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Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Fr, 19.02.2010 03:12
von Atrio
Hallo!

Vorab: Ich bin ein fanatischer Columbo-Fan, aber eine Sache bereitet mir hin und wieder Kopfzerbrechen. Und das ist Columbos Schusseligkeit.

Den überwiegenden Teil seiner Auftritte in der Serie sehe ich ihn als einen wadenbeißerischen, aber sympathischen Typen, der seine Verdächtigen durch seine Zerstreutheit, seine Unaufmerksamkeit und seine total verknitterte und verpennte Erscheinung in Sicherheit wiegt, um sie mit genau den gleichen Stilmitteln aus der Reserve zu locken und sie dann festzunageln, da er, ganz entgegen seines ersten Eindruckes, ein extrem aufmerksamer Fuchs ist, der wahnsinnig zielstrebig und komplett fehlerlos von den ersten Minuten an, nachdem er einem Mörder begegnet ist, selbigen mit seiner Beobachtungsgabe und Kombinationsfähigkeit am Ende mit makellosen Beweisen überführt. So, langer Satz, aber das ist für mich Columbo, wie ich ihn liebe.

Merkwürdig finde ich aber Szenen, in denen er mit Leuten konfrontiert ist, die nichts mit dem Fall zu tun haben, und wo er genauso verwirrt wirkt, als stünde er einem Verdächtigen gegenüber, den er nur täuschen wollte.

Nochmal Klartext:
Columbo ist als Inspektor / Lieutenant ein guter Schauspieler. Er bringt Verdächtige nach und nach aus der Fassung, bis sie Fehler begehen. Und ich denke eigentlich immer, er macht das absichtlich, und ist eigentlich ein sehr straighter, aufgeräumter Typ. Sonst könnte er doch solche Fälle nicht lösen.

Und jetzt kommt das große ABER:
Denn auch in den Szenen, die mal gar nix mit dem Fall zu tun haben, z.B. wenn er auf der Straße von irgendwelchen Cops angehalten wird, oder wenn er beim Tierarzt mit Hund klarkommen soll, oder wo er im Wagen des Commissioners seine Zigarre verliert, stellt er sich genauso verwirrt, geradezu hilflos an.
Wird er von Straßencops angehalten, hat er die gleichen Probleme, seinen Ausweis zu finden, redet er den gleichen Schmarrn, als stünde er einem Mordverdächtigen gegenüber.
Zum Teil redet er auch da von seiner Frau, sucht verzweifelt seinen Ausweis, anstatt die Straßencops direkt in ihre Schranken zu weisen, denn hier ist Inspektor Columbo, der schon zig Fälle gelöst und es sehr eilig hat. Es gibt noch mehr dieser merkwürdigen Szenen. Jedenfalls fällt mir auf, dass Columbo fast nie wirklich ernstzunehmend wirkt. Egal, ob er sich gerade mit einem Verdächtigen unterhält, oder mit jemandem, der mit dem Fall nichts zu tun hat.

Also, ist sein Image Absicht, oder nicht?

Ist es also für ihn alles nur ein Glücksfall, dass er so wirkt? Genau wie die Sache mit dem Glasauge, das seinen Blick ständig undurchschaubar wirken lässt, oder setzt er Schusseligkeit bewusst ein?
Ich weiß es nicht. Da passen ein paar Dinge nicht zusammen.

Klärt mich auf! :)


PS.: Ganz tolles Forum! Ich liebe Columbo. Hier hab ich eine meiner Heimaten gefunden. :D

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Fr, 19.02.2010 08:24
von columbo93
[ich glaub, es ist absicht, damit sich die täter in sicherheit wiegen und er sie so zu fall bringen kann. durch unterschätzung :D :D

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Fr, 19.02.2010 12:00
von ahoy y
ich denke diese Schusseligkeit vor Augen des Mörders ist gespielt, ich mein er könnte auch ernst sein. Ist halt seine Strategie...
Aber ich denke im Privatleben ist er auch ein ziemlich schusseliger, sympathischer und netter Mensch.

wahrscheinlich nutzt er seine "angeborene" Schusseligkeit in den Mordfällen, die er zu klären hat, damit der Mörder ihn unterschätzt....

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Fr, 05.03.2010 15:09
von Topi
Hallo Atrio,

deine Frage ist nicht schwer zu beantworten.

Du musst nur für einen Augenblick die fiktive Columbowelt verlassen.

Ja, du hast recht, Columbo täuscht den Verdächtigen absichtlich. Macht ganz bewußt einen auf verpennt, schusselig, leicht verwirrt und zerknittert.

Wir wissen, Columbo ist in Wirklichkeit ein hellwaches Bürschchen.

