Columbo: Push "D" for Death (Teil 2)

Wir möchten versuchen, eine Columbo-Episode in Roman bzw. Comic Form zu schaffen. Falls ihr Ideen für einen neuen Fall habt schreibt es hier.

Columbo: Push "D" for Death (Teil 2)

Beitragvon Columbologe » Mi, 06.12.2023 01:34


KAPITEL 3

Es war Tag 1 nach Meadows. Der Inspektor hatte Recherchen angestellt und war nun mit seinem Peugeot auf dem Weg zu Gavin Carlissons pompösen Anwesen. Es öffnete ihm aber nicht, wie er das bei solchen Häusern gewohnt war, ein Bediensteter, sondern Katherine Carlisson, Gavins Ehefrau, die auch gestern im Publikum saß und Meadows' Tod mit beobachtet hatte. Sie erkannte Columbo sofort wieder und bat ihn, einzutreten.
"Wenn Ihr Mann noch auf der Arbeit ist, komme ich später nochmal wieder", bot Columbo an.
"Oh nein, er müsste jeden Moment nach Hause kommen. Sie können gerne reinkommen und auf ihn warten", empfing Mrs. Carlisson ihn freundlich.
"Vielen Dank, Ma'am. Dann trete ich mal ein. Hier duftet es nach Rinderbraten. Vegan lebt Ihr Gatte also schon mal nicht, wenngleich er mich das hat glauben lassen."
"Hat er das behauptet?"
"Nein, das war nur mein Eindruck, wegen seiner spirituellen Gabe des zweiten Gesichts. Ich verstehe gar nicht, wie so was möglich ist... Informationen über die Zukunft aus der Luft zu holen..."
"Immer klappt das aber auch nicht. Wenn Sie Gavin testen wollen, wird er vorsichtshalber den Test ablehnen, um sich nicht zu blamieren. Nur wenn es klappt, ist er immer ganz stolz auf seine Vorhersagung."
"Ach, das ist interessant. Na ja, wer ist schon unfehlbar? Übrigens einen interessanten, schwarz-weiß karierten Parkettboden haben Sie hier! Da kann man ja Schach drauf spielen. Gehen Sie ruhig in die Küche und kümmern Sie sich um Ihr Abendessen! Ich warte im Vorzimmer auf Ihren Mann."
"Wie Sie meinen, Inspektor."
Als wenig später direkt neben ihm das Telefon klingelte, ging Columbo dran:
"Bei Carlisson. Wer spricht? ... Ah ja. Ihre Tochter ist gerade in der Küche und nimmt die Kartoffeln vom Herd. Rufen Sie gerne in einer Stunde wieder an!"
Columbo legte auf. Mrs. Carlisson verließ ihre Küche.
"Wer war am Apparat?", fragte sie.
"Eine Mrs. Carlisson, die sich merkwürdigerweise für Ihre Mutter ausgab."
"Wieso merkwürdigerweise? Natürlich ist sie meine Mutter!"
"Aber sie kann doch nicht auch Carlisson heißen, so wie Ihr Mann. Sie müsste doch so heißen wie Sie vor Ihrer Ehe mit Mädchennamen hießen."
"Carlisson heiße ich immer schon. Meinen Namen behielt ich nach der Hochzeit und er nahm meinen Namen an."
"Ganz schön traditionslos. Fand er seinen Namen nicht so schön wie Ihren?"
"Sein Name war ihm zu fremdländisch."
"Wie hieß er denn?"
"Gerstenhaber."
"Klingt wirklich nicht amerikanisch."
"Der Name ist deutscher Herkunft. Seine Vorfahren waren Einwanderer. Um sich zu amerikanisieren, nahm er meinen Namen an, als wir uns das Jawort gaben."
"Was ist nochmal sein berufliches Spezialgebiet?"
Bereitwillig fing Katherine Carlisson an zu erzählen:
