Columbo: Libretto für einen Mord

Wir möchten versuchen, eine Columbo-Episode in Roman bzw. Comic Form zu schaffen. Falls ihr Ideen für einen neuen Fall habt schreibt es hier.

Columbo: Libretto für einen Mord

Beitragvon Columbologe » So, 30.06.2024 17:55


KAPITEL 1

Im frühen Licht der Dämmerung, als er gerade genug sehen konnte, um ohne Taschenlampe seinen Weg zu finden, schlug sich Michael Havencorn durch die Büsche zur Autobahnbrücke, wo Lana Bootdyke ihn bereits erwartete. Er erblickte eine weibliche Gestalt am Rande der Brücke und ging zielstrebig auf sie zu.

"Mrs. Bootdyke?" 
Dies war nicht der Ort, an dem normalerweise irgendein Mann eine helle Sopranstimme singen hört, doch an diesem Morgen war alles etwas anders als normal.

"Mr. Michael Havencorn? Pünktlich auf zehn Sekunden!
Freut mich, dass Sie den Treffpunkt haben gefunden!
Dieser verlassene Ort, der ist schon
Ein perfekter Platz für unsere Konversation!"

Irritiert, leicht gereizt und minimal verängstigt entgegnete Havencorn:
"Dann lassen Sie uns auch sprechen und singen Sie nicht! Das soll doch hier ein seriöser Handel werden. Wenn Sie alles, was Sie mir zu sagen haben, singen, komme ich mir veräppelt vor. Also: Wann wollen Sie es erledigt haben?"
Lana Bootdyke stimmte zur zweiten Strophe an:

"Ich kann nicht anders als alles zu singen und zu dichten.
Könnten Sie unser Geschäft für heute Abend einrichten?
Wie wäre es mit 20 Uhr 10?
Nach dem Abendessen würde es geh'n."

Havencorns Laune verschlechterte sich weiter.
"Kein >>Wie wäre es mit<< bitte! Ich brauche klare Ansagen, Datum, Uhrzeit, Ort."
Lana stimmte zur dritten Strophe an:

"Das ist gut, Sie fangen schon an, 
mir unsympathisch zu werden, Mann!
Also Ansage: bei mir, zehn nach acht.
Haben Sie auch wirklich an alles gedacht?"

"In welcher Situation wird sich der große Richter befinden, wenn er hingerichtet werden soll, Sie verrückte Mrs. Bootdyke?"

"Er wird, vortrefflich gespeiset habend,
garantiert wie jeden Abend
im Wohnzimmersessel Zeitung lesen.
So ist es seit Jahren immer gewesen."

"Wo in Ihrem Haus befindet sich das betreffende Zimmer, von der Hintertür aus betrachtet?"

"Ihr Weg wird Sie geradewegs den Flur herunterführen, 
und dann nehmen Sie rechts die zweite von zwei Türen."

"Schlüssel?"

"Hier. Legen Sie ihn nach vollendeter Tat bitte
in den offenen Safe in der Zimmerwandmitte.
Aus demselben Tresor entnehmen Sie sonnenklar
auch Ihr versprochenes hinterlegtes Honorar.   
Und für den ungeheuerlichen Falle,
dass Sie mir misstrauen: Cash auf die Kralle
schon mal einen Vorschuss von immerhin
1000 Dollar, hier bitte, nehmen Sie ihn!"

Michael Havencorn steckte die Anzahlung grinsend und dankend in seine Jackeninnentasche. Seine Geschäftspartnerin hatte noch eine Frage, die sie wie alles zuvor Gesagte in melodiöse Versform brachte:

"Haben Sie den Brief, den ich hab' für Sie erdichtet,
wie ich es darin ersuchte, verbrannt und vernichtet?"

Havencorn steckte sich eine Zigarette an und sprach:
"Ich hätte den Brief den Bullen zeigen können. Ihr Vertrauen in meine Bereitschaft, dass ich bei Ihrem Plan mitmache, muss enorm groß sein." 
Er lauschte wieder Lana Bootdykes nervtötendem Gesang:

"Bei Ihrer Verurteilung vor sechs Jahren,
nach der Sie anschließend so zornig waren,
da weiß ich noch, wie Sie meinen Gatten,
den urteilenden Richter, angesehen hatten.
Der Blick, den Sie Buddy Bootdyke warfen zu,
schien zu sagen: >>Na, warte du!
Hab' ich erst meine Strafe abgesessen,
und hast du mich schon längst vergessen,
werd' ich kommen aus dem Hinterhalt,
um dich zu machen tot und kalt!<<
Ihr Blick verriet Ihren Charakter.
Die Chance, dachte ich mir, die packt er!
Biet' ich dem Typ genügend Geld,
dann gibt es nichts mehr, was ihn hält!
Sechs Jahre später seh' ich jetzt:
Ich hab' Sie richtig eingeschätzt."

Michael zog an seiner Zigarette mit Genuss.
"Ja, ich bin im Knast ein Egoist geworden. Das war ich vorher zwar auch schon, aber seit ich mehr Nachteile denn je habe, suche ich in jedem Angebot meinen Vorteil noch dringender als früher."

"Deshalb hab' ich Sie ausgewählt.
Sie sind das Arsch, das mir gefällt."