Aber die Figur Columbo ist rein fiktiv.
Wenn eine Serie erfolgreich sein will (und das muss eine Serie immer sein, damit es mit ihr weiter geht), braucht sie einen Helden, den das Publikum immer wieder sehen will.

(Oder ein Geheimis, wie in Lost)

Wenn eine Serie um einen Helden herumgeschrieben ist, wie bei Columbo der Fall, versucht man den Helden möglichst positiv zu gestalten.
wenn der Hauptcharakter ein fieser Kerl ist, der hier mal den Verschlafenen spielt, aber an sich schlau, kalt und berechnend ist, hat sich das recht bald abgenutzt.
Und vor allem, wie wirken Folgen, in denen der Kaltschnautz auf einen sympathischen Mörder trifft?
Columbo kriegt da auch noch die Balance zwischen: "Strafe muss sein" und "Ich hab Verständnis dür Sie" hin.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Es gibt noch viele andere Arten, nach denen Serien gesrickt sind. Hier hat man sich so entschieden.
Du hast recht, wenn man es genau betrachtet, müsste Columbo etwas anders sein.
Aber man wollte ihn als Sympathieträger präsentieren.
Nebenbei, durch seine auch im Alltag vorhandene Schusseligkeit, macht man ihn auch zum Diener der Gerechtigkeit.
Man nimmt ihm die Unbestechlichkeit ab, da Geld ihn offenbar nicht interessiert.

Ich finde die Columbofigur super gelungen und von Falk perfekt verkörpert.
Über einiges sehe ich da auch hinweg - weil es einfach Spaß macht zuzusehen.

Grüße
Topi

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Sa, 06.03.2010 02:51
von feldmann
die frage ist gut, nur denke ich so richtig beantworten kann sie keiner, da man aus sein privatleben so gut wie nichts kennt.

vielleicht haben die macher das mit absicht gemacht, damit jeder zuschauer sich columbo im privatleben so vorstellen kann, wie er will.

ich persönlich stelle mir ihn privat auch etwas zerstreut und schusselig vor. irgendwie macht ihn das ja sympathisch und wenn er jetzt privat anders wäre, dann wäre er vielleicht nicht mehr so sympathisch.

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Sa, 06.03.2010 10:22
von sagittarius
Columbo ist ja eine Filmfigur und wird als solche ständig vom Publikum beobachtet.
Daher muss er ständig den Zerstreuten spielen, egal, ob er dem Mörder gegenübersteht oder ob er privat in seinem Auto von einem Polizisten kontrolliert wird.
Zuhause bei seiner Frau ist er bestimmt genauso zerstreut, nur wird das nie gezeigt. :(

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Sa, 06.03.2010 23:06
von Atrio
Ich kann schon nachvollziehen, was ihr beschreibt. Meine Meinung vom Gesamtpaket Columbo als fiktive Figur sieht ganz ähnlich aus.

Aber es gibt einige Szenen, in denen mich Columbo dann wieder in die ganz andere Richtung überrascht.
Bspw. "Zwei Leben an einem Faden" mit Leonard Nimoy.
Da gibt es eine Szene, in der sich Nimoy (also seine Rolle) sich mal wieder hochnäsig über Columbos Ermittlungsstil lustig macht.
Und auf einmal haut Columbo auf den Schreibtisch, hinter dem Ninoy sitzt und schreit förmlich: "Ich nehme das sehr ernst!"

Diese Szene hat mich geradezu schockiert. Als würde Columbo für eine Sekunde in sein wirkliches Ich blicken lässt, dass scheinbar gar nicht so locker, freundlich und tapsig ist.
Das fand ich richtig genial. Hat für mich den Charakter Columbo um einiges facettenreicher erscheinen lassen, als er es vorher war. Plötzlich ließ er endlich doch mal den Bullen raushängen und zeigt auch, was er von der Hochnäsigkeit hält, die ihm ständig entgegengebracht wird.

Und das wiederum widerspricht seiner üblichen Verhaltensweise.
Aber wie gesagt, ich fand es richtig geil. Und solche Szenen bringen mich dann wirklich dazu, mir Gedanken über diesen Charakter zu machen.

Wahrscheinlich haben die Schreiber der Serie damals gar keinen Gedanken daran verschwendet, dass man noch Jahrzehnte die Filme und Charaktere so intensiv betrachtet.
Vielleicht auch gut so. So gibt es mehr nachhaltigen Diskussionsgrund. :D

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: So, 07.03.2010 11:12
von sagittarius
Atrio hat geschrieben:Aber es gibt einige Szenen, in denen mich Columbo dann wieder in die ganz andere Richtung überrascht.
Bspw. "Zwei Leben an einem Faden" mit Leonard Nimoy.
Da gibt es eine Szene, in der sich Nimoy (also seine Rolle) sich mal wieder hochnäsig über Columbos Ermittlungsstil lustig macht.
Und auf einmal haut Columbo auf den Schreibtisch, hinter dem Ninoy sitzt und schreit förmlich: "Ich nehme das sehr ernst!"


In dieser Szene geht es um das Leben eines Menschen. Der Operierte droht zu sterben, weil Mayfield falsche Fäden verwendet hat, die sich auflösen. Columbo droht mit einer Autopsie, um Mayfield zu einer Handlung zu zwingen. Daher ist diese Szene nicht typisch.

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Mo, 08.03.2010 18:26
von Henry Columbo
Ich weiss nicht ob seine schusseligkeit absicht ist oder unabsichtlich! Aber egal! Columbo löst seine fälle aufgrund dieser hilfe! Die täter denken er wer ein schusseliger alter inspector und denken sie kommen als Unschuldige durch!! :D

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Mo, 08.03.2010 20:02
von Inspektor Columbo
Ich würde sagen Columbo tut immer nur schusselig.

ABER. Wie er in Blutroter Staub sagt nimmt er seine Arbeit überall mit hin. Ich würde sagen, dass ihm diese Schusseligkeit so in Fleisch und Blut überging, dass er sie mittlerweile ganz unbewusst anwendet.

Das ist meine Meinung.

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Mo, 08.03.2010 22:36
von Henry Columbo
Inspektor Columbo hat geschrieben:Ich würde sagen Columbo tut immer nur schusselig.

ABER. Wie er in Blutroter Staub sagt nimmt er seine Arbeit überall mit hin. Ich würde sagen, dass ihm diese Schusseligkeit so in Fleisch und Blut überging, dass er sie mittlerweile ganz unbewusst anwendet.

Das ist meine Meinung.

So kann man´s auch sehen :noidea:

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Fr, 19.03.2010 15:36
von mac
Ich glaube, es ist beides:

- auf der einen Seite pure Absicht, um den Verdächtigen dadurch zu verwirren bzw. in Sicherheit zu wiegen
- auf der anderen Seite ist es aber auch Columbos - wenn nicht sogar Peter Falks - Charkater

Ich denke, nach den heutigen (medizinischen) Gesichtspunkten würde man Columbo ADS attestieren sowie eine Hochsensitivität.
Auch Peter Falk selbst hat von beidem - könnte ich mir vorstellen - etwas. Darauf lässt zumindest sein Lebenslauf schließen.

Wie auch immer: Ich liebe Columbo - so wie er ist.
Und ich mag Peter Falk, ein toller Schauspieler und Zeitgenosse an sich!

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: Sa, 03.04.2010 19:56
von Topi
mac hat geschrieben:
Ich denke, nach den heutigen (medizinischen) Gesichtspunkten würde man Columbo ADS attestieren


Er ist doch hoch konzentriert. Menschen mit ADHS benehmen sich ganz anders

Topi

Re: Columbos Zerstreutheit

BeitragVerfasst: So, 25.04.2010 18:14
von Sheriff_Julia
Dem Täter vorzumachen, er sei in "Sicherheit" dass ist der sogenannte Columbo Effekt:

In der modernen Kriminalistik gehört der „Columbo-Effekt“ und dessen Nutzung zu den anerkannten Methoden des kriminalpolizeilichen wie auch jeden anderen Verhörs, etwa durch Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte. Kern dieser Verhörmethode, für die es einer gewissen schauspielerischen wie auch psychologischen Begabung bedarf, ist mehr oder weniger das Übernehmen von Columbos Gesprächs- und Fragetaktik. Der Verhörende stellt sich unwissend, unkonzentriert, umschmeichelt die „Auskunftsperson“ und wiegt diese so in Sicherheit. Dadurch wird der oder die Verdächtige in ihrer Eitelkeit gereizt und dazu provoziert, sich angesichts einer nur vordergründig souveränen Aufklärung von Ungereimtheiten und Widersprüchen gegenüber einem vermeintlich dummen Ermittler selbst zu entlarven.

Das Verhör läuft dabei fast immer auf Columbos Spruch „Eine Frage hätte ich da noch“ hinaus. Psychologisch gesehen wiegt sich der Verdächtige in der Gewissheit, nach Beantwortung einer letzten Frage in Ruhe gelassen zu werden und wird dadurch nicht selten dazu verleitet, leichtfertig zu antworten und so entscheidende Fehler zu begehen. In der Serie wie auch in der Realität kann es sich dabei jedoch auch um mehrere Fragen handeln.