war Tyron Corley nicht daheim. Wieder öffnete Lucy dem Inspektor. Diesmal wollte er nur mit ihr sprechen.

"Mrs. Corley, Sie müssen wissen, dass alles, was ich jetzt frage, reine Routinefragen sind, und sie bedeuten nicht, dass ich Ihrem Mann Schwierigkeiten machen will. Er war nun mal der Letzte, der Mr. Agnus Redfield, seinen Freund und Mieter, lebend gesehen hat und spielt daher für unsere Ermittlung eine zentrale Rolle."

"Stellen Sie halt Ihre Fragen!"

"Haben Sie gewusst, dass Mr. Redfield die letzten vier Monatsmieten zu zahlen versäumt hatte?"

"Davon hatte Tyron mir in den letzten Monaten nichts gesagt. Erst nach dem Selbstmord. Wenn es so war, dann hat er seinen Freund wohl in Schutz nehmen wollen, damit ich über ihn nicht schlecht denke."

"Können Sie mir sagen, um welche Uhrzeit Ihr Mann an dem Tag, an dem Ihre Mutter starb, auf seine abendliche Dienstfahrt ging?"

"Meine Mutter starb gegen 19 Uhr und mein Zeitgefühl war danach verständlicherweise ausgeschaltet. Ein paar Stunden war er noch bei mir, dann rief ihn die Pflicht, aber nageln Sie mich um Gottes willen nicht auf eine Uhrzeit fest. Ich ging auch früh schlafen und bekam nicht mit, wann er sich auf den Weg nach Bakersfield machte."

"Wissen Sie von irgendwelchen Differenzen zwischen Ihrem Mann und Agnus Redfield?"

"Sie waren doch zeit ihres Lebens gute Kameraden. Sicher werden sie sich auch mal gestritten haben, wie langjährige Kumpels das so machen, und werden sich immer wieder vertragen haben."

"Stimmt. Denke ich auch."

"Noch mehr Fragen, Inspektor?"

"An Sie waren das erstmal alle Fragen. Aber richten Sie bitte Ihrem Mann aus, er möchte morgen Vormittag aufs Revier kommen. Er will ja nicht, dass ich ihn im Bus besuche."

"Wozu müssen Sie denn ihn schon wieder befragen? Er fühlt sich belästigt durch Sie, merken Sie das nicht?"

"Doch, das merke ich, aber darauf darf ich in diesem Job keine Rücksicht nehmen. Guten Tag, Madame." 




KAPITEL 8



Es war der nächste Tag. Tyron wurde wie angekündigt auf die Polizeiwache gerufen, wo Columbo und weitere Polizisten ihn in Bedrängnis zu bringen versuchten.

"Columbo, Sie wissen, dass wir Personalmangel haben, und ich darf meine wertvolle knappe Zeit damit verschwenden, hierher zu kommen und mir wieder Ihre albernen Geschichten anzuhören!"
"Ich versichere Ihnen, es handelt sich nur noch um eine Kleinigkeit, die ich klären muss", beschwichtigte Columbo ihn.

"Und was, bitte? Ihre sogenannten Kleinigkeiten haben mich bereits genug Lebenszeit gekostet!"

"Es geht noch einmal um Ihr Alibi zur Tatzeit. Fürs Protokoll ein paar Fragen: Wann waren Sie zuletzt bei Agnus Redfield zuhause?" 

"Am Nachmittag vor dem Abend, an dem er sich das Leben nahm, war ich drin bei ihm, und später am Tag, bevor ich nach Bakersfield fuhr, war ich nochmal an seinem Briefkasten, um die Mahnung einzuwerfen. Ohne Umschlag, aber zweimal gefaltet."

"Haben Sie vielleicht an diesem Nachmittag oder Abend sein WLAN-Netz in Anspruch genommen?"

"Nein. Was soll diese Frage?"