"Es kann mir zwar eigentlich wurscht sein, denn Hauptsache ist, ich kriege das Geld, aber warum wollen Sie Ihren Mann eigentlich umgebracht haben?"

"Er konnte bei 'ner Anderen landen,
und unsere Liebe kam uns abhanden.
Doch weil er sehr vermögend ist,
ersann ich folgende Hinterlist:
Buddy muss sterben -
und ich muss erben.
Und wenn ich hab' ein Alibi,
erwischt die Polizei mich nie!
Wenn Sie sich schleichen ins Haus rein,
werd' ich auswärts bei Zeugen sein." 

"Was macht Sie so sicher, dass ich nicht, ohne Ihren Mann zu erschießen, mit dem hinterlegten Geld im Safe abhaue?"

"Weil dann ein Zeuge übrig blieb,
der beschreiben könnt' den Dieb.
Natürlich könnten Sie genügsam, mit Verlaub,
mit 1000 Dollar sich machen aus dem Staub.
Drum wär's ein Zeichen von meinem Verstand,
würde ich Sie bitten um irgendein Pfand.
Etwas, das Ihnen immer bringt Glück
und das Sie darum möchten zurück.
Das Pfand lege ich dann auch, bevor
ich am Abend fortgeh', in den Tresor."

Michael griff kooperativ in seine Jacke und holte seine Brieftasche raus.
"Nehmen Sie mein Portemonnaie mit meiner Kreditkarte und meinem Ausweis. Die 1000 Piepen nehme ich raus. Die unnötigen Umstände, mir all die Papiere neu zu beschaffen, muss ich nicht haben. Also komme ich bestimmt heute Abend um zehn nach acht zu Ihnen und tue, was zu tun ist."

"Einverstanden! Unser Deal ist voll der Hit!
Aber nehmen Sie Ihre Waffe wieder mit!
Lassen Sie sie nicht am Tatort liegen!
Die Bullen sollen sie nicht kriegen.
Es darf keine Spur zu Ihnen führen,
sind Sie erstmal raus aus meinen Türen.
Und mich haben Sie nie gesehen!
Alles klar? Dann können Sie gehen."

Michael drückte seine Zigarette aus und trat sie hinunter auf die Autobahn.
"Sie sind zwar vollständig verrückt und ein Beweis dafür, dass unsere Gesellschaft am Arsch ist, Mrs. Bootdyke, aber wenn Sie mal wieder jemanden brauchen, der für Sie die Drecksarbeit erledigt, treten Sie gerne wieder an mich heran! Auf Wiedersehen."
Michael Havencorn marschierte zurück. Minuten danach verließ auch Lana Bootdyke den Ort des geheimen Treffens und trat fröhlich eine Melodie summend ihren Weg nach Hause an.


KAPITEL 2


"Bitte erheben Sie sich. Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil..."
Buddy Bootdyke stand aus seinem Richterstuhl auf und verkündete im Stehen, was er für rechtens hielt:
"Der Angeklagte Clyde Goldenground wird der unterlassenen Hilfeleistung an Charlton Rockwell am 26. Juli letzten Jahres für nicht schuldig befunden und freigesprochen. Sie können sich wieder hinsetzen."
Die Menge nahm wieder Platz.
"Das Urteil begründet sich wie folgt: Mr. Goldenground, Sie konnten nichts machen. Der verhängnisvolle Unfall war passiert und jede Hilfe wäre zu spät gekommen. Wenn Sie sich nun aufgeopfert hätten, wäre das vergebens gewesen, also kam es auf Ihr Handeln nicht an. Damit ist der Fall für mich abgeschlossen und Sie alle können nach Hause gehen und zu Abend essen. Ich werde das jetzt auch tun."
Der Angeklagte schüttelte seinem Verteidiger lächelnd die Hand, warf Richter Bootdyke einen dankbaren Blick zu und verabschiedete sich stumm und widerspruchslos aus dem Gerichtssaal.

Es war 19 Uhr, als Lana Bootdyke den Fernseher ausschaltete. Sie hatte gerade die neue Folge "Ein Herz im Abseits" ihrer Opernserie "Lana" geschaut. Nun bereitete sie Knödel mit Senfsauce zu. Ihr Mann, Richter Buddy Bootdyke, war pünktlich um viertel nach sieben daheim, und um halb acht wurde gespeist. Beim Essen sang Lana vergnügt:

"Lieber Mann, lass das Essen dir schmecken!
Vielleicht wirst du schon heut' verrecken! 
Dann würde dies deine Henkersmahlzeit sein.
Ich tanz' dann auf deinem Grab, du Schwein!"

Buddy verging der Appetit.
"Lana, lass das Singen! Ich kann dir nur immer wieder dasselbe empfehlen, Tag für Tag: Lana, lass das Singen!"
Woraufhin die nächste Strophe erklang:

"Nein, ich lass' das Singen nicht!
Lieber als darauf, da verzicht'
ich auf die Ehezeit mit dir,
und trenn' mich von dir heut und hier!
Die Fernsehserie, die ich schreib',
ist mir der liebste Zeitvertreib.    
Die Opern haben mich angesteckt.
Sag mir, wie dir das Essen schmeckt!"

Lustlos kaute Buddy seine Knödel.
"Überlass das Singen denen, die es gelernt haben! Tralala-TV ist sowieso ein Sender, den kein Schwein guckt; das fällt den Programmgestaltern nicht mal auf, wenn dein Soap-Operetten-Kitschformat ein Quotenflop wird. Und dein Fraß heute Abend ist dir gründlich misslungen. Morgen muss es besser werden."

"Bin ich erst Witwe irgendwann,
hält jemand um mein Händchen an,
dann reich' ich meine treue Hand
Nur einem Mann mit Kunstverstand!"

"Andere Verstandesformen darf er aber nicht haben, wenn er sich für eine durchgeknallte Ehefrau wie dich entscheiden soll. Gesunder Menschenverstand beispielsweise wäre schon hinderlich."

"Auch wenn's dir nicht geschmacket hat,
so hoff' ich, bist du trotzdem satt."

"Erst recht dann, wenn es ein widerlicher Fraß war, will ich keinen Nachschub."
Lana öffnete das Wohnzimmerfenster, damit sich der Geruch ihres vermurksten Abendessens aus den Räumen verziehen konnte. Buddy sagte:
"Ich gehe jetzt meine Zeitung lesen. Schreib du derweil mit sinnlos vergossenem Herzblut an deiner Singsang-Schmalzserie weiter!"
Lana gehorchte und stieg die Treppen hinauf in ihr Arbeitszimmer. Die Lana-Folge "Sehnsucht nach dem blauen Mond" rief nach Vollendung. Übernächsten Monat sollte sie schon gesendet werden können.

In seinen Sessel gelehnt, blätterte Buddy durch die Nachrichten des Tages. Er hörte nicht, wie um kurz nach acht leise ein Schlüssel in die Hintertür des Hauses gesteckt wurde, und auch nicht, wie sich die Tür öffnete und schloss. Aber die knirschenden Schritte auf dem Flur, die machten Buddy hellhörig. Er hatte gerade seine Zeitung beiseite gelegt und wollte aufstehen, als eine finstere Männergestalt mit Handschuhen an den Händen im Wohnzimmereingang stand. Buddy riss entsetzt die Augen auf und rief:
"Wer sind Sie? Wie kommen Sie in mein Haus? Verschwinden Sie auf der Stelle oder ich rufe die Polizei!" 
Michael Havencorns Blick war gnadenlos, als er sprach:
"Wen man ins Gefängnis schickt, damit er ein besserer Mensch werde, kommt als größerer Ganove wieder heraus. Da siehst du es jetzt, Bastard!"
Er streckte seine rechte Hand aus und drückte seinen Revolver ab. Der Schuss jagte durch Buddy Bootdykes Schädel, bevor der Mann noch ein Wort sagen konnte.
Zu seiner Überraschung vernahm er zum zweiten Mal am Tag den glockenhellen Soprangesang seiner Auftraggeberin:

"Fürwahr, Sie haben ihn umgebracht!
Mein Lob! Das haben Sie toll gemacht!"

Michael drehte sich um und konnte nicht fassen, was er sah.
"Mrs. Bootdyke! Was zum Geier tun Sie hier? Den guten Plan ruinieren? Sie wollten sich doch auswärts Ihr Alibi verschaffen."
Da sang sie auch schon die nächsten Verse:

"Ich werd' von allen Planentwürfen
doch wohl den besten nehmen dürfen."

Lana, die hinter ihrem Rücken selber einen Revolver verborgen gehalten hatte, zielte wie Michael zuvor bei Buddy auf die Stirn, damit ihr Opfer keine Zeit mehr haben würde, zurück zu schießen. Lana drückte ab und sang dabei:

"Auf frischer Tat ertappt, eiskalt
wurde der Mörder abgeknallt. 
Tja, in einer gerechten Welt ist es nicht zu vermeiden,
über Dritte gebrachtes Unheil selbst zu erleiden."

Bevor der Schuss ihn im Gehirn traf, dachte Michael Havencorn noch einen Sekundenbruchteil darüber nach, wie es passieren konnte, dass er dermaßen fies hereingelegt wurde. Danach war er zu keinem Gedanken mehr fähig. 
Lana ging zum geöffneten Wohnzimmerfenster und schaute heraus, ob sich vielleicht Nachbarn an ihren Fenstern befanden, die nachsehen wollten, woher die Schüsse kamen. Leise sang sie bei sich:

"Für die Bullen soll es kein Rätsel sein:
Durch das geöffnete Fenster drang er hinein.
Offen gelassen hatten wir es nur
Zwecks optimaler Luftzufuhr.
Mein Plan wäre dazu verdammt, nicht zu klappen,
tät' ich mir nicht meinen Hausschlüssel zurück schnappen."

Lana langte in die Hosentasche ihres Opfers und nahm den Hausschlüssel, den sie ihm am Morgen ausgehändigt hatte, wieder an sich. Dann stolperte sie zum Telefon und sang in den Hörer:

"Eilen Sie schleunigst herbei, herbei,
Sie Freunde und Helfer der Polizei!
Kommen Sie rasch, kommen Sie geschwind!
In meinem Wohnzimmer zwei Leichen sind!"



KAPITEL 3


Verschiedene Polizisten tummelten sich nun in Lanas Wohnzimmer und untersuchten die zwei toten Männer. Einer von ihnen trug einen Regenmantel. Ihm war offenbar die Leitung des Falles übertragen worden, denn er stellte die meisten Fragen.

"Na, Sergeant, irgendwelche Ungereimtheiten bisher, die nicht zur Darstellung passen?"
Sergeant Sheffbeck, der junge Kollege, schaute etwas verdutzt.
"Kann ich nicht sagen, Inspektor Columbo. Was denn zum Beispiel?"
Columbo kratzte sich mit der linken Hand am Kopf, während er mit der rechten seine Zigarre zum Munde führte.
"Wir haben doch hier zwei Erschossene, die der Erzählung nach von zwei unterschiedlichen Personen mit unterschiedlichen Schusswaffen getötet wurden. Da könnte es doch theoretisch sein, dass laut dem ballistischen Befund überraschenderweise auf beide Opfer mit derselben Waffe geschossen wurde, oder dass die Kugeln vertauscht sind. Nichts dergleichen, nein?"
Sheffbeck zuckte mit den Schultern.
"Nun, wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen, aber nein, nichts deutet zunächst darauf hin, dass es anders gewesen sein kann als auf den ersten Blick offensichtlich ist."
Columbo lächelte verschmitzt:
"Sie müssen verzeihen, nach über vierzig Jahren bei der Truppe bin ich es einfach nicht gewöhnt, dass das Offensichtliche auch das Wahre ist. Wer ist die Dame da?"
"Die Witwe des getöteten Hausherrn, Lana Bootdyke."
Der Sergeant fragte Lana höflich: "Madame, wollen Sie nicht schon zu Bett gehen, um zu versuchen, etwas Ruhe zu finden? Sie sind so aufgedreht und stehen offenkundig unter einem verständlichen Schock, weswegen Sie alles, was Sie aussagten, nicht sagten sondern sangen."
Lana aber entgegnete melodisch:

"Ich schönste aller schönen Frauen
lass' mir mein Leben nicht versauen.
Und außerdem und wirklich echt,
ich komm' mit mir schon gut zurecht."

Der Sergeant kommentierte das mit einem Schweigen, wandte sich wieder dem Inspektor zu und teilte ihm mit:
"Keine Fingerabdrücke des Eindringlings auf dem Fenstergriff, Columbo."
"Keine Überraschung. Die Handschuhe hatte er natürlich von Anfang an getragen. Aber in diesem Fall wissen wir ja sowieso, wer hier eingedrungen ist: der Tote zu unseren Füßen, wie immer er auch heißen mag. Gibt es sichtbare Abdrücke von seinen Schuhen direkt unter dem Fenster?"
"Das, Inspektor, wird auf dem fransigen Teppichboden unter dem Fenster schwierig zu verifizieren sein, aber ich denke, wir brauchen wirklich nicht alles hieb- und stichfest zu überprüfen, wenn der Fall so klar ist wie hier."
Columbo hakte nach:
"Meinen Sie, Sergeant? Man merkt, Sie sind noch neu..."

Lana hatte übrigens ihre eigene Erklärung für das Fehlen von Fingerabdrücken am Fenstergriff:

"Natürlich keine, das ist doch klar,
weil das Fenster schon offen war,
bevor dieses verfluchte Schwein
durch das Fenster stieg herein!"

"Ach so, ja, das macht auch Sinn", befand Columbo, bevor er das Gespräch mit dem Sergeant beendete:
"Noch was?" 
"Die Nachbarn sagten übereinstimmend aus, wie viele Sekunden in etwa zwischen dem ersten und zweiten Schuss vergangen waren. Ihre Aussagen decken sich mit denen der Witwe Bootdyke."
Columbo qualmte seine Zigarre und lief ein wenig ziellos von Raumecke zu Raumecke.
"Würden Sie mir den Tathergang, so wie Sie ihn wahrgenommen haben, noch einmal in allen Einzelheiten schildern, Madame?"
Lana sang:

"Mein Mann ist nach dem Essen in seinem Lesesessel gewesen.
Das Wort Lesesessel bitte einmal rückwärts lesen!
Gegen acht Uhr hörte ich einen Schuss und fühlte mich alarmiert.
Kurz darauf ist die zweite Tötung passiert.
Ich griff zum Revolver, der in meinem Nachttisch lag,
und bescherte dem Einbrecher, den ich überraschte, seinen letzten Tag.
Bevor er auch mich noch erschießen konnt',
führte ich mich auf wie 007 James Bond
und wehrte tollkühn seinen Angriff ab,
weshalb ich das Gefecht wohl gewonnen hab'. 
Im nächsten Moment griff ich auch schon,
um Sie zu rufen, zum Telefon.
Alles verhält sich so, wie ich es Ihnen gesungen hab'.
Es stimmen alle Informationen, die ich Ihnen gab.
Schließen Sie, Mr. Columbo, den Fall nun ab?"

"Bedaure, Madame. Ich fange gerade erst an mit diesem Fall. Ich kenne noch nicht mal die Identität des Opfers beziehungsweise des Täters. Und das Szenario, das Sie schildern, wirft ein, zwei Fragen auf, die ich mir erst beantworten muss. Sagen Sie mir bitte, hörte Ihr Mann vielleicht Musik, während er für gewöhnlich Zeitung las?"

"Nee, Musik, egal welche, die lenkte ihn ab.
Ihn nervte schon, wenn ich gesungen hab'."

"Das kann ich gar nicht verstehen... so schön wie Sie singen!", lächelte Columbo schelmisch. "Was ich außerdem auch nicht verstehen kann: Wenn Ihr Mann stumm im Sessel gelesen hat und es ruhig im Haus war, hätte er nicht das Eindringen eines Fremden hören müssen? Und wäre er dann nicht umgehend von seinem Lesesessel aufgestanden, um nachsehen zu gehen, woher die Geräusche kommen?  Und welche Veranlassung hätte ein Einbrecher, sich gegen einen unbewaffnet im Sessel sitzenden Hausherrn zur Wehr zu setzen?"  
Lana schlug vor:

"Bevor wir uns in Spekulationen verlieren,
sollten wir uns auf Tatsachen konzentrieren."

"Was sind denn zum Beispiel Tatsachen, Mrs. Bootdyke? Erzählen Sie mir bitte welche; ich bin am Anfang eines neuen Falles für jede Unterstützung dankbar. Was gibt es über Ihren Mann zu sagen, was ich Ihrer Meinung nach unbedingt wissen sollte?"

"Mein guter Mann Buddy war im ganzen Land
als wohl verdienender Richter bekannt.
Es liegt wohl nah, dass von seinem Gold
der Einbrecher was klauen wollt'.
Es hängt im Haus gar mancher Schatz,
der nicht im Wandtresor fand Platz.
Doch wollt' der Dieb ungestört sein,
nur leider war die Luft nicht rein.
Alle Lebenslichter hier im Haus,
wollte er darum schießen aus.
Doch bin ich ihm zuvorgekommen.
Mein Leben hat er nicht genommen.
Ich danke Buddy, der so toll war,
uns einst zu kaufen den Revolver.
Wie hätt' ich sollen mein Leben retten,
wenn wir den nicht besessen hätten?
Die Schwerstarbeit, auf die richtige Spur zu kommen,
hab' ich Ihnen hiermit hoffentlich abgenommen."

Columbo lächelte die Witwe warmherzig an.
"Ich bin wirklich beeindruckt von Ihnen. Denken Sie sich das alles spontan aus oder sind das vorgefertigte und auswendig gelernte Textzeilen? Das reimt sich ja alles immer so schön, was Sie sagen, besser gesagt singen! Ich muss nachher unbedingt meiner Frau von Ihnen berichten; die liebt Gedichte. Wenn ich der erzähle, dass ich heute Abend eine Dame kennengelernt habe, die alles in Versform singt, was sie aussagen will, das wird sie mir bestimmt nicht glauben!"
Lana fühlte sich verstanden und entgegnete:  

"Bevor Sie gleich gehen aus meinem Leben,
darf ich Ihnen noch einen TV-Tipp geben?
Schauen Sie doch morgen Abend mit Ihrer Frau
mal eine Folge >>Lana<< auf Tralala-TV!
Das ist nämlich die Arbeit, die ich betreibe,
weil ich zu >>Lana<< immer das Libretto schreibe.
>>Lana<< läuft immer wochentags um halb sieben.
Frauen mit Niveau wie die Ihre werden die Serie lieben."

Columbo gestikulierte abwinkend mit seinen Armen:
"Oh, ich bin sicher, meine Frau kennt diese Serie schon. Ich werde sie fragen, wie sie die findet. Bloß ich habe oft abends zu arbeiten und komme selten zum Ansehen täglicher Serien. Aber ich verspreche Ihnen, ich werde versuchen, mir irgendwann einmal Zeit dafür zu nehmen, jedenfalls danke für die Empfehlung. Tja... das wäre für heute alles. Mein aufrichtiges Beileid nochmal zum Tod Ihres Gatten und zum Glück hat der Einbrecher nicht auch noch Sie ums Leben bringen können!"
Leichenträger entfernten der Reihe nach die Toten aus den Räumlichkeiten und Lana Bootdyke fand ihren Frieden, als sie eine Stunde später glücklich in den Schlaf fiel.


KAPITEL 4


Columbo hatte an diesem Abend noch die unerfreuliche Aufgabe, der 84-jährigen Mutter von Buddy Bootdyke die schlimmste Nachricht zu überbringen, die eine Mutter erhalten kann. Der Inspektor und die Seniorin saßen nebeneinander auf dem Sofa und redeten.
"Haben Sie Kinder?", fragte die alte Dame, in Tränen aufgelöst.
"Ich habe Neffen und Nichten. Wir waren zuhause sechs Kinder. Eigene Nachkommen waren meiner Frau und mir nicht vergönnt, und bei meinem Beruf weiß ich, ich könnte nicht eine Minute ohne Angst um sie leben, wenn ich welche hätte."
"Buddy war mein einziges Kind. Wäre ich doch vor ihm weg gewesen! Wie soll ich diese Welt guten Gewissens verlassen können, wenn ich weiß, dass nichts von mir weiterlebt? Dieses Ereignis ist in alle Ewigkeit nicht rückgängig zu machen. Und wenn ich daran denke, dass Buddys Nachlass noch nicht mal in meine Hände übergeht, so dass ich darüber vernünftig verfügen kann, wird mir noch viel übler."
"Gönnen Sie der bedauernswerten Witwe nicht ihre Erbschaft, Mrs. Bootdyke?", wunderte sich Columbo.
"Von wegen bedauernswert. Diese selbstverliebte Zweckoptimistin zwingt sich doch mit aller Gewalt zum Fröhlichsein! Ich wollte wetten, dass sie sogar in schrecklichen Situationen wie dieser ihr sanguinisches Temperament voll ausspielen wird."
"Sie meinen, weil sie immerzu singt, so als sei das Leben eine Komödie, ein Theaterstück oder eine Oper?"
"Also hat sie es heute Abend bei Ihnen auch getan? Ich wusste es doch! Eine mitmenschliche Kommunikation ist mit diesem Weib doch gar nicht mehr möglich. Früher war sie normal, sonst hätte Buddy sie auch nie zur Frau seines Herzens auserkoren."
Columbo überlegte, ob er sich eine Zigarre anzünden sollte, aber er ließ es aus Pietät bleiben.
"Vielleicht kommt sie nochmal zur Besinnung, wenn sie ihren Job als Drehbuchautorin für ihre Fernsehreihe quittieren muss?", machte Columbo der alten Dame Hoffnung.
"Ihr Wort in des Herren Ohr!"
"Jeder Jeck ist anders, und manch einer verändert sich eben erst mit der Zeit. Apropos Zeit: Es ist spät geworden und ich glaube, Sie wollen sich jetzt ausruhen, Mrs. Bootdyke. Wenn Sie also möchten, kann ich jetzt gehen und Sie mit Ihrem Schmerz alleine lassen."
Die Alte nickte, Columbo legte ihr die Hand auf die Schulter und verließ schweigend mit gesenktem Kopf das Haus.


KAPITEL 5


Es war der Tag nach der vollendeten Tat. Lana Bootdyke tanzte beschwingt durch ihr Haus, das sie fortan mit niemandem mehr teilen musste, der nichts für ihre Art zu leben übrig hatte. Sie freute sich auf die Rückmeldung dieses freundlichen Inspektors zu ihrer Fernsehserie, die Mrs. Columbo vielleicht sogar regelmäßig sah.

Für die anberaumten Verhandlungen, die Richter Buddy Bootdyke an jenem Tag führen sollte, musste sein Vorgesetzter Richard Copeland in Windeseile einen Ersatz finden.
Inspektor Columbo saß am frühen Morgen in dessen Büro und überbrachte ihm die Todesmitteilung.
"Erschossen von einem Einbrecher", schüttelte Copeland fassungslos den Kopf, "das wird besonders die reizende Ehefrau hart getroffen haben."
"Kennen Sie sie?", fragte Columbo.
"Ja, bis vor einem Jahr war sie die anhänglichste Ehefrau, die man sich vorstellen kann. Jede freie Minute ihres Tages verbrachte sie im Sitzungssaal, um ihrem Mann nahe sein zu können und um seine Arbeit zu beobachten, von der sie fasziniert war."
"Und seit einem Jahr ist das nicht mehr so?"
"Buddy war recht froh darüber, dass seine Frau seit letztem Jahr einer kreativen eigenen Arbeit nachgeht und ihm nicht täglich auf die Finger schaute. Das gab ihm Freiräume, die er bis dahin nicht hatte. Er machte aber auch hin und wieder Bemerkungen, dass er sich wünschte, seine Frau möge einsehen, dass sie psychiatrische Hilfe benötige, weil sie sich mehr und mehr von der Realität entfernte."
Columbo stockte kurz in Gedanken und ergänzte dann:
"Jedenfalls war sie geistesgegenwärtig genug, zu ihrem Revolver zu greifen, als sie gestern Abend den Schuss hörte, der ihren Mann das Leben kostete, und sie verhinderte mit einer Gegenattacke, dass der gefährliche Eindringling auch sie töten konnte."
"Wissen Sie, wer der Kerl ist?", fragte Copeland.
"Ja, anhand seiner Fingerabdrücke konnten wir das ermitteln. Papiere hatte er keine dabei, wohl für den Fall, dass er beim Einbruch erwischt werden sollte. Michael Havencorn. Er saß bis vor ein paar Wochen im Knast wegen Totschlags in zwei Fällen."
"Der Name sagt mir was," sinnierte Richard Copeland. "Wir müssten eine Akte über ihn haben. Michael Havencorn ist diesem Strafgericht ein Begriff gewesen. Ich halte es für denkbar, dass genau unser Buddy Bootdyke damals das Urteil über Havencorn gefällt hatte."
"...womit Raub in einem zufällig gewählten Haus ausscheiden würde," bemerkte Columbo. "Dann wäre der Mord an Mr. Bootdyke als geplanter Racheakt für die geraubten Lebensjahre in Freiheit zu verstehen."
"So mancher Inhaftierte ohne Gerechtigkeitssinn droht unserem Gericht nach seiner Verurteilung eine Vergeltung an, sobald er auf freien Fuß kommt, so als hätten wir bei unserer Arbeit einen Fehler gemacht, für den wir geradestehen müssten. Aber gottlob sind es nur wenige, die nach ihrer Freilassung direkt wieder straffällig werden, weil sie die Drohung wahr machen."
Columbo war in seine Gedanken vertieft:
"Dann wäre es aber auch möglich, dass Bootdykes Frau diesen Michael Havencorn kannte. Denn wie Sie mir eben sagten, war sie bis letztes Jahr regelmäßige Prozessbeobachterin in den Fällen ihres Gatten. Allerdings gab sie uns zu Protokoll, das Gesicht des Einbrechers nie zuvor gesehen zu haben."
"Es klingt für mich so, als müssten Sie darüber noch nachdenken, Inspektor. Selbst wenn sie damals Prozessbeobachterin gewesen wäre, müsste sie sich nicht zwangsläufig Jahre später an jeden Angeklagten erinnern können."
Columbo stimmte Richard Copeland zu und bat um die Havencorn-Akte.



Lana erledigte an diesem Tag den Gang zum Beerdigungsinstitut, zu ihrem Versicherungsinstitut und zu ihrem Anwalt wegen der Erbschaft. Am Abend um halb sieben schaute sie die neue Folge "Lana: Ein Traum von vorgestern" und war beeindruckt, wie gut die Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Liedzeilen performten.


KAPITEL 6


Am folgenden Tag schrieb Lana Bootdyke gerade an ihrem neuesten Libretto, als Inspektor Columbo zum zweiten Mal bei ihr aufkreuzte. Lana lächelte breit, als sie ihn auf der Matte stehen sah, und bat ihn herein:

"Sie sind es, Inspektor Columbo, oh wie fein!
Ich bitte Sie: kommen Sie doch herein!"

Sie bot ihm etwas zu trinken an, deutete auf das offene Libretto auf dem Tisch, teilte ihm mit, dass sie es fast fertig hätte, und freute sich auf die aufkommende Unterhaltung.

"Da Sie die Sprache darauf bringen... ich hatte Ihnen ja versprochen, meine Frau zu fragen, ob sie >>Lana<< auf Tralala-TV kennt und guckt."
Da sang Lana mit ihrem glockenklarstem Sopran:

"Lassen Sie uns ausführlich darüber sprechen!
Vermag >>Lana<< das Herz Ihrer Frau zu brechen?"

"Also offen gesagt hat sie die Serie gestern Abend zum ersten Mal gesehen, nachdem ich sie ihr empfohlen hatte. Sie konnte ja erstmal nicht glauben, dass die Autorin, die die Librettos schreibt, im echten Leben so agiert wie die Figuren in ihrer Serie, die im Alltag alles singen, was sie sich denken. Mrs. Columbo fand es aber eine interessante Konzeption für eine Serie, und ihr Urteil über die gestrige Folge hat sie mir ebenfalls in Versform vorgesungen."

Lana klatschte begeistert in die Hände und drängte darauf zu erfahren, was genau Mrs. Columbo gesungen hatte. Columbo setzte dazu an, seine Frau nachzuahmen, doch in die hohen Oktaven, in denen Lana zu singen pflegte, stieg er mit seiner Stimme nicht empor:

"Das will ich Ihnen gerne singen. Sie sang:
>>Da habe ich nun viel Zeit verschwendet
für ein Märchen, das nicht mal glücklich endet!
Als Fazit steht am Ende des Berichts:
Gebracht hat mir das Zuschauen nichts!<<"

Lana war maßlos enttäuscht über das Missfallen und fasste es in Reime:

"In mir macht sich maßlose Enttäuschung breit.
Immerhin ist Ihre Frau eine Ausgeburt der Ehrlichkeit.
Und wie es mich zu Tränen rührt,
dass Ihr Weg Sie trotzdem wieder zu mir führt!"

Columbo sprach unerschrocken aus, was ihn umtrieb:
"Ja, Mrs. Bootdyke, aber ich komme auch aus einem zweiten Grund, der sogar noch wichtiger ist. Ich habe nämlich den gesamten gestrigen Tag mit Ermittlungen an Ihrem Fall zugebracht und bin zu einer völlig neuen Sichtweise gekommen. Ich sprach unter anderem mit Ihrem Anwalt, der mir versicherte, dass Sie die Haupterbin des Nachlasses Ihres Mannes sind. Ist das vielleicht der Grund, weswegen Sie keine Anzeichen von Traurigkeit ausstrahlen?"

"Das Leben ist oft schwer und hart.
Es bleibt uns nie ein Leid erspart.
Wir müssen es uns leichter machen,
drum soll'n wir spielen, singen, lachen!"

"Das ist sicherlich ein vernünftiger Ansatz", pflichtete Columbo bei. "Ihre Spielfreude drückt sich scheinbar auch in den ernsten Lebenslagen aus. Auch der Einbrecher wurde das Opfer eines abgekarteten Spiels von Ihnen. Er war ein verurteilter Mörder, der jetzt wiederum selber ermordet wurde, und zwar von Ihnen. So wie Sie Ihre Librettos schreiben, haben Sie auch ein Drehbuch für seine geplante Tötung erarbeitet und durchgeführt."
Lanas Freude von vorhin, als sie Columbo einließ, war nun vollends futsch. Columbo führte näher aus, was ihm als Theorie im Kopf herumgeisterte, bis Lana ihn schließlich energisch unterbrach:

"Was für ein brutales Wort!
Sie reden von Heimtücke, von Mord?
Das wird Ihnen von mir übel genommen.
Wie können Sie nur auf sowas kommen?
Sie denken, ich hätte ihn angeheuert,
damit er meinen Mann abfeuert?
Sie denken, ich hätt' unverdrossen
ihn planmäßig eiskalt erschossen?
Sie packen an ein heißes Eisen!
Der Vorsatz ist mir nachzuweisen!"

Columbo, fasziniert von der zweifellos spontanen Dichtkunst seiner Beschuldigten, übte sich darin, ihr ebenbürtig zu werden, als er jetzt wieder selber zu singen begann:

"Warum war des Einbrechers Identität uns so unbekannt?
Ich dachte mir: Weil man bei ihm keinen Ausweis fand!
Erst nachdem man ihm seine Fingerabdrücke abgenommen,
hat man dadurch seinen Namen herausbekommen,
Denn das Kerlchen wurde schon früher polizeilich erfasst.
Michael Havencorn hockte bis vor kurzem noch im Knast. 
Und der Richter, durch den in den Bau er damals kam, 
ganz recht: Buddy Bootdyke war sein werter Nam'!"

Nun hatte Lana jemanden gefunden, mit dem sie auf Augenhöhe kommunizieren konnte. Leider ausgerechnet jemanden, der nichts Nettes zu singen hatte. Sie sang im Gegenzug:

"Gute Ermittlungsarbeit, echt!
Also hat sich dieser Michael an meinem Buddy gerächt."

Columbo fuhr fort: 

"Zumindest hat das so scheinen sollen.
Das haben Sie mich glauben lassen wollen.
Mich aber hat die Frage interessiert:
Was ist mit Havencorns Ausweis passiert?"

"Da würde ich doch mal ganz mutig darauf wetten,
dass Sie den bei ihm zuhause gefunden hätten."

Columbo erhob den Zeigefinger und intonierte:

"Ich war heute früh sogar in seiner Wohnung!
Und was war wohl dafür meine Belohnung?
Auf den Kopf stellte ich sie, habe sie komplett durchsucht,
und absolut nichts dabei gefunden! Wie hab' ich da geflucht!"

Lana hatte nun Grund, wieder zu lächeln und sich in Sicherheit zu wiegen. Dem Inspektor, der zwar die richtige Theorie verfolgte, fehlten die Beweise, und das sang Lana ihm offen und grinsend ins Gesicht:

"Da brauchen Sie wohl irgendwelche Fallen und Finten,
denn Beweise fehlen Ihnen vorne und hinten!"

Worauf Columbo melodisch schallend meinte:

"Aber heutzutage geht bei jedem Schritt
George Orwell's großer Bruder mit.
Sie wissen: Jede Reise, die Sie machen,
lässt sich doch per Chip überwachen.
Auch Havencorn war gut verwanzt:
Im Ausweis ist ein Chip eingepflanzt.
Drum hat mir die Fahndung dann verraten
vom Aufenthaltsort die Koordinaten.
Der Ausweis liegt - ja, ei der Daus! -
laut Ortungsgerät hier im Haus!"

Lana verstand langsam und reimte sich zusammen:

"Dann hat also offensichtlich dieses Arsch mit Ohren
Beim Einsteigen in mein Haus seine Brieftasche verloren!"

Columbo holte zu seinem großen Schlag aus:

"Es ist aber leider so, dass laut dem smarten Ortungsprotokoll 
der Ausweis sich schon Stunden zuvor da befunden haben soll,
wo er jetzt noch immer liegt; laut Koordinaten wäre das: im Tresor.
Öffnen Sie den Safe mal bitte, holen Sie den Schatz hervor!" 

Jetzt erst fiel Lana ein, dass sie ihrem Opfer nach dem Mord eigentlich das Pfandstück, das sie Michael Havencorn abverlangt hatte, damit er vor seiner Aufgabe nicht im letzten Moment kneifen würde, wieder zustecken wollte. Im Eifer des Gefechts und nachdem sie siegreich daraus hervorgegangen war, hatte sie völlig verschwitzt, diesen Pflichtakt auszuführen, bevor sie die Polizei rief. Nun klatschte sie sich vor die Stirn, wie es sonst nur Columbo konnte:

"Ein ärgerlicher Fehler war's,
dass ich nach meiner Tat vergaß,
die Geldbörse aus dem Tresor
in aller Ruhe zu holen hervor
und sie Havencorn nach dem Verrecken
wieder in seine Jacke zu stecken.
Was wird es nun in meinem Leben
an großen Veränderungen geben?"

Columbo klappte das Libretto, an dem Lana gerade geschrieben hatte, demonstrativ zu, und schloss seine Arie mit der realistischen Prognose:

"Als Verantwortliche für den Tod von diesem Havencorn-Schuft
atmen Sie zukünftig vermutlich nur noch Gefängnisluft."

_____

ENDE


  
Columbologe
1. Polizeihauptkommissar
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