"Gavin ist eine der führenden Kapazitäten im Bereich der Resonanztherapie. Zu ihm kommen die austherapierten Patienten, die die Schulmedizin bereits aufgegeben hat. Und soweit ich weiß, bekommt er jeden Einzelnen davon wieder gesund. Da hat er auf jeden Fall eine höhere Erfolgsquote als bei seinen Zukunftsvorhersagen."
"Unglaublich! Als könnte er zaubern!", bewunderte Columbo jenes Talent.
"Gavin tritt dabei lediglich in die riesigen Fußstapfen des Dr. Raymond Rife, dem Pionier der Resonanztherapie, der in den 1930er Jahren den Frequenzgenerator erfunden hat."
"Darüber würde ich gerne mehr erfahren, Ma'am."
"Seine Entdeckung bedeutete im Grunde das Ende aller Krankheiten. Dass wir heute trotzdem noch Krankheiten haben, liegt wohl nicht an der Unwirksamkeit des Frequenzgeräts, sondern an dem Gegenwind, den Dr. Rife damals von den Führungskräften der Pharmaindustrie bekam, die ihre Existenzgrundlage gefährdet sahen. Womit hätten sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollen, wenn es keine Kranken mehr gegeben hätte? Die American Medical Association bot Dr. Rife Millionen für sein Patent. Er lehnte ab. Er wusste, sobald er die Rechte an seiner Erfindung aus der Hand gäbe, würde sie unterdrückt werden, damit weiterhin für kranke Patienten im Gesundheitswesen gesorgt wäre. Deswegen wurden Brandanschläge auf Dr. Rife's Labor und seine Firma verübt und wer mit dem Frequenzgenerator behandelte, dem wurde die Lizenz entzogen. Und deswegen behandelte kein Arzt mehr damit. >>Ich habe den Menschen die Heilung auf einem silbernen Tablett serviert, aber die Mächtigen der Welt wollten sie nicht<<, klagte Raymond Rife danach geknickt und entmutigt."
"Das ist wirklich überaus interessant! Wie kommt es, dass Ihr Mann heute mit so einem Frequenzgenerator behandeln darf?"
"Durch das 1983 veröffentlichte Buch von Barry Lane >>Die Krebstherapie, die funktioniert hat<<. Durch dieses Buch wurde das Gerät wiederentdeckt, so dass es heute käuflich zu erwerben ist."
"Ich lese viele Bücher, wenn ich dazu komme, aber dieses fehlt in meiner Sammlung. Können Sie mir bitte erklären, wie diese Krebstherapie funktioniert hat, oder verlange ich da zu viel?"
Katherine überlegte kurz, blieb Columbo aber keine Antwort schuldig.
"Wenn ich mich recht an das Buch erinnere, war es so erklärt worden, dass jeder Krankheitserreger individuell mit einer eigenen Frequenz schwingt. Auf diese konkrete Schwingung eingestimmt, greift der Frequenzgenerator genau diesen Mikroorganismus an, wenn man den Patienten bestrahlt, und zerstört den Krankheitserreger. So wie bei einer Opernsängerin, die ein Glas zum Zerspringen bringen kann, wenn sie genau die Frequenz singt, mit der das Glas schwingt. Mein Mann hat eine lange Liste aller Eigenresonanzfrequenzen von Erregern. Durch eine Vakuumröhre wird die Frequenz in den Raum gestrahlt und jeder, der vor der Röhre steht, wird behandelt. Genauso funktioniert auch ein Radio, zumindest eins von den guten alten. Die Trägerfrequenz des jeweiligen Senders transportiert das Programm durchs ganze Land, und wenn man sein Empfangsgerät darauf einstellt, kann man es hörbar machen. Bloß trägt der Frequenzgenerator keine Audiodatei, sondern einzig eine sehr hohe elektromagnetische Frequenz."