"Ich versuche mein Glück noch einmal mit dem Online-Telefon. Ich halte ja nicht viel von solchen technischen Neuerungen, doch in diesem Fall war ich gezwungen, mich genauer damit zu befassen. Ich habe mir also so ein Ding – Sie nennen es, glaube ich, Smartphone – ganz genau erklären lassen, vor allem die Sache mit den Fotos, die Sie in Ihren Status gestellt haben, um es mit Ihren Worten auszudrücken. Sie zeigten mir bei unserer ersten Begegnung alle diese Bilder, auf denen Sie auch teilweise selbst zu sehen waren und deuteten auf das Feld mit Datum und Uhrzeit und die Anzeige, wer von Ihren Kontakten die Fotos ebenfalls gesehen und kommentiert hatte. Ja, die ersten Kommentare kamen schon vor 23 Uhr 25, als Agnus Redfield noch lebte. Offensichtlich waren Sie also weit entfernt, als Mr. Redfield starb. Aber man sagte mir, man könnte die betreffenden Bilder beispielsweise auch letzte Woche gemacht haben. Ich schätze, genau das haben Sie getan. Sie haben die Fotos bereits zu einem früheren Zeitpunkt gemacht, als Sie schon mal vor Ort waren, und zur Tatzeit in Ihren Status gestellt, damit es den Anschein erweckt, Sie wären zu der Zeit ganz woanders gewesen. Dabei waren Sie in Wirklichkeit bei Ihrem Freund und töteten ihn." 

Tyron holte sein Handy hervor.

"Wenn Sie mir nicht glauben, dass die Fotos zu der Zeit geknipst wurden, zu der sie auch hochgeladen und online gestellt wurden, schauen Sie sich doch die Originalbilder noch einmal an. Dann werden Sie das dazugehörige Datum und die Uhrzeit sehen können, was mein Alibi bestätigt."

"Auch darüber habe ich mich informiert. In diesem Fall wäre es möglich, dass Sie die Originalbilder, wann immer sie von Ihnen gemacht wurden, kurz vor der Tat bearbeitet haben. Sie brauchen nur an der Helligkeit etwas zu ändern und das Bild neu zu speichern, dann werden das Datum und die Uhrzeit der Bearbeitung automatisch übernommen. Ich nehme an, dass Sie etwas Derartiges getan und die wahren Daten der Originalfotos dadurch beseitigt haben."

"Wie Sie selbst sagen, können Sie all das lediglich annehmen, aber niemals beweisen. War es das jetzt endgültig?"

"Nein. Noch ein paar Fragen fürs Protokoll. Wo waren Sie am Morgen nach Mr. Redfields Tod?"

"Auf Dienstfahrt von Bakersfield nach L.A., wo Sie mich erstmalig belästigt haben. Darüber haben wir, weiß Gott, wie oft gesprochen, Columbo. Und ich bin es leid, dass Sie ständig erneut damit anfangen, nur weil Sie einen Schuldigen brauchen, um Ihren Fall abzuschließen!"

"Wann genau sind Sie nach Bakersfield losgefahren und wann kamen Sie dort an? Ihr Chef sagte mir nämlich, Sie hätten frei entscheiden können, ob Sie um 19 Uhr, um 20 Uhr, um 21 Uhr, um 22 Uhr oder später mit dem Ersatzbus losfahren. Hauptsache, Sie wären am Morgen danach in Bakersfield gewesen."

"Gegen 21 Uhr war ich bereits auf dem Highway. Die Fahrt hat etwa zwei Stunden gedauert. Um 22 Uhr 56 war ich bekanntlich schon dort, wo ich die Amphitheatre-Fotos schoss. Und wann sagten Sie, hat Agnus seine letzte Nachricht bei Facebook eingetippt?"

"23 Uhr 25."

"Warum reden wir dann überhaupt noch miteinander?"

"Wegen dem Mond."

"Wegen dem Mond?! Bitte? Sind Sie jetzt völlig von der Rolle, Columbo?"

"Ich habe mir doch neulich Ihre Fotos vom wunderschön hell erleuchteten Spectrum Aphitheatre im Park at River Walk bei Nacht in Bakersfield angesehen. Ihnen war dabei die Uhrzeit für Ihr Alibi wichtig, aber ich achtete mehr auf die Fotos an sich. Und mir fiel auf, der Mond über dem Spectrum Aphitheatre war ein abnehmender Mond. Die nach rechts offene Sichel war nicht zu übersehen. Schauen Sie gerne noch einmal selber nach! Und dann erklären Sie mir, wie es sein kann, dass wir heute Nacht fast schon Vollmond haben. Noch nicht ganz, Vollmond ist erst in zwei Nächten; ich habe es in meinem Terminkalender nachgeschlagen. Man kann es auch mit bloßem Auge sehen, wenn es nachher dunkel wird."

Tyron sprach jetzt erstmal nichts.

"Sie möchten es mir nicht erklären? Dann werde ich es Ihnen zum zweiten Mal erklären. Durch Ihren Vorgesetzten weiß ich ja, dass Sie die Touristenlinie L.A. - Bakersfield und zurück schon öfters gefahren sind. Das bedeutet wohl, Sie waren auch schon öfters im River Walk Park. Die Fotos, die Sie in der Todesnacht vor elf Uhr hochgeladen haben, waren - wie die Mondphase beweist - gar nicht an diesem Tag geschossen worden. Es waren ältere Fotos, die Sie bislang nicht hochgeladen hatten. Und damit ist wieder völlig unklar, wo Sie am betreffenden Abend zur fraglichen Zeit wirklich waren. Ich sage immer noch: Sie waren bei Agnus Redfield und ermordeten ihn."

"Ach, Columbo! Wozu sollte ich sowas Grausames überhaupt tun? Wozu sollte ich meinen alten Kumpel Agnus umbringen? Damit ich das Geld, das ich von ihm zu erwarten habe, nie wiedersehe? Wäre doch idiotisch."

 "Ich frage mich auch, was für ein Motiv Sie möglicherweise haben könnten. Und ich muss es Ihnen lassen: Ich kann keines finden. Das ist gut für Sie."

"Aber das hindert Sie natürlich nicht daran, mich trotzdem zu beschuldigen. Ich kann doch Fotos hochladen, wann immer ich lustig bin. Als ich in dieser Nacht wieder in Bakersfield war, erinnerte ich mich an die früheren Fotos und stellte sie ohne Hintergedanken in meinen Status. Es ist reiner Zufall, dass sie mir hinterher als Alibi dienlich waren. Das Alibi habe ich meinetwegen jetzt nicht mehr. Beweist das etwa schon meine Schuld an Agnus´ Ableben? Sie machen es sich einfacher als die Polizei erlaubt, Columbo."

"Es ist tatsächlich nicht einfach für mich, Ihnen irgendwas nachzuweisen, und ich habe das Gefühl, mich im Kreis zu drehen oder wie ein Fisch im Netz zu zappeln, aber vielleicht gelingt es mir doch noch. Wenn es nämlich Mord war und kein Selbstmord, dann muss es auch der Mörder gewesen sein, der für Mr. Redfield in dessen sozialem Netzwerk die falsche Abschiedsmeldung eingetippt hat. Damit muss auch unsere angenommene Todeszeit in Zweifel gezogen werden. Vielleicht starb der Mann schon viel früher, als Sie noch gar nicht unterwegs nach Bakersfield waren. Folgendes: Als wir die Leiche fanden, teilte mir der Kollege mit, das Smartphone sei auf Hotspot geschaltet. Inzwischen kenne ich auch die Bedeutung davon. Es heißt wohl, dass Mr. Redfield möglicherweise jemand anderem vor seinem Tod Zugang in sein WLAN-Netz verschafft hat."

"Also mir, denn sonst hat ihn ja niemand besucht. Damit wollen Sie sagen, dass ich in seinem Netz war, und dass ich bei ihm meine Alibifotos online gestellt habe, als ich gerade erkannte, dass ich ein Alibi brauchen würde, stimmt's? 

"Genau das will ich sagen." 

Columbo nahm das Smartphone des Opfers aus der Manteltasche.

"Das ist das Smartphone Ihres Freundes. Wir haben gar nicht mal die Zugangsdaten von seinem Anbieter erfragen müssen. Ihr Freund war diesbezüglich ganz schön unkompliziert. Er hatte ja niemanden, vor dem er seine digitale Privatsphäre schützen musste. Wir schalten das Ding hier auf diesem Knopf ein und schon ist das Gerät bereit, was auf dem Display bestätigt wird. Wenn ich jetzt hier oben dieses Feld herunterziehe, öffnen sich verschiedene Auswahlmöglichkeiten, wie Taschenlampe, Bildschirm drehen und... Hotspot. Wenn ich nun genau darauf drücke, kann ich von diesem Gerät dem Gerät einer anderen Person Zugang zu meinem Internet verschaffen."

Columbo drückte auf Hotspot. Kurze Zeit später erschallte ein "Duing!" aus Tyron Corleys Smartphone. Ein Leuchten in Columbos Augen wie von einem Kind am Weihnachtsmorgen erhellte das Gesicht des Inspektors.

"Haben Sie das Duing gehört?"

"Ja, das Duing war nicht zu überhören. Was war es? Wissen Sie´s?"

"Das war doch der Signalton an Ihrem Smartphone. Er fiel mir schon einige Male auf, als wir uns trafen. Sie wissen doch noch, als Sie mich ganz zu Beginn im Bus zur Fahrt ins Depot mitnahmen, da war dieses Signal ganz deutlich zu hören, zum Beispiel an der Haltestelle am Supermarkt oder neben der Kneipe, in der Sie Stammgast sind. Beim ersten Mal habe ich mir noch nichts dabei gedacht. Es fiel mir wieder ein, als ich gestern mit meiner Frau in der Stadt unterwegs war. Da hörte ich so ein Signal mehrmals von ihrem Handy. Ich fragte sie noch, ob sie das nicht ausschalten könnte und sie erklärte mir, es hätte damit zu tun, dass dieses Signal immer zu hören ist, sobald man in einem WLAN-Netz ankommt, das dem eigenen Gerät bekannt ist. Und jetzt kommt das Interessante: mit den Hotspot-Verbindungen ist es ebenso. Aber nicht nur das. Das Gerät, welches mit dem Hotspot verbunden war, speichert diese Verbindung für einige Zeit und verbindet sich somit automatisch wieder, sobald es sich erneut in der Nähe des gebenden Gerätes befindet und dessen Hotspot angeschaltet ist, so wie jetzt. Damit entfällt auch der Zugangscode, den man bei der erstmaligen Verbindung eingeben muss. Mr. Redfield hat Ihnen den Code neulich gegeben, dass Sie sich verbinden konnten. Wenn Sie uns jetzt freundlicherweise Ihr Smartphone geben, müssten wir darauf sehen können, dass Ihr Gerät soeben mit dem Hotspot Ihres Freundes verbunden wurde, was nach Ihrer zu Protokoll gegebenen Aussage nicht hätte passieren können."

Widerwillig rückte Corley sein verräterisches Smartphone heraus und gab es einem der umstehenden Polizisten.

"Ich hätte wohl besser zu Protokoll geben sollen, dass ich doch schon einmal in Agnus´ Netz war."

"Warum haben Sie nicht? Jetzt zappeln Sie stattdessen in meinem Netz, gefangen wie ein Fisch."

"Ich wollte doch mein Alibi nicht entwerten, erst recht nicht, nachdem ich so froh war, dass der Inspektor, der den Fall untersucht, keinen Peil von den technischen Finessen hat, die so ein Smartphone ermöglicht. Aber ich habe Sie wohl doch unterschätzt. Egal jetzt, ist mir echt wurscht, wie mein Leben weitergeht."

"Es ist sehr schön, dass der Fisch im Netz sich nicht länger wehrt und sich seinem Schicksal ergibt. Hier in diesem Heftchen stehen übrigens Ihre Rechte. Lesen Sie doch mal!"

"Kriegt man die nicht üblicherweise vorgelesen?"

"Schon, aber da Sie in der Orthographie noch Lücken aufweisen - siehe >Mahnung< ohne >h< - denke ich, Selberlesen könnte Ihnen ganz gut tun."

Genervt stieß Corley ein "Sehr witzig!" aus, bevor zwei Polizisten ihn ins Nebenzimmer führten. Der zufriedene Inspektor wählte mit Mr. Redfields Smartphone die Handynummer von Mrs. Columbo.

"Bist du es? Ja, ich bin´s. Ich rufe von einem fremden Handy aus an. Rat mal warum! Um dir zu sagen, dass du für mich einen Fall gelöst hast, Schatz. Du bist und bleibst mein Goldstück! Mach uns nichts zum Abendessen. Heute führe ich dich aus. Wie wäre es mit einem Fischrestaurant?"



ENDE
Columbologe
1. Polizeihauptkommissar
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Registriert: Mi, 10.10.2018 16:07

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