Ein Schlüssel wurde in die Vordertür gesteckt und der Herr des Hauses betrat sein Heim.
"Da kommt Ihr Mann ja! Dann kann ich jetzt mit ihm weitersprechen! Es war äußerst nett, Sie kennen zu lernen."
"Ganz meinerseits. Ich muss nochmal nach meinem Braten schauen, entschuldigen Sie mich. Gavin, du hast Besuch!"
Carlisson gab seiner Frau den allabendlichen Kuss auf die Lippen.
"Verzeih die kleine Verspätung, meine guteste Katherine. Ich hoffe, die Kartoffeln sind nicht verkocht."
"Ihr zweites Gesicht kann Ihnen doch verraten, wie die Kartoffeln schmecken werden!", meldete sich Columbo aus dem Hintergrund zu Wort. Gavin wandte sich erfreut seinem unerwarteten Gast zu. 
"Guten Abend, Inspektor! Das freut mich aber, dass Sie mich informieren möchten, was Sie herausgefunden haben! Es ist Konzentrationsarbeit, aus dem morphogenetischen Informationsfeld die Zukunft zu lesen, und nach meinem langen Arbeitstag bin ich zu erschöpft, um mich dieser Mühe hinzugeben. Aber gerne würde ich Sie zum Abendessen einladen!"
"Bloß leider kocht Ihre Frau nur für zwei", wehrte Columbo ab. Doch Carlisson ließ nicht locker:
"Vielleicht morgen? Sie und Ihre Frau sind herzlich eingeladen."
"Ja, das Angebot nehme ich gerne an, wenn Mrs. Columbo morgen noch keine Termine hat! Ich denke, sie wird frei sein. Sie war gestern im Saal auch ganz fasziniert davon, wie Sie mit Ihrer Ankündigung von Matthew Meadows' Tod voll ins Schwarze getroffen haben. Wie machen Sie das nur? Ich möchte sowas auch können..."
"Jahrelanges Sinnestraining! Das kann ich Ihnen leider nicht in der kurzen Zeit, die wir nur haben, beibringen. Ich schätze, Sie werden weiterhin den Lauf der Zeit abwarten müssen, wenn Sie wissen wollen, was Ihnen Ihre Zukunft bringt."
"Könnten Sie mir wenigstens einen Ausblick auf morgen geben? Auf welche exquisite Speise würden Sie sich als Gesundheitsexperte denn morgen Abend freuen?", fragte Columbo.  
"Nun, Ernährungsberater und Fachmann für die gesündesten Lebensweisen bin ich nicht. Vegetarier, Veganer, Rohköstler, Lichtnahrung - jeder mit einer Fresse im Gesicht glaubt wie bei einer Religion, die optimale Ernährung gefunden zu haben. Ich denke mir, was der Seele gut tut, tut auch der Gesundheit gut. So wie die Natur weiß, was Ihr Körper braucht, und deswegen all die Kräuter in Ihrem Garten wachsen lässt, die zu Ihrer Genesung passen, so sagt Ihnen Ihr Geschmack, welche Speisen Sie brauchen. Und wahrscheinlich verändern Sie mit Ihren Gedanken sogar die genetische Zusammensetzung der jeweiligen Fleischsorte."
"Ich sehne mich schon nach unserem Abendessen morgen zu viert. Ich würde aber schon gerne wissen, was wir dann verzehren werden. Mrs. Columbo ist gegen manche Speisen allergisch. Kann man eigentlich irgendein Gericht als immer gut bezeichnen?"
"Man kann generell sagen, dass Zellen sich ständig erneuern und dass mit gutem Baumaterial die neuen Zellen kräftiger werden. Wir bestimmen und verändern die Gene; nicht die Gene bestimmen uns. Das ist meine wichtigste Erkenntnis als Heiler, mit der ich immer auf Widerstand bei Schulmedizinern stoße. Aus Sicht desjenigen, der seinen Beruf des Geldes wegen ergreift, kann man sogar nachvollziehen, dass Ärzte so sind wie sie sind. Kein kluger Unternehmer schafft sich vorsätzlich die Kundschaft ab. Deswegen darf der Arzt die Patienten gar nicht heilen wollen. Nach dem Motto: Nur Symptome werden behandelt, niemals Ursachen. Dabei sind die meisten Ärzte durchaus wohlmeinend. Aber sie sind eben angewiesen auf die Inhalte, die sie lernen müssen. Ich sage nur: Vorsicht, Fachmann! Fachmänner sind Schubladendenker, eingesperrt in einem Fach, das durch seine Grenzwände links und rechts die Sicht auf eine ganzheitliche Wirklichkeit stark einschränkt."
"Deswegen versuche ich als Inspektor immer, vielerlei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen und mich nicht wie so mancher Kollege auf das Einfache, auf das Offensichtliche zu versteifen, nur um den Fall möglichst schnell abschließen zu können. Ich unterhielt mich mit Ihrer Frau eben über Dr. Raymond Rife. Dieses Thema ist wohl das Gegenteil von einfach."
"Ja, Raymond Rifes Lebenswerk ist die Grundlage meiner Arbeit! Mit seinem selbst gebauten Mikroskop konnte Professor Rife die Resonanzfrequenzen von Krebs, Tuberkulose und Diphtherie feststellen. Und was konnte man heute feststellen? Hat die Obduktion von Mr. Meadows etwas ergeben? Wir haben schon viel Nebensächliches beredet, aber das wollten Sie mir doch hauptsächlich heute erzählen, stimmt's, Inspektor?"
"Tja, die Obduktion ist tatsächlich schon gemacht worden und kommt zum Ergebnis: Der gute Mann starb an einem Herzinfarkt. Da war ich mit meiner Hirninfarkt-Theorie also gar nicht so weit weg."
Gavin setzte sich betroffen.
"Das wünscht man niemandem in so jungen Jahren, aber ich kann mir vorstellen, dass ein so viel beschäftigter Moderator enormem Stress ausgesetzt war, und Herzinfarkt ist eine typische Todesursache für Leute, die sich nicht genug Ruhepausen gönnen. Dieser Autopsiebericht erscheint mir daher schlüssig." 
"Entschuldigung, Sir, aber diesbezüglich kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner."
"Warum nicht, Columbo? Das ist aber schade", befand Gavin mit enttäuschtem Gesicht. 
"Nun, während der Vorstellung Ihrer Duellgegnerin Mrs. Lesny sagte Mr. Meadows, dass er oft in den Wald gehe, um sich selbst Gassi zu führen. Ich finde, wer so naturverbunden lebt, erdet sich und befreit sich dadurch von Stress. Zu so jemandem passt ein Herzinfarkt wegen einem stressigen Lebensstil dann überhaupt nicht mehr."
"Hmm... wie Sie meinen. Also werden Sie nach einer multikausalen Erklärung für den Herzinfarkt forschen müssen, wenn Sie die Wahrheit über sein Dahinscheiden ermitteln wollen."
"Und das will ich!", bestätigte Columbo.
"Das müssen Sie auch. Es ist Ihr Job." 
"Die Sendung wird übrigens vorerst nicht fortgesetzt. Ich sprach den Regisseur, wie es denn mit Ihnen als Kandidat weitergehen soll. Sie waren ja mitten im Spiel, als der Quizmaster starb. Der Sender wird behaupten, aufgrund niedriger Einschaltquoten müsse die Show neu konzipiert werden. So kann der Sender unsere gemeinsame Ausgabe unauffällig unter den Teppich kehren."
"Das ist ja wieder mal typisch!", ärgerte sich Carlisson.
"Essen ist fertig!", rief Katherine aus der Küche.
"Dann werde ich jetzt gehen", entschied der Inspektor, "aber ich komme morgen um diese Zeit höchstwahrscheinlich in Begleitung meiner Frau wieder. Was werden wir dann speisen? Ich weiß es noch immer nicht."
"Ich weiß es auch noch nicht. So weit in die Zukunft kann ich mit meinem zweiten Gesicht nicht sehen. Die Information darüber ist noch nicht im morphogenetischen Feld, weil meine Frau noch keine Entscheidung darüber gefällt hat. Aber auf Katherines Kochkunst ist immer Verlass, machen Sie sich da mal keine Sorgen, mein lieber Freund Columbo!"
"Erlauben Sie mir zum Abschied noch die Frage, wie Ihre Prognose für die medizinische Zukunft aussieht?"
"Ach, keine rosigen Aussichten!", seufzte Carlisson. "Vor zwanzig Jahren war jeder tausendste Junge autistisch. Heute ist es jeder vierzigste, und in Zukunft wird es jeder zweite sein, und völlige Inkompetenz auf allen Gebieten wird die Norm und der Endzustand unserer Zivilisation sein."
"Das ist ein gutes Schlusswort, danke! Bis morgen Abend dann", lachte Columbo, schüttelte Gavin die Hand, verließ das Haus und stieg in seinen Wagen, der - wenn auch erst nach mehrfachen Versuchen - seinen Dienst tat und ansprang.

KAPITEL 4

Es war der Abend von Tag 2 nach Matthew Meadows.
Der Inspektor saß in seinem Büro und las in einem Buch. Er klappte es zu, legte es in eine Tüte und machte sich mit der Tüte auf den Weg zu seinem Abendessen bei den Carlissons. Auf dem Speiseplan stand Leber mit Rotkohl, Kartoffeln und Salat, eine Entscheidung von Katherine Carlisson. Als Columbo von Katherine hereingebeten wurde, war Gavin diesmal schon daheim. Man setzte sich gemütlich ins Wohnzimmer und genoss die Gesellschaft der anderen.

"Wo ist denn Ihre liebe Frau? Katherine hat doch für vier Leute gekocht!", wunderte sich der Gastgeber.
"Ach, zu dumm! Meine Schwägerin Ruth musste sich ausgerechnet heute den Knöchel ihres linken Fußes brechen, und meine Frau war die Einzige, die sie ins Krankenhaus fahren konnte mit unserem Zweitwagen."
"Wirklich jammerschade. Aber wir holen das nach", versicherte Gavin. "Hoffentlich gerät Ihre Schwägerin im Krankenhaus in verantwortungsbewusste Hände."
"Können Sie das nicht vorhersehen mit Ihrem zweiten Gesicht, Sir?", fragte Columbo neugierig.
"Mein zweites Gesicht sagt mir nur, das wird heute trotzdem ein wunderbarer Abend!", lachte Gavin.
"Dazu braucht man Ihre Gabe nicht, Mr. Carlisson. Das weiß ich auch so. Es liegt einfach in der Luft."

Die drei ließen es sich und ihren Gaumen gut gehen. Columbo lobte:
"Die Sauce ist vorzüglich, Ma'am! Und nicht nur die. Ich muss dabei an einen Satz denken, dessen Autor mir entfallen ist. Er lautet: >>Ich mag die Realität nicht besonders, aber sie ist der einzige Ort, an dem man ein hervorragendes Festmahl wie unseres heute essen kann.<<"
"So nett hat das noch kein Gast ausgedrückt", meinte Katherine geschmeichelt, "da verzeihe ich Ihnen gerne, dass es aus fremder Feder stammt, und danke Ihnen dafür, dass es Ihnen immerhin eingefallen ist."
"An meiner Frau ist eine Gourmetköchin verloren gegangen!", lobte Gavin sein Herzblatt.
Columbo fiel auf dem Wohnzimmerschrank ein Stundenglas auf.
"Ist so eine Sanduhr unter Freimaurern nicht ein Symbol für verrinnende Lebenszeit?", fragte Columbo, während er noch kaute.
"Damit kenne ich mich nicht aus. Ich bin nur Heilkundler", entgegnete Gavin bescheiden.
"Ach, sind Sie nicht in einer Freimaurerloge? Ich dachte. Der typische schwarz-weiß karierte Fußboden fiel mir gestern schon auf, und jetzt auch noch dieses Stundenglas."
"Lassen Sie uns lieber von Matthew Meadows sprechen, unserem gemeinsamen Freund", schlug Gavin vor.
"Sehr gern. Ich bin mir inzwischen vollkommen sicher, dass ich weiß, wie Mr. Meadows' Herzinfarkt zustande gekommen ist", steuerte Columbo auf den Grund seines Hierseins zu.
"Immer wenn ich einen Toten sehe, gehe ich automatisch vom Schlimmsten aus, und tatsächlich wittere ich ein faules Spiel in dieser Sache."
"Werden Sie doch bitte konkreter", wünschte Gavin.
"Ich vertrete die kühne Theorie, dass der Herzinfarkt durch eine Smart Weapon mit einer höchst raffinierten Technologie gezielt herbeigeführt wurde. So raffiniert wie Ihr Frequenzgenerator, der ein ganz schön scharfes Skalpell sein kann, wenn man ihn falsch anwendet."
Gavin und Katherine kauten langsamer und schauten einander stumm ins Gesicht.
"Was meinen Sie, Ma'am, wozu wäre Dr. Rife's Erfindung in den Händen eines Mörders fähig?", fragte Columbo.
"Nun ja, man könnte damit auch Angst und Stress erzeugen oder beispielsweise probiotische, also lebensfördernde Organismen abtöten. Über Funkmasten könnte die Regierung im Falle eines Krieges auch Frequenzen, die das Volk krank machen sollen, abstrahlen."
"Stimmt das?", vergewisserte sich Columbo bei Gavin.
"Möglich ist vieles."
"Da Sie den Kriegsfall erwähnt haben, Mrs. Carlisson: Ich habe hier in der Tüte ein Buch aus meiner Sammlung mitgebracht: >>Geheimwaffen im Nationalsozialismus<<"
Gavin schluckte einen Bissen Leber herunter, nahm aber keinen Nachschub auf seine Gabel. Columbo schob seinen Teller zur Seite, damit sein Buch keine Flecken bekam.
"Ich darf mal vorlesen, ja? Aus dem aufschlussreichen Kapitel über Schallwaffen."
Gavin schwieg.
"Hier heißt es: >>Herzinfarkt per Resonanzkopplung: Die Eigenschwingung des Mordopfers wurde mittels Resonanz gekoppelt und anschließend per Modulation so lange erhöht, bis der Organismus riss und starb. Der Schall wurde auf das Herz gerichtet, hinderte es am Weiterschlagen und lähmte den Patienten. Dieser bekam einen Herzinfarkt und fiel tot um.<<"
"Und?", fragte Gavin.
"Was ich besonders interessant finde: Im Zusammenhang mit der Entwicklung dieser Schallwaffen fällt in dem Buch der Name Kunibert Gerstenhaber. Also Zufälle gibt's! Sie selbst sind doch ein gebürtiger Gerstenhaber!"
"Wie kommen Sie denn darauf?"
"Danach hat er mich gestern gefragt, nachdem meine Mutter sich am Telefon mit Carlisson vorgestellt hatte", sagte Katherine.
"Ach, essen Sie doch bitte weiter, Mr. Carlisson", wies Columbo ihn an, "das kostbare Essen soll nicht kalt werden."
Katherines Tonfall wurde ernster:
"Gavin, dein Großvater, der unser Haus erbauen ließ, nachdem er aus Deutschland ausgewandert war, hieß doch auch Kunibert! Ist das etwa derselbe wie der aus dem Buch?"
"Noch mehr Zufälle!", lachte Columbo, wissend, dass er auf der richtigen Fährte war. Katherine fragte weiter:
"Soll das bedeuten, dein Großvater war ein Naziverbrecher, in dessen Tradition deine heutige Arbeit steht?"
Ihr ging nun ein Licht nach dem anderen auf.
"Du hast mir das absichtlich nie erzählt! Das war auch der wahre Grund, weshalb du nach unserer Hochzeit nicht mehr Gerstenhaber heißen und meinen Namen annehmen wolltest. Du wolltest nicht in erster Linie amerikanisch klingen, sondern es ging dir darum, deine Herkunft zu verschleiern!"
Gavins Körpersprache drückte aus, wie unwohl ihm war.
"Ich schäme mich für die Gräueltaten meines Opas. Kannst du mir das verdenken, Schatz?", gab er zur Antwort.
Columbo sagte es ihm mutig auf den Kopf zu:
"Deswegen wussten Sie im Voraus, dass Mr. Meadows sterben würde. Nicht Ihr zweites Gesicht war das, sondern Sie selbst waren das. Sie haben Ihr Frequenzgerät auf die Frequenz des menschlichen Herzens eingestellt und es auf Mr. Meadows gerichtet. Mit seiner eigenen Schwingung wurde er >>geherzinfarktet<<, weil Sie wütend auf ihn waren und weil Sie wussten, wie man diesen Mann auf heimtückische Weise ausschalten kann."
"Sie sehen Gespenster. Es war ein Fehler, Sie einzuladen. Sie versauen uns den gemütlichen Abend", beklagte sich Gavin.
"Es gibt HD-Fernsehaufnahmen von den betreffenden Minuten. Welche Frequenzzahl Ihr Gerät anzeigte, als Sie es in der Hand hielten, lässt sich darauf nachschauen. Wären Sie bereit, nachdem ich die Frequenzzahl auf diese Weise ermittelt habe, Ihr Gerät nochmal auf dieselbe Frequenzzahl einzustellen und es auf sich selbst zu richten, um mir zu demonstrieren, dass dann nichts passiert? Oder würden Sie das nicht wagen, weil dann auch Ihr Herz seinen Geist aufgeben würde?"
In die Ecke gedrängt, wurde Gavin laut:
"Ich hätte diese Todesart nicht verdient, weil ich ja Menschen heile!"
"Aber Mr. Meadows hat sie verdient? Er war eine Kreatur, die keine Daseinsberechtigung hat? Ich gebe zu, er hatte ein paar wenige unsympathische Züge, aber ich würde nie auf die Idee kommen, ihm das Lebenslicht zu löschen, selbst wenn ich wüsste, wie man es so raffiniert anstellen kann, dass einem niemand auf die Schliche kommt."
Gavin rechtfertigte sich:
"Er hat meine Behandlungsmethode öffentlich als Scharlatanerie verleumdet! Rufmord im Dienste der Kabale, um weitere Erfolge mit meinem Rife-Frequenzgerät zu verhindern! Am eigenen Leib erfahren zu müssen, wie gut meine Maschine funktioniert, ist die einzige gerechte Strafe für so ein Verhalten!"
"Du redest dich gerade in ein Mordgeständnis herein!", erkannte Katherine schockiert. Gavin erkannte es auch und wurde sogleich stiller. Deshalb sprach der Inspektor weiter:
"Packen Sie ein paar Sachen ein, bevor wir zusammen in die Stadt gehen! Mit meiner Deckung, meinem Schweigen können Sie nicht rechnen, auch wenn ich in vielen Dingen mit Ihnen übereinstimme. In diesem Punkt aber kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner."
"Wenn ich schon überführt bin, dann will ich auch, dass das bekannt wird, um den beschädigten Ruf alternativer Therapien und Heilpraxen wieder herzustellen. Jeder soll anhand meines Mordes wissen, wie effektiv unsere Methoden sind", schlug Gavin vor.
">>Die Ärzte, die ihre Skeptiker ermorden<< - ich weiß nicht, ob das so eine gute Werbung für deine Branche wäre!", rief Katherine aufgeregt, denn sie war fassungslos.
"Ein Segen, dass Sie dieses Buch hatten und sich daran erinnern konnten, Mr. Columbo!", dankte sie ihm.
"Ich schenke Ihnen das Buch als kleinen Trost", lächelte Columbo, während Gavin sich geschlagen auf den Weg in eine neue, aber nicht bessere Zukunft vorbereitete.

Zum Schluss sei noch davon erzählt, dass in der folgenden Woche keine neue Ausgabe von >>Husbands vs. Wives<< im Fernsehen lief. Und auch später nicht mehr. Das Konzept wurde stillschweigend begraben, so wie zeitgleich auch der Körper von Matthew Meadows, dessen Eloquenz und Unterhaltungswert jedem, der seine Show kannte, langfristig unvergesslich bleiben sollte.

ENDE
Columbologe
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Registriert: Mi, 10.10.2018 16:07